Veröffentlicht: 13.07.2016
3.7.2016
Der heutige Start in den Tag ist wohl einer der schönsten und beeindruckendsten der vergangenen Selbigen. Schon früh brechen wir, diesmal wirklich, auf, um uns zum vereinbarten Treffpunkt mit unserem Kaptain zu begeben, da wir heute ja tatsächlich die Bootstour entlang des Flussufers machen wollen. Schon am Weg dorthin wird uns einige Male vorgekaukelt, dass verschiedenste Personen unsere Guides seien. Alles Schwachsinn. Armut macht einfallsreich. Aber wir härten ab und werden schlauer, ein bisschen wenigstens. Mehr dazu später.
Angekommen im Boot ereilt mich schnell der Gedanke, wie dicht diese Nussschale ist und wie sehr ich ihrer kippfestigkeit trauen sollte. Ein Sturz ins Wasser würde, nicht wie in meinem geliebten Weißensee (den ich sonst zu dieser Jahreszeit besuche) Erfrischung und Wohltat mit sich bringen. Stattdessen würde sich wahrscheinlich eine frei auswählbare Palette an mehr und weniger tödlichen Krankheiten darbieten. Natürlich nur im Falle keines Herzinfarkts oder einer Kollision mit einer vorbeischwimmenden Leiche, die alles andere schon früher erübrigen würde.
However, die Tour ist bezahlt, zehn Minuten nach unserer Ankunft schafft es der Bootspaddler sogar sich mehr als eine Unterhose anzuziehen und los geht die Reise. Wir fahren entlang des malerischen Flussufers eine Zeit lang auf und ab, genießen die neue Perspektive und den – mehr der minder – ungezwungenen Blick auf die Einheimischen. Einzig ein, zwei Böötchen kommen vorbei um uns allerlei Schnickschnack zu verkaufen. Die Inder lassen wirklich keine Gelegenheit aus.
Der Sonnenaufgang ist anfangs echt nett. Macht wirklich eine nette Stimmung und Atmosphäre. Auffallend ist, dass wir zuerst dachten, die einzig Weißen in dieser Stadt zu sein. Doch auf einmal, am Morgen, kriechen lauter andere Weißhäute aus ihren Löchern. Was für ein heimisches Gefühl. Das Anstarren der Inder, welches teils wirklich schon unangenehm ist (v.a. für die Damenwelt) teilt sich nun auf… naja 5,6 Boote a 2 -3 Personen auf. Eine Wohltat. Amüsant ist, dass wir uns zunächst über andere Touristen erheitern, die wie professionelle Fotografen ausgestattet sind und jeglichen Winkel der Stadt aufnehmen, schon bald aber feststellen müssen, dass auch wir ein gewisses ostasiatisches Klischee durchaus erfüllen. So sind auch wir mit Spiegelreflexkamera, Digitalkamera, Selfiestick, Handy ect. Ausgestattet und fröhnen der altjapanischen Kunst des „alleswasdaistwirdfotografiert“ doch sehr. Man grinst darüber, man posiert und man drückt ab. Mein Hobby ist es sowieso schon die ganze Reise, die zwei jungen Damen als Fotoobjekte zu missbrauchen. Was sie so gar nicht mögen. Diese Tatsache mag allerdings ich sehr.
Zum Abschluss der Fahrt gibt es Chai. Nett. Vom Straßenhändler, nein sagen ob der Freundlichkeit natürlich verboten. Schmeckt aber auch gut.
Danach fallen wir nochmals ins Bett. Nach kurzer Zeit regt sich nicht nur Gudi, sondern vor Allem ihr Abdominalbereich. Wir ANALysieren: es war der Chai, bzw das verschmutzte Glas der guten Gudrun (soviel zu vorher: „Wir werden schlauer“). So verbringen wir den Mittag und Nachmittag Großteils im Hotel, wo die sonst eher reisestuhlgangresistente Erkrankte in der allgemeinen Tabelle der Lotusbesuche weit emporklettert. Sei ihr dieser Sieg vergönnt, er wird allerdings mit Magenkrämpfen quittiert und mit Verfluchungen des Straßenhändlers kommentiert. Nach kurzer Lektüre des kürzlich erschienenen „Reisedoktor for Dummies“ (Gudis Vater hat uns eine ziemliche Medikamentenliste inkl. Erklärungen zusammengestellt) bessert sich der Zustand der jungen Dame bis hin zu einer relativen Stabilität gewisser Tätigkeiten.
Hetti (Gudis Schwester übrigens, falls nicht bekannt, ist in Indien und Nepal dabei) und ich können daher die Leichenverbrennungen nochmals besuchen. Und werden dort schon erwartet. Nicht von den Männern mit Feuer zum Glück und auch nicht auf den Holzhaufen. Aber von meinem netten Freund vom Vortag, der schon wieder Geld will. Daher diesmal ein sehr abruptes Ende unserer Besichtigung und ein schnelles Verlassen Richtung Blue Lassi Shop. Heute aber wirklich! Hetti isst einen Mango – Coconut Lassi mit Schokolade, ich gönne mir einen Mango – Papaya Vitaminboost. Wahnsinn, ist das geil! Frisch zubereitet am Boden, in einem Tonkrug serviert, garniert mit allen möglichen Toppings. Obwohl das Lokal sehr klein und durchaus international bekannt ist, macht es sich trotzdem die Mühe, für ein andauerndes Rahmenprogramm zu sorgen. So kann man, wenn man aus den offenen Fenstern hinaussieht, sicher alle 30 Minuten singende Leichen vorbeiziehen sehen. Also die Leichen singen nicht mehr, das machen die trauernden. Also wir trauern stiller in Europa, aber das ist okay. Bei uns nagen Hunde auch nicht die Knochen unserer Toten ab. Jeder Kultur das ihre.
Nach einem kurzen aber intensiven Regenguss schaffen wir es Gudi abzuholen und quer durch die Stadt zur Hauptstraße zu marschieren. Dies ist Notwendig, da erst dort wieder motorisierte Vehikel verkehren dürfen (Motorräder zählen anscheinend nicht) und wir zum Bahnhof müssen.
Ich muss sagen, schön langsam werden wir alle wesentlich besser wenn es an das Aussuchen und verhandeln von Verkehrsmitteln samt deren Preisen geht. Auch der Weg durch die Menge ist nicht mehr ganz so ein Spießrutenlauf. Ein Spaziergang in einem Englischen Garten im Frühling ist es allerdings auch nicht. Naja, dazu ein andermal vielleicht mehr.
Am Bahnhof angekommen fallen wir nur noch in den Zug und schlafen um acht Uhr total erschöpft ein. Indien hat uns mal wieder in all seinen Facetten bereichert, gefordert und geschröpft.