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San Pedro #2 - Alltagsleben

Veröffentlicht: 30.03.2020

Nach mehr als 3 Wochen bei meiner Gastfamilie in San Pedro am Atitlan-See habe ich viel über die Kultur, das Essen, das Zusammenleben, das Dorf, die indigene Sprache und die Religion erfahren. In diesem Beitrag möchte ich über meine Gastfamilie und meine Erfahrungen berichten.

Familie: In unserem Haus leben normal 5 Frauen (ohne mir) von 5 bis 91 Jahre, seit dieser Woche sind noch die Großeltern da bis Ostern, wir sind jetzt insgesamt 8 Personen. Bevor man heiratet, wohnt man natürlich noch bei den Eltern und auch die Großeltern wohnen im gleichen Haus, die Familie hat einen sehr hohen Stellenwert im Leben der Guatemalteken. Die Kinderrate ist mit Sicherheit höher als in Österreich, aber auch Trennungen und Scheidungen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. In der Familie redet man Tzutujil, der Maya Dialekt im Dorf, mit mir reden sie zum Glück auch Spanisch. Nach 3 Wochen kann ich schon einige Phrasen in Tzutujil sagen :)

Essen: Sonntags gibt es in San Pedro Hühner- oder Rindersuppe mit Tamalitos (Maisteigtaschen in Maisblättern eingewickelt). Das traditionelle Abendessen ist Eierspeise mit schwarzen Bohnen und Tortillas. Tortillas werden zu jedem Gericht gegessen, sei es Reis, Pasta, Würstchen, Fisch, Suppe... zusätzlich gibt es auch immer eine pikante Salsa, die ist manchmal schon echt scharf! Man isst viel mehr mit den Händen und mit den Tortillas, eine Gabel wird unterstützend verwendet. Da San Pedro einige Kaffeeplantagen hat, gibt es zum Frühstück, zwischendurch und zum Abendessen regionalen Kaffee. Clara, meine Gastmama, bereitet mir zum Frühstück Müsli, Pancakes oder Früchte zu. Die meisten Häuser hier haben eine Küche im Erdgeschoß und einen Grill mit offenem Feuer auf dem Dach. Am Dach wird alles was länger dauert gekocht, Mais, Bohnen, Hühnersuppe, Chuchitos (siehe Fotos, Maisteigtaschen gefüllt mit Huhn und Tomatensauce) usw. und die Tortillas werden hier zubereitet.

Tortillas: Tortillas (ausgesprochen Tortijas) sind schlichtweg das Nationalgericht der Guatemalteken und werden überall dazugegessen. Im Vergleich zu den mexikanischen Tortillas aus Mehl und oftmals von der Maschine werden die Tortillas hier aus Maismasse und per Hand hergestellt. Dazu muss man den Mais zuerst 1 Stunde auf der Feuerstelle auf der Terrasse kochen lassen, danach geht man mit dem gekochten Mais zu einer Mühlmaschine, der Mais wird mit ein bisschen Wasser gemahlen und man erhält die Maismasse. Dann wird ein kleines Teigbällchen zwischen den Händen hin- und hergeschupft sodass eine runde und flache Tortilla entsteht, das braucht allerdings einiges an Übung. Die Tortillas kommen dann kurz auf die Feuerstelle und das Ganze machen viele Familie täglich (manchmal sogar 2 Mal).

Religion: Auch die Religion ist sehr wichtig, meine Familie ist evangelisch. Im Dorf gibt es eine katholische Kirche (der ca. 60-70% der Dorfbewohner angehören) und 16 (!) evangelische Kirchen bei 16.000 Einwohnern. Meine Familie geht (wenn nicht wegen Corona alles zu ist) ca. 2-3 Mal pro Woche in die Kirche, außerdem beten wir gemeinsam vor den Mahlzeiten und es läuft fast den ganzen Tag ein religiöser Radiosender. Die Hausmauern im Dorf sind mit Bibelzitaten oder religiösen Abbildungen verziert. Da vor allem Männer zum Teil ein Alkoholproblem haben, verbietet die evangelische Kirche Alkoholkonsum.

Tracht: Seit 2 Wochen ziehe ich ca. 3 Mal pro Woche die regionale Tracht an, die mir meine Familie borgt. Diese besteht aus einer Bluse, einem Rock und einem Gürtel. Meine Gastmama hilft mir dann in der Früh immer mit dem Rock und dem Gürtel und flechtet mir die Haare. Die meisten Frauen hier tragen täglich ihre Tracht, im Gegensatz zu den Männern, da tragen nur vereinzelt ältere Männer die Tracht (Hemd, weiße Hose mit schwarzen Streifen, Hut und Gürtel).

Dusche und Bad: ich habe ein eigenes Klo und eine eigene Dusche, mit der Dusche ist das allerdings so eine Sache. Am Anfang hat sie gar nicht funktioniert, jetzt funktioniert "nur" das Warmwasser nicht. Daher dusche ich immer in der Familiendusche, dort schwenkt die Wassertemperatur zwischen warm, lauwarm und nicht mehr wirklich warm. Statt Duschgel wird Seife verwendet. Im Klo wirft man das Klopapier nicht in die Kloschüssel sondern in einen Mistkübel daneben.

Hausarbeit: Neben Kochen fällt im Haus auch viel andere Arbeit an. Fast täglich wird im Innenhof gekehrt, das Geschirr und die Wäsche werden mit der Hand gewaschen. Für die Wäsche gibts ein steinernes Waschbrett neben einem ca. 2 m tiefen Wassertank (siehe Foto).

Klima: da San Pedro auf 1.400 m liegt, hat es jeden Tag zwischen 20 und 25 Grad und ist daher sehr angenehm. Es ist jetzt Trockenzeit, heute hat es das 2. Mal geregnet seit ich in Guatemala bin, ab Mai beginnt dann die Regenzeit.

Coronavirus: Per 1.4. gibt es 39 Infizierte, viele davon waren davor schon in Quarantäne oder sind aus dem Ausland gekommen und wurden direkt ins Krankenhaus gebracht. Die Maßnahmen wurden schon zu Beginn sehr streng gesetzt, bis 12.4 gibt es jetzt eine Ausgangssperre ab 16 Uhr, alles außer Supermärkte und Apotheken hat zu und der öffentliche und private Personentransport ist lahmgelegt. Die Botschaft hat mir schon 2 Mal einen Rückflug angeboten, da ich mich allerdings nicht zu den unfreiwillig gestrandeten Touristen zähle und ich mich hier in Guatemala sehr gut aufgehoben fühle, habe ich abgelehnt. Bis Ostern bleibe ich auf jeden Fall noch im Dorf, mal schauen wie es nach der Ausgangssperre weitergeht.

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