Namibia 2023
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Don’t trust red sand

Veröffentlicht: 15.02.2023

Tag 9, 05.01.23, von Lüderitz nach Kanaan

Die Geburtsstadt des modernen Südwest-Afrikas ist die Hafenstadt Lüderitz – hier begann die deutsche Geschichte Namibias. Die Stadt ist auf Granitfelsen an der Küste des stürmischen Atlantiks errichtet. In einer natürlichen Meeresbucht gelegen, ist die Stadt gegen Süden / Südwesten durch eine Halbinsel vor den stürmischen Wassern des Atlantiks geschützt. Lüderitz hat heute eine Bevölkerungszahl von ca. 19.000 Einwohnern und eine interessante europäische Besiedlungsgeschichte.

Nach der Entdeckung von Diamanten in der Gegend im Jahr 1909 begann die Stadt sehr rasant zu wachsen. Der Diamantenrausch war schnell in vollem Gange und Deutschland erklärte das Gebiet um Lüderitz zum Sperrgebiet. Aufgrund der florierenden Diamantenindustrie blühte Lüderitz auf. Erst als Jahre später im südlichen Teil des Sperrgebiets weitere und vor allem größere Diamanten entdeckt wurden, zog der Diamtentross weiter und der Niedergang der Stadt war besiegelt. Auch heute noch werden in Lüderitz Diamanten abgebaut, allerdings nicht mehr in der Wüste. Sie werden von Diamantentauchern im Meer gefunden.

Schon am Abend haben wir beschlossen, dass Lüderitz nur eine Übernachtungsstation für unseren Besuch von Kolmanskop ist. Da wir noch immer auf der Suche nach einer namibischen SIM-Card und Bargeld sind und noch für unseren nächsten Stopp, das Kanaan Desert Retreat, einkaufen und tanken müssen, machen wir einen Ablaufplan für den morgigen Tag.

Doch zuerst geht es an den Agate Beach wo sich laut unserer Gastgeberin eine Schar von Flamingos aufhalten sollen. Hier leben im Flachwasser zwei Flamingo Arten: große Flamingos und die am roten Schnabel zu erkennenden Zwergflamingos. Da es ein Schutzgebiet ist, kommen wir nicht sehr nah ran, aber erfreuen uns des Anblicks.

Anschließend verläuft unsere Versorgung mit Lebensmitteln respektive Benzin für das Auto problemlos und auch eine SIM-Card ist schnell gekauft und eingesetzt.

Für das Bargeld warten wir, bis eine Bank öffnet und erkundigen uns, welche Möglichkeiten bestehen, mit unseren Kreditkarten an Bargeld zu kommen. Erstaunlicherweise gibt es hier eine Möglichkeit: Der Geldautomat. Wir erklären dem netten Bankkaufmann unser Problem, welches er gleich abtut, da er ohne Probleme eine festgesteckte Karte aus dem Automaten befreien kann.

Ich versuchte als erster mein Glück und die Karte verschwindet im ATM, nicht ohne mich nach Betrag, PIN, etc. zu fragen. Ein guter Anfang leider ohne positives Ende: Abbruch der Aktion. Die Karte kam zwar wieder raus, jedoch ohne Bargeld. Also versucht Cindy ihr Glück, und tatsächlich, der Automat zieht die Karte auf Nimmerwiedersehen ein, bricht so gleich die Aktion ab um anschließend auf dem Bildschirm mitzuteilen, dass dieser Automat nun Out of Order ist. Verdutzt schauen wir uns und das Gerät an.

Der nette Bankangestellte lässt uns wissen, dass derjenige, der für den Automaten zuständig ist, erst wieder in einer halben Stunde kommt. Immer noch guten Mutes ziehen wir weiter. Mit dem Wissen, dass zumindest meine Karte wieder rauskommt bekommt ein nächster Geldautomat eine Chance. Mit einem kleineren Betrag bekommen wir schließlich unser heiß ersehntes Bargeld ausgespuckt. Beim ersten Versuch war der Betrag anscheinend zu hoch. Nun noch schnell Cindys Karte einsammeln und nach 2 Stunden kommen wir dann endlich los zu unserem ersten Tagesziel: Kolmanskop, der Geisterstadt.

Kolmannskuppe ist eine aufgegebene Siedlung und liegt ungefähr zehn Kilometer östlich der Hafenstadt Lüderitz. Der Ort verdankt seine Entstehung den Eisenbahnarbeitern die am benachbarten Bahnhof Grasplatz 1908 zufällig die ersten Diamanten fanden. Der dadurch ausgelöste Boom sorgte für ein schnelles Wachstum dieser zunächst nur als Camp gedachten Siedlung. Der auf Diamanten gründende Reichtum der Bewohner ließ eine Bergbaustadt entstehen, in der viel Luxus vorhanden war – und das in einer Umgebung, die trostloser und lebensfeindlicher wohl kaum gedacht werden kann. Es gab kein Wasser, keinen Regen, keine Erde, in der auch nur das Geringste hätte wachsen können, keinerlei Infrastruktur – nur Sand, regelmäßig heftige Sandstürme und eine unbarmherzige Hitze.

Trotz der lebensfeindlichen Umgebung ließen sich hier bis zu 400 Menschen nieder und es entstanden hochherrschaftliche Steinhäuser nach deutschem Vorbild. Neben Unterkünften für die Arbeiter gab es Verwaltungs- und Dienstgebäude. Zur Infrastruktur gehörten ein Elektrizitätswerk, ein Krankenhaus (mit der ersten Röntgenstation Afrikas bzw. auf der ganzen Südhalbkugel), eine Eisfabrik zur Herstellung von Blockeis für die Eisschränke der Bewohner, ein Tante-Emma-Laden, eine Metzgerei, eine Bäckerei, ein Ballsaal genanntes Gebäude mit Theater, Turnhalle und Großküche, eine Kegelbahn und eine Schule. Sogar ein Salzwasser-Schwimmbad und eine Schmalspurbahn für den Transport von Waren und Personen innerhalb des Ortes waren hier zu finden.

Das Wasser dafür und alles, was sonst noch zum täglichen Leben nötig war, musste aus dem rund 1000 km entfernten Kapstadt herantransportiert werden. Das Baumaterial für die Häuser, deren Einrichtungen, die Maschinen und alles, was man damals in Europa unter Luxus verstand, kam aus Deutschland und wurde meist in Lüderitz angelandet.

Die Gesamtdiamantenproduktion in Deutsch-Südwest von 1908 bis 1913 wird auf 4.693.321 Karat veranschlagt. Kolmannskuppe galt damals als die reichste Stadt Afrikas, was angesichts der geringen Einwohnerzahl wohl auch stimmen mag. Dennoch war Kolmannskuppe nur ein Paradies auf Zeit.

Die naheliegenden Diamantenfelder waren bald abgebaut und so verlagerte sich die Diamantenförderung immer weiter nach Süden, 1930 wurde der Diamantenabbau bei Kolmannskuppe ganz eingestellt, die Bewohner verließen nach und nach den Ort und überließen ihn der Wüste. Diese holte sich im Laufe der Jahrzehnte zurück, was der Mensch ihr abgerungen hatte. Die Häuser verfielen zusehends und in den Ruinen häufte sich der Sand meterhoch. Kolmannskuppe wurde endgültig eine Geisterstadt.

Erst als in den 1990er Jahren auch Lüderitz einen wirtschaftlichen Aufstieg erlebte, widmete man Kolmannskuppe wieder mehr Aufmerksamkeit. Man begann einige erhaltenswerte Gebäude zu restaurieren, Räume wieder originalgetreu zu möblieren und nach und nach einen geordneten Museumsbetrieb einzurichten. Auch das Gebiet in Richtung Süden ist weiterhin Sperrgebiet, da dort immer noch Diamanten abgebaut werden und Schmuggel verhindert werden soll.

Wir stapfen interessiert und fasziniert durch den Sand des Freilichtmuseums, besichtigen die Häuser von innen und fühlen uns in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückversetzt.

Gegen Mittag machen wir uns dann auf zu unserem nächsten Ziel: Dem Kanaan Desert Retreat, eine Zwischenstation auf dem Weg nach Sesriem und Sossusvlei. Zu diesem Retreat führt eine landschaftlich besonders schöne Straße und am Anfang angekommen, wie soll es anders sein, spürt Cindy den Wunsch, diese schöne Strecke mit dem Rad zu fahren. Wir machen erneut einen Treffpunkt aus und ich fahre schon mal los. Während der Fahrt muss ich zugeben: Es ist die bisher schönste Strecke, wunderschöne Berge, weite, im Licht funkelnde Felder soweit das Auge reicht und eine rote Sandstaße, auf der sich unser 4x4 so richtig wohlzufühlen scheint, so elegant wie er sich hier seinen Weg bahnt.

Als ich am Treffpunkt angekommen bin und mich genüsslich mit einem kleinen Snack auf die Rückbank setzte und den Ausblick genieße, stelle ich mir die Frage wie es Cindy wohl ergeht, diese wunderschöne Szenerie auf dem Rad erleben zu dürfen: Ein Fortbewegungsmittel mit nur 2 Rädern, angetrieben von nur einer MS (menschlichen Stärke), auf rotem Sand, gegen den Wind, bei 40 Grad …Eine gute Frage, die eigentlich nur eine Antwort kennt: Ich mache mich dann mal auf und fahre ihr entgegen, fahre ein wenig, dann noch ein wenig weiter und schließlich höre ich eine ausgelaugte und leise Stimme sagen: „Don’t trust red sand!“ Es sind ihre bisher schwersten 30 km in 2 Stunden gewesen, berichtet sie mir dann im Auto bei der Weiterfahrt nachdem sie sich mit Sandwich und Cola stärken konnte.

Die Strapazen sind schnell vergessen als wir zusammen große Oryx Herden am Straßenrand beobachten dürfen. Und wieder ist etwas Zeit für das Erweitern unseres Wissens:

Die Oryxantilopen (Oryx) verteilten sich ursprünglich über alle trockenen und halbtrockenen Gebiete Afrikas sowie der Arabischen Halbinsel. Beide Geschlechter dieser Groß-Antilopen haben lange Hörner und eine typische schwarze Gesichtsmaske. Männliche Oryx leben als Einzelgänger, weibliche hingegen in Gruppen von bis zu 40 Tieren. Es wurde beobachtet, dass sich Oryxantilopen mit ihren Hörnern auch gegen große Raubkatzen wie Löwen erfolgreich verteidigen können.

Oryxantilopen sind an das Leben ohne Wasser für längere Zeit angepasst. Ähnlich wie bei Kamelen kann die Körpertemperatur der Tiere weit über das für Säugetiere typische Niveau von 38°C ansteigen, ohne dass das Tier dabei Schaden nimmt.

Wir dürfen noch einige dieser wunderschönen Tiere beobachten, manche auch zweimal, da wir zuerst die Einfahrt unseres Reservats nicht finden. Letztendlich, nach einem langen Tag, erreichen wir das Kanaan Desert Retreat und unsere Campsite. Das Interessante an vielen Campsites in Namibia und Südafrika sind die zugehörigen Ablutions, so dass jeder Standplatz seine eigene Toilette, Dusche und Küchennische hat. Dazu kommt, dass die Campsites sehr weit auseinander liegen, so dass man eine richtige Privatsphäre hat.

Somit steht einem schönen Abend unter freiem Himmel eigentlich nichts mehr im Wege. Eigentlich. Ein hier nicht näher genannter Herr Kähler kann sich nicht wirklich entscheiden, wo genau er das Fahrzeug abstellen möchte und bringt etwas Unruhe in die abendliche Stimmung. Diese wird dann noch dadurch getrübt, dass das Zelt auf dem Dach des Autos, dass heute seine Premiere feiern sollte, leider verschimmelt und vermodert ist. Wir konnten es leider vor der Fahrt nicht kontrollieren, da ein widerspenstiger Spanngurt uns den Zugang verwehrte und wir diesen erst in den letzten Tagen lösen konnten. Nachdem dann gewisse Sachen für das Campen nicht an ihrem ordnungsgemäßen Platz im Auto sind, und das für den oben genannten Perfektionisten einen weiteren Unfrieden erzeugt, gibt es Stimmen, die behaupten den Ausdruck „nie wieder campen“ zu hören, belegt ist das allerdings nicht.

An so einem schönen Ort, kann jedoch nichts die Stimmung trüben, wir entscheiden uns, unter dem Reetdach ohne Zelt zu übernachten und starten unser Braai. Eine Stunde später sitzen wir vor dem Feuer, lassen es uns schmecken und genießen, wie soll es hier anders sein, den nächsten Sonnenuntergang.

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