Veröffentlicht: 30.11.2023
Es ist die letzte Arbeitswoche für uns auf den Philippinen dieses Jahr. An zwei halben Tagen machen wir Hausbesuche bei zukünftigen Batulongfamilien und gehen auch bei den beiden schwangeren High School Schülerinnen vorbei. Die 8-klässlerin ist immerhin schon 17, weil sie einige Jahre Lücken in ihrer Schul-Laufbahn aufweist. Wenn sie mit der ALS-Klasse weiter macht, kann sie sogar die verlorenen Jahre aufholen-für sie passt die Schwangerschaft gar nicht so schlecht. Die andere Schwangere hat einen 35-jährigen Freund und ist ebenfalls 17. Er sei ein Freund des Hauses, der ihnen manchmal Essen gebracht habe und sie liebe ihn. Da können noch so viele Alarmglocken in unseren Köpfen läuten, es bleibt nur zu hoffen, dass er weiterhin zu ihr hält. Sie werden beide bei ihren Eltern wohnen, was wir beruhigend finden – einerseits kann die Mutter babysitten, wenn die Tochter einmal pro Woche zur Schule geht, und so lebt der Teenager auch nicht allein bei dem doppelt so alten Mann. Zur Empfängnisverhütung gefragt, sagt das eine Mädchen, sie hätten es am Anfang ohne gemacht und sie sei nicht schwanger geworden, so habe sie angenommen, dass es auch ohne geht. Es braucht schon Selbstbeherrschung nicht zu fragen, ob sie jemals wirklich darüber nachgedacht habe. Wir reden am selben Morgen mit einer 40-jährigen, die ihre 18-jährige Tochter anmeldet. Auch sie verhütet nicht, es sei bis jetzt mit dem neuen Partner nie zu einer Schwangerschaft gekommen, dann sei es bestimmt sicher. Wir erzählen ihr von Fällen, in denen Frauen nach 40 schwanger wurden und dass es doch nicht so eine grosse Sache sei, sich ein Implanon setzen zu lassen, aber sie reagiert nicht. Wir wundern uns immer wieder, was und ob gewisse Menschen hier überhaupt minimal vorausdenken und wie leichtfertig und fatalistisch mit Schwanger-werden umgegangen wird: Kinder sind ja Geschenke Gottes und wer wird schon ein Geschenk des Allmächtigen ablehnen!?
Auf den Hausbesuchen können wir ja aber meistens Menschen helfen, die wirklich Unterstützung benötigen, z.B einer Witwe, die eben ihren Mann verloren hat und nur durch Feuerholz suchen und verkaufen überlebt. Wir nehmen alle drei Kinder auf und setzen sie auf die Liste derer, die täglich Essen bekommen im Batulong-Center.
Am Wochenende ermordete der Vater eines Batulong-Kindes seinen Nachbarn (wegen einem Streit um eine Ziege und ein WC!) und ist flüchtig. Die Mutter fragte, ob die zwei Batulongkinder von ihr ein tägliches Mittagessen bekommen könnten, und wir sagten natürlich ja. Der Vater von zwei anderen Batulongkindern wurde in Manila erschossen (vermutlich wegen Drogen) und die Mutter und sie reisten nach Manila, wo es insgesamt fast 2 Monate ging, bis sie den Toten begraben konnten. Wir wurden darüber informiert, weil die Kinder sehr schlechte Noten hatten – natürlich besuchten sie in der Zeit die Schule nicht. Nach 15 Jahren wissen wir natürlich, dass viele Eltern ihre Kinder abgeben, sobald sie einen neuen Partner haben; dennoch ist es manchmal traurig zu sehen, wie die Kinder froh sein müssen, irgendwo schlafen zu können. Die Mutter mit Beauty salon und einem Schlafraum darüber hat keinen Platz mehr für die Teenage-Töchter und diese schlafen nun in einem Anbau beim Haus, wo sie vorher gewohnt haben (die Mutter hat sich anscheinend mit den Nachbarn verstritten). Eine Grossmutter fragt nach Unterstützung ihrer Enkelin im High School Alter. Die Mutter ist auch dort und wir sagen, dass wir dann doch sie interviewen sollten, aber sie meint, es sei zwar ihre Tochter, aber die Grossmutter kümmere sich um sie. Deshalb sind wir hier und wir hoffen, dass Batulong nicht nur finanziell helfen, sondern durch die Gemeinschaft, die Events, Camps und so weiter den Kindern und Jugendlichen ein zusätzliches soziales Zuhause bieten kann.
Wir freuen uns auf die Schweiz – trotz Kälte und vielleicht Schnee. Nach einigen Monaten merken wir, dass unsere Resilienz nachlässt: wir haben weniger Geduld, wenn Leute gedankenlos handeln oder uns irgendwelche Märchen als Ausreden erzählen. Gerade mit unserer Hauswartin ist es momentan anstrengend: die kleinsten und für uns selbstverständlichsten Dinge muss man ihr erklären und immer wiederholen (Hunde von Zecken befreien, Abfalleimer regelmässig leeren, kein Metall und keinen Plastik auf den Kompost werfen usw. ). Als es einem unserer Hündinnen schlecht ging mit Schwellungen am Körper und sie nur noch hinkte, waren wir besorgt, aber dann sagte die Hauswartin, das sei, weil sie dem Hund Mungo-Bohnen gefüttert habe, das sei früher schon mal so gewesen. Warum sie denn dem Hund etwas zu Fressen gebe, was er offensichtlich nicht verträgt? Sie habe nichts anderes gehabt… Aber unserem Manager die Situation erklären, darauf kommt sie nicht – lieber den Hund leiden lassen…
Als positiven Abschluss wollen wir nochmals wiederholen, dass wir in unserer neuen Sozialarbeiterin eine super Mitarbeiterin haben. Sie kann selbstständig und effizient arbeiten, logisch denken und englische Sätze schreiben, die wir verstehen 😊! Und sie ist sehr nett und sympathisch. So hat sich unsere Reise nur schon deshalb gelohnt. Wir werden zwar in die Schweiz zurückreisen, aber unsere Arbeit und Unterstützung der Batulong-Mitarbeiter geht weiter…