Veröffentlicht: 12.08.2018
Schon wieder Regen, und dabei war es gestern Abend noch so schön. Das ausgerechnet an dem Tag, an dem wir die restliche Strecke nach Kristiansund über die sogenannte Atlantikstraße zurücklegen möchten. Diese führt, wie der Name vermuten lässt, über ihre gesamte Länge am Ozean entlang und bietet (bei gutem Wetter) einen wunderbaren Ausblick auf die kleinen Inselchen und Schären vor der Küste. Dank der trüben Suppe und Dauerregen ist die Sicht bescheiden, und der Ausblick während der Fahrt somit nicht halb so pittoresk, wie er sein könnte.
Die Atlantikstraße beginnt im Fischerstädtchen Bud. Hier gibt es eine von den Deutschen erbaute Küstenfestung aus dem zweiten Weltkrieg mit angeschlossenem Museum, das wir, dem Wetter entsprechend, auch besuchen. Das Museum selber ist mehr auf die Geschichte des Ortes Bud und die nähere Umgebung ausgerichtet, insbesondere das Meer in diesem Küstenabschnitt, das gefährliche Untiefen besitzt und schon einige Schiffe auf dem Gewissen hat. Bei der Erschließung des vor Kristiansund liegenden Erdgas- und Kondensatfeldes „Orme Lange“ musste aufgrund der auf Bewahrung von Kultur und Natur ausgerichteten norwegischen Gesetzgebung zunächst der Meeresgrund mittels ferngesteuerten Tauchbooten abgesucht werden, um historisch interessante Güter aus den zahlreichen Wracks zu bergen. Dabei kamen Dinge wie chinesisches Porzellan, Mühlsteine aus Norwegen, Steingut aus Deutschland und viel anderes zu Tage, von dem eine Auswahl der interessanteren Fundstücke im Museum zu besichtigen ist. Diese liegen in dunklen Schaukästen und können mit einer Art Taschenlampe angeleuchtet werden, woraufhin man auf einem Touchscreen interessante Informationen zum entsprechenden Gegenstand und seiner Geschichte erhält. So erfährt man unter anderem, dass Mühlsteine hoher Qualität damals überwiegend aus Norwegen kamen – aufgrund der großen Härte des Gesteins, die für einen niedrigen Abrieb beim Mahlvorgang erforderlich ist. Oder dass die Holländer damals Unmengen von norwegischem Holz für ihre Handels- und Kriegsflotte benötigten, während Norwegen aufgrund der dafür fehlenden Industrie Ziegelsteine von dort importieren musste.
Bud war in früheren Zeiten hauptsächlich vom Fischfang abhängig. Hauptexport war getrockneter Kabeljau, der in dieser Form auch als Klippfisch oder Stockfisch bekannt ist. Die Bezeichnung Klippfisch rührt daher, dass der ausgenommene Fisch tatsächlich auf den Felsen in Meeresnähe in der Sonne getrocknet wurde. In einigen Ländern wie z.B. Portugal ist Bacalhau, wie er dort heißt, immer noch eine begehrte Spezialität. Das Leben der Fischer damals muss hart gewesen sein, wenn man die damaligen zur Verfügung stehenden „Handwerksgeräte“ betrachtet und das Wissen im Hinterkopf hat, dass der Kabeljau in manchen Jahren fast komplett ausblieb.
Neben kulturhistorischen Informationen erfährt man im Untergeschoss des Museums etwas über die Erschließung von „Orme Lange“. Das Gas wird durch komplett unterseeische Infrastruktur gefördert und durch zwei Pipelines auf das Festland gebracht, wo es aufbereitet und verflüssigt wird. Anschließend wird es über eine über 1166 km lange Pipeline nach England gepumpt, wo es 20 Prozent des dortigen Bedarfs deckt. Schätzungen zufolge hat das Projekt 8,5 Mrd. Euro gekostet.
In der Küstenfestung „Ergan“, die im und auf dem gleichnamigen Hügel liegt, bekommen wir interessante Informationen und Eindrücke zum Thema deutsche Besatzung Norwegens im zweiten Weltkrieg und den Widerstand der Bevölkerung. Die Festung war Teil des sog. „Atlantikwalls“, der vor einer Invasion der Alliierten an der Atlantikküste schützen sollte. Sie musste von polnischen und sowjetischen Kriegsgefangenen erbaut werden, die im Schulhaus von Bud untergebracht waren. Die grausame Behandlung dieser Menschen durch die deutschen Besatzer sorgte für großen Unmut in der norwegischen Bevölkerung, die aufgrund der Schleifung eines großen Teils der Ortschaft (aus militärischen Gründen) ohnehin aufgebracht war und führte zu einer breiten Front an zivilgesellschaftlichem Widerstand, der vor allem von der Kirche, den Sportvereinen und den Schulen getragen wurde. Von der Lehrerschaft wurde als Repressionsmaßnahme ein nicht geringer Teil in das Strafgefangenenlager Falstad bei Trondheim verschleppt.
Nach dem Eindrücken des Museumsbesuchs fahren wir dann weiter Richtung Kristiansund. Wie schon geschrieben, das Wetter ist mies, die Stimmung aber zum Glück nicht. Wir haben uns inzwischen einigermaßen damit abgefunden. Wie schön und aussichtsreich aber muss diese Route bei schönem Wetter sein!
In Kristiansund angekommen, beschließen wir für heute aufgrund der Nässe und der Kälte, auf Camping im Bus zu verzichten und uns dafür eine Hütte im Atlanten Feriesenter zu leisten. Mein kaputtes Knie wird es danken. 890 Kronen kostet die Hütte, die eher eine Art Appartement im Maisonettestil mit Küche und Bad ist. Mal wieder richtig lange heiß zu duschen und in einem richtigen Bett zu schlafen kommt einem auf einmal wie der reine Luxus vor.