Veröffentlicht: 24.06.2018
Ottawa
Eigentlich sind nur 2 Wochen vergangen seit ich in der "Wildnis" war, aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Als ich das letzte Mal geschrieben habe, war ich kurz davor den Bus nach Ottawa zu nehmen, hab ich auch gemacht und dann war ich in der Hauptstadt von Kanada. Einfach so. Kurz zusammengefasst war Ottawa so: Bus fahren - Hostel - Deutsche Deutsche - Alte Gebäude - Hostel - Wandern - Zecke - Deutsche - Hostel - Museum - Agathe - Deutsche - Hostel - couchsurfer - Chinatown - couchsurfer - Deutsche - Museum - Museum - Museum - Parlament - Couchsurfer - Museum - Museum - Couchsurfing treffen - Couchsurfer - Bus fahren.
So, ich hab mir also mal was gegönnt und habe 3 Nächte in einem Backpacker Hostel verbracht und es war auch genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Überall Deutsche und und außerdem Deutsche. Von den 6 Leuten die dort gearbeitet haben, waren 3 deutsch und einer hat die ganze Zeit Brot gebacken. An der Rezeption stand sogar, dass auf Wunsch auch deutsch gesprochen werden kann?! Jaaaa bitte! Also hab ich mich mit der Französin Agathe angefreundet, nachdem ich abends zu laut im Hostelzimmer geredet habe und sie meinte genervt, dass sie schlafen will.Agathe ist super, wenn sie französisch redet klingt sie sehr bestimmt, aber freundlich und wenn sie englisch mit mir redet besteht ihr Wortschatz hauptsächlich aus vulgären Flüchen.
Agathe sagt nicht viel, wenn du ihr nicht explizit auf die Nerven gehst und ich bin ihr deshalb vermutlich richtig auf die Nerven gegangen. Sie besitzt ein Segelboot das 35 Jahre alt ist und ist damit von Singapur aus nach Japan gesegelt und dann durch den Nordpazifik Richtung Alaska(!) und von da aus nach Vancouver. Letzten Sommer ist sie in Vancouver angekommen, hat ihr Boot dort überwintern lassen, hat in Frankreich als Fischerin gearbeitet und ist dieses Sommer zurückgekommen, um mit dem Boot von Toronto nach Neufundland zu segeln. Dazu hat sie das Boot von Vancouver auf einem LKW nach Toronto bringen zu lassen. Und das erzählt sie dann einfach so und ich ich sitzt da mit offenem Mund und sie meint halt ganz bescheiden, dass ihr der Panama Kanal einfach zu teuer war und sie deshalb lieber in Kanada geblieben ist. Achja...und nächsten Sommer überquert sie dann den Atlantik. Jetzt wartet sie gerade in Ottawa und schaut sich ein wenig die Stadt an und nächsten Montag (11.06) fährt sie dann nach Toronto und holt ihr Boot ab. Sie hat außerdem einen Doktor in Geophysik und sich auf Vulkanologie spezialisiert. Man merkt das vermutlich jetzt hier beim Lesen nicht, aber ich bin schon so ein bisschen verliebt in Agathe ❤️.
Wir sind dann auf jedenfall ein bisschen durch Ottawa spaziert und haben uns die tollen Schleusen angeschaut, die schon seit 1832 mit der Hand bedient werden und Leute die dort gearbeitet haben ein bisschen ausgefragt.
Was macht ihr im Winter? Wie alt ist das Holz? Wie lange dauert das mit dieses ganzen Schleusen? Wen das interessiert, der kann mich ja mal fragen :D Den nächsten Tag hatte ich dann schon wieder genug von der Stadt und bin ein wenig außerhalb wandern gewesen und hab gleich mal den Fehler gemacht und ein T-Shirt getragen. Abends hatte ich dann am Rücken ein neues Muttermal, die andere Deutsche in meinem Dorm hat mir dann bestätigt, dass mein neues Muttermal lebt und eine Zecke ist und sie mir mit einer Pinzette abgezogen. Yeah. Alle anderen im 10-Bett-Dorm fragten mich dann, ob ich auch alles abgesucht hätte und überprüften sich vorsichtshalber nochmal selbst, ob ich sie nicht angesteckt habe. Oh man, es ist echt wie mit Läusen. Sobald jemand von Läusen erzählt, fangen alle an sich zu kratzen.
Mit Agathe war ich dann noch im National History Museum in Québec (Ja durch Ottawa fließt die Ottawa (haha) und auf der andere Seite ist dann schon der Staat Québec und alles ist sehr französisch) und das ist sooo riesig. Wir hatten 3 Stunden Zeit bis zur Schließung und ich habe von 3 Etagen genau eine geschafft.
Ich und Agathe :)
Die untere Etage ist hauptsächlich der Geschichte der "First Nations" gewidmet und ist eine große Ausstellung mit Kunsthandwerk, Alltagsgegenständen und einem riesigen Raum, in dem First Nation People ihre Geschichte erzählen. Ich hätte wirklich den ganzen Tag in dem Museum verbringen können. Joar und dann war die Woche auch schon fast wieder rum. Ich war noch in dieser tollen Bäckerei, die für meinen Anforderungen gutes Brot hatte und in der Obama mal gewesen ist. Hätte man jetzt ja so nicht erkannt:
Montag (11.06) bin ich dann umgezogen zu einem Couchsurfer nach Chinatown der unfassbar viel über Ontario und Kanada im Allgemeinen wusste. Das meiste hab ich vermutlich schon wieder vergessen, aber ich hab auf jeden Fall die meiste Zeit gebannt zugehört. Wir waren dann im 'Ottawa Art Court' und haben uns die Stadt von einem Bank -Gebäude aus angeschaut, da ein bestimmter Teil der Gebäude in der Innenstadt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss und dann kann man eben mal auf so einem Dach über Ottawa rumgammeln.
Eric und der Bayer
Wer in meiner Kurzfassung gut aufgepasst hat, weiß schon was jetzt kommt: mehr Museen :) Ich habe den kompletten Dienstag in der National Art Gallery verbracht und war so fasziniert, dass eine der Security Menschen auf mich zugekommen ist und meinte, ich soll mir doch unbedingt noch die Chapel anschauen. Die war wirklich sehr schön und die Musikinstallation war auch super. Ich war allerdings nicht alleine im Museum. Also physisch schon, aber da man fotografieren durfte, habe ich Fotos gemacht und sie an Terry geschickt und dann haben wir diskutiert. Hier ein paar Auszüge:
Ahhh, ich will hier aufräumen!
Und dann das:
Dienstag war auch der einzige Tag, an dem es anscheinend in Ottawa geregnet hat. "Anscheinend " deshalb, weil ich davon im Museum nichts mitbekommen habe. Danach war ich noch im Parlament. Das kostet keinen Eintritt, man muss nur früh genug im Visitor Center sein, um sich ein Ticket für eine Tour abzuholen.
Meine Tour war also 19 Uhr. Die Art Gallery war nicht weit weg und da ich dort eh um 6 rausgeschmissen wurde, bin ich danach noch vor der Tour ins Parlament, um mir das "House of Commens" anzuschauen. Nachdem ich meine Tasche bei einem sehr ernsten Mann in der Garderobe abgegeben hatte, musste ich nur noch durch 3 Sicherheitskontrollen und dann konnte ich mir 'einfach so' eine Parlamentsdebatte anschauen. Als ich da war wurde der Antrag auf einen "Latin American heritage month" besprochen. Die Argumente dafür waren gut, es gibt eine große Lateinamerikanische Community in Kanada und es spricht nichts dagegen. Außer vielleicht wie der ca. 70-Jährige Redner für den Heritage Month argumentiert hat. Nachdem er die ganzen tollen Latin Partys angeführt hat, auf denen er selbst oft ist, hat er noch Shakira zitiert und meinte sowas ähnliches wie "Hips don't lie und deshalb lügen wir auch nicht und sind für einen Monat lateinamerikanischer Feste" oder so. Naja, war ein bisschen seltsam. Er hat auch ein bisschen getanzt dazu :D Es gab auf jeden Fall Gelächter aus den Reihen der anderen Parlamentarier und dann musste ich auch schon los, um meine Tour nicht zu verpassen. Am besten hat mir die Bibliothek gefallen, die bei dem Brand 1916 nicht abgebrannt ist, da sie ein eigener Flügel am Gebäude ist und ein weiser Bibliothekar die Eisentür rechtzeitig geschlossen hatte.
Am Donnerstag wurde ich dann kurz ein wenig unruhig, da ich noch nicht wusste wo ich am Freitag hinfahren würde. Ich war für den 23.06 in Montréal verabredet, aber es war erst der 15. Also habe ich überlegt und bei Couchsurfing angefragt, ob nicht jemand Lust hat in den Algonquin Park zu fahren, um für ein paar Tage zu wandern. Das hätte auch fast geklappt, bis ich DIE Mail bekommen habe, auf die ich heimlich die ganze Zeit gewartet hatte: Agathe brauchte noch eine 3. Person für die Schleusen in Montréal und ob ich vielleicht Zeit hätte mit ihr eine Woche zu segeln. Ohja, ich habe sehr viel Zeit. Wenn ich etwas habe, dann ist es Zeit. Also habe ich sofort zugesagt und versucht irgendeine Transport-Möglichkeit nach Coburg zu finden. Coburg liegt tatsächlich näher an Toronto als an Montréal, aber war mir wurscht. So konnte ich eine längere Strecke mitsegeln. Also habe ich mich Freitag von dem Couchsurfer und dem Bayer, in dessen Couchsurfing Profil steht, dass er Bier, Autos und Wandern mag, verabschiedet und bin mit einer Mitfahrgelegenheit nach Coburg gefahren. Also all anderen 6! Mitfahrer wollten nach Toronto und es war ganz gut, dass ich den Fahrer nochmal erinnert habe, dass ich er mich in Cobourg rausschmeißen muss.
Genau, da stand ich dann 8 Uhr abends auf einem Parkplatz neben dem Highway, mit meinem Rucksack und es fuhr kein Bus. Mh. Bis zu meinem Airbnb muss ich eine Std laufen sagt Google maps. Nagut. Ich mache also die ersten optimistischen Schritte, als ein Pickup Truck neben mir hält und 2 Menschen in meinem Alter mich fragen, ob ich nicht vielleicht einen Lift gebrauchen könnte. Ja, kann ich und schmeiße sofort meinen Rucksack auf die Ablage hinten und steig ein. Während ich also direkt vor die Tür von meinem Airbnb gefahren werde, verabschiedet sich leider der Reißverschluss von meinem kleinen Rucksack. Während ich also den beiden, mich ungläubig anschauenden Kanadiern, erzähle, dass ich hier bin, um zu segeln, verabschiede ich mich innerlich schon von meinem Rucksack und überlege wo ich jetzt auf die Schnelle einen Neuen herbekomme. Donna, mein Airbnb Host, möchte ganz viel von meiner Reise wissen und ich erzähle von meiner Woofing Zeit und Ottawa und dann erzähle ich ihr von meinem Rucksack. Donna meinte sofort: "Ich habe 2 Jungen erzogen und musste ständig Rucksäcke flicken, zeig mal mal her". Also saß ich auf ihrer Couch und wir haben zusammen meinen Rucksack repariert und ich habe ihr von Woofing erzählt. Sie fand es so toll, dass sie sich das gleich auf ihrem Computer angeschaut hat und meinte dann am nächsten Tag sie hätte schon ganz viele interessante Woofing Plätze gesehen und vielleicht macht sie das auch bald :)
Donna hat mich dann auch noch zum Hafen gefahren und mit mir am Boot auf Agathe gewartet. Als Agathe kam, sagte sie, wir müssten noch einkaufen gehen und Donna meinte gleich: "Ich fahr euch, der Supermarkt ist etwas weiter draußen". Tja und dann sind wir mit meinem Airbnb Host einkaufen gefahren!
Und jetzt lebe ich auf einem Boot. Alles schaukelt und wenn wir an Land sind schaukelt es weiter. Aber noch ist es nicht so weit, denn wir haben den Samstag noch in Coburg verbracht. Dort waren nämlich gerade "Highland Games" und überall gab es Schottenröcke und Dudelsackmusik. Wer möchte, es gibt auch wieder Videos ;)
Während Agathe und ich auf unser 3. Crewmitglied gewartet haben, haben wir uns also Baumstammwerfen und Dudelsack-Paraden angeschaut. Am nächsten Tag ging es los Richtung Kingston, immer an der Küste entlang mit dem Motor, denn wir hatten 0 Wind. Unser 3. Mitglied ist Moana aus Französisch-Polynesien, die auch französisch spricht. So ein Zufall. Ich musste dann erstmal alle wichtigen Segelbegriffe und Knoten lernen, die ich nun in einer Mischung aus Französisch und Englisch benennen kann.
Die zweite Nacht haben wir nicht in einem Hafen verbracht, sondern einfach in einer kleinen Bucht, in der der Anker ausgeworfen wurde. Dort haben wir dann den Loons gelauscht, Nudeln gegessen, sind schwimmen gegangen und ich habe zu Ukulele und Didgeridoo gesungen.
Von der Woche segeln, konnten wir tatsächlich nur 2 Tage wirklich segeln. Einerseits, weil wir nur selten günstigen Wind auf dem St. Lawrence River hatten und andererseits, weil wir so viele Swingbridges und Schleusen passiert haben. Die durfte man eh nur mit dem Motor passieren. Hier mal eine Auswahl:
Diese Brücke ist wie ein Fahrstuhl und fährt wieder runter, wenn wir durch sind
Wenn wir mit dem Motor gefahren sind, gab es meistens nicht viel zu tun. Agathe ist sogar mit Autopilot gefahren :D Also haben wir Nickerchen gehalten, gelesen, Freundschaftsbänder geknüpft und mir französisch beigebracht.
Ich habe uns außerdem Hygiene-Piraten getauft, da wir meist spät abends in die kleinen Häfen eingelaufen sind, wenn das Büro für die Anmeldung schon zu hatte und dann haben wir uns über eine geklaute Dusche gefreut. Wir sind auch oft schon vor um 6 Uhr morgens schon wieder gestartet, sodass uns nie jemand erwischt hat.
Sonnenaufgang, abhauen bevor wir erwischt werden
Bei den beiden größeren Schleusen hat sich Agathe einmal mit 2 älteren Kanadiern angefreundet, die uns nicht nur mit Infos zu den Schleusen versorgt haben, die wir noch nicht wussten, z.b dass man Wartezeiten von bis 4 Stunden haben kann, wenn viele Frachtschiff unterwegs sind, die natürlich Vorfahrt haben. Wir haben auch immer Essen bekommen, z.b portugiesischen Fischauflauf. Der war super und wir mussten nicht kochen :)
Hier ein paar Dinge, die ich auf dem Boot gelernt habe:
1. Wenn das Boot Schräglage hat, ist es sehr schwierig auf Toilette zu gehen
2. Im Boot ist es immer unordentlich
3. Wenn ich auf französisch angeschnauzt werde, ist es meist was dringendes, ich versteh nur nie was
4. Wenn die Strömung stark ist, kann man nicht bremsen und manchmal auch nicht mehr über die Richtung entscheiden
5. Wenn dein Boot 35 Jahre alt ist und du damit die halbe Welt umsegelt hast, fragt dich jeder nachdem er das weiß: "Was? Mit dem Boot?" Jeder...
Ja, und dann sind wir vorgestern (heute ist Samstag) in Montréal angekommen. Der Hafen hier ist anscheinend nur für teure Jachten ausgelegt, denn ich hatte gestern über den Tag meine Wäsche auf dem Boot trocknen lassen und Agathe hatte sich gefreut, dass ihr boot wie ein Gypsy-Boot aussieht. Mh die Leute von der Marina (Hafen) hat das nicht so gefreut, die kamen abends zu uns und meinten, dass geht nicht, dass da Unterwäsche hängt, denn morgen würden Kinder kommen?! Die haben wohl keine Unterwäsche?
fancy Marina und das Gypsy boot
Ja, das waren die letzten 2 Wochen :)
Ich freue mich wie immer über Nachrichten und anrufe.
Bis bald
die Lea
*Bonsumaterial*
Hänsel und Gretel nur mit mehr Geschwistern?