Veröffentlicht: 21.10.2018
Nachdem Marie des Zugefahrenes schon länger überdrüssig war, hat mich erst die Fahrt von Kunming nach Shanghai geschafft. Da ich für zwei Tage bei der Schwesterfirma der Bomix reingeschnuppert habe und wir daher terminlich gebunden waren, haben wir uns für einen wesentlich schnelleren aber auch teueren high Speed Zug entschieden. Dieser schafft die 2000Kilometer in 12 statt 36 Stunden, so weit so angenehm. Allerdings sitzt man auf einem Stuhl und hat nicht wie sonst ein Bett, außerdem sitzen 100 statt 60 Leute im Abteil und es gibt keine Trennwände, womit das Ganze akustisch zu einer Zumutung wird. Gerade da Chinesen dazu neigen (das ist keine politisch inkorrekte Verallgemeinerung sondern ein in jeder Stadt leider häufig gesehenes Phänomen) keinen Fick zu geben wenn es um Ruhe geht. So werden Videos, Serien und Musik laut mit dem Handy gehört(!) und Kinder schreien rum ohne dass es die Eltern im entferntesten interessiert. Zu Anfang fanden wir das nur merkwürdig, da das ohne Kopfhörer laut mit dem Handy machen aber nicht nur uns fremd ist, sondern auch allgemein nicht funktionieren kann, da wenn es alle machen würden keiner mehr was verstehen würde, versteh ich nicht warum dies soweit geduldet wird. So genug mit gutbürgerlicher Spießigkeit. Nach 12 Stunden Zug wurden wir von einem Fahrer der Bomex, in einem gerade zu meditativ ruhigen Auto, zum Hotel gebracht.
Das Hotel, welches einen 30 Stockwerke hohen Turm füllte, glänzte mit einem perfekten 80er Jahre Charme, die Empfangshalle ging über drei Etagen und macht gut was her, die Zimmer sind sauber und groß, der extrem dicke Teppichboden kann allerdings nicht leugnen, dass das nicht rauchen Schild erst nachträglich an die Tür gepinnt wurde, da dieser noch einen leicht aschenbecheresken Geruch kredenzt. Das Frühstück kompensierte dies allerdings im vollem Maße. Es gab westliches uns asiatisches Frühstück, da Asiaten meist keine extra Speisen für das Frühstück servieren. Heißt: es gab eine Mischung aus westlichem Frühstück und asiatischem alles, man konnte sich also richtig genüsslich den Bauch vollschlagen. Danach ging es für mich zur Arbeit. Mir wurde die Firma gezeigt und ich konnte mir alles angucken, was für mich interessant ist, außerdem habe ich mal von der anderen Seite an einer deutsch chinesische Telko teilgenommen. Zudem hat uns der Fahrer auf dem Weg zur Arbeit noch an ein paar Sehenswürdigkeiten vorbeigefahren, wodurch wir noch Shanghai im Schnelldurchlauf erleben konnten. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Marc, Detlev, Andrea und Hyson für die Möglichkeit und den Support rund um die Chinareise bedanken. Während ich also gearbeitet habe, hatte Marie einen nur teilweise erfolgreichen Tag. Da sie ihre Ziele niedrig gestreckt hatte (schwimmen im Hotelpool und schnell zum Waschsalon) war sie um so mehr enttäuscht als beides nicht klappte und weder sie noch unsere Wäsche ins Wasser fiel. Der Hotelpool wurde gerade renoviert, mit einem Fittnessstudio gab es allerdings eine gute Alternative. Schwieriger war es allerdings mit der Wäsche. Da Marie nur Wäschereien gefunden hat, welche jedes Teil Wäsche einzelne berechnen und wir mit unserem Wäschebeutel dann immer irgendwo um 50€ gelandet wären, haben wir uns entschlossen, die nächsten Nächte in eigenem Hostel mit Self laundry service zu verbringen, wo wir unsere Wäsche selber waschen können. Das Nötigste mussten wir allerdings mit der Hand im Waschbecken waschen und so saßen wir am Ende mit Socken und Unterwäsche auf den Beinen im Bett und probierten diese mithilfe von Körperwärme und einem geradezu absurd kleinen Hotelföhn zu trocknen. Den Rest wuschen wir im Hostel, welches für drei Nächte und waschen etwa ähnlich teuer war, aber im Zimmer hinter der Gardine mit einen grünlich schwarzen Pilz zu überraschen wusste. Die restliche Zeit verbrachten wir damit ein paar Museen zu besichtigen. Das Shanghai Museum berichtet zwar interessant über die Einwanderer aus Europa, endet aber auch vor dem zweiten Weltkrieg und blendet den japanisch chinesischen Krieg, den Bürgerkrieg, Mao und generell den Kommunismus also wieder galant aus, zeigt dafür aber Bilder schöner Häuser aus der Zeit. In Jewish Refugee Museum wird dafür Deutschlands Geschichte sehr ausführlich beschrieben. Shanghai hat im zweiten Weltkrieg nämlich viele Flüchtlinge aufgenommen und diesen, ziemlich beeindruckender Weise, ein Visum auf Lebenszeit erteilt. Das Ganze ging so lang gut, bis die Japaner kamen. Aber das ist eine andere Geschichte.e Interessant war auch das political propaganda poster museum. Dieses befindet sich im Keller eines Wohnhauses, gibt allerdings durch die Poster aus der Zeit einen interessanten Einblick in die Zeit zwischen 1935 und 1990 und ist daher absolut empfehlenswert. Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Hintergründe wäre allerdings manchmal wünschenswert.
Nach Shanghai haben wir uns entschlossen unseren letzten Trip nach Huangshan zu machen, dort gibt es die Berge, welche unter anderem für Avatar Reise nach Pandora als Modell herhalten mussten. Daher, gleiches Prozedere wie immer, ewig Schlafzug, Hostel suchen und so weiter. Als wir uns dann an den Aufstieg wagten, stellten wir fest, dass hier schon mehr Leute den Fußweg nutzen als am Emei Shan. Oben an der Spitze wurde einem dann aber bewusst, dass dies wieder nur ein kleiner Teil der BesucherInnen war, denn es strömten Menschenmassen aus der Gondel, sodass von ruhiger Natur nicht mehr die Rede sein kann. Die beste Aussicht hatten wir dank schlechten Wetter dann auch nicht mehr und so spazierten wir die letzten 15 Kilometer fröhlich durch den Regen, da wir beim Anstieg allerdings besseres Wetter hatten konnten wir wenigsten erahnen wie beeindruckend der Ausblick von oben sein muss. Um die Zeit zwischen schlafen im Schlafzug und schlafen im Flugzeug nach Nepal zu überbrücken beschlossen wir unser letzten chinesischen Geld für einem Tag im Spa auszugeben. In dem koreanischen Erholungstempel gab es verschiedene Entspannungsbäder, eine Sauna und eine Dampfsauna, eine Sauerstoffbar und eine Raum, wo man in monströsen Liegesesseln entweder lesen, Musik hören oder ein Nickerchen machen konnte. Aber sogar in diesem Ruhebereich fanden es wieder einige Leute angebracht über Freisprechanlage laut mit ihren Freunden zu telefonieren (HIMMELARSCHUNDZWIRN GEHTS NOCH DAS IST EIN ENTSPANNUNGSPARADIES !!!11111 ).
So jetzt aber genug gewutbürgert. Unser Fazit zu China: China lebt von Gegensätzen, es ist gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit und in die Zukunft. Zum Beispiel gibt es Straßenkehrer welche mit Reisigbesen die öffentlichen Plätze säubern aber gleichzeitig kann man alte streetfoodverkaufende Omas mit dem Smartphone bezahlen. Gegensätze gibt es auch in dem System wie China funktioniert und wie dies auf uns wirkt. So sind nicht nur die Straßenkehrer aller 1984 sondern auch die Überwachung, mit dem feinen Unterschied, dass dies im Gegensatz zu den Geschehnissen im Roman wissentlich hingenommen wird. Ein Punkt an den Deutschland hoffentlich nicht so schnell kommen wird. Doch auch bei uns ist die Datenmaschinerie im vollen Gange: durch die Nutzung von werbefinanzierten Plattformen nehmen wir den Datenraub unhinterfragt in Kauf. Der einzige Unterschied ist, dass wir unsere Daten an Konzerne "verkaufen" und nicht an die Regierung. Allerdings hat das chinesische System auch zur Folge, dass Sachen einfach funktionieren. Der Flughafen in Peking ist der Knaller, er wurde schneller als geplant fertiggestellt und ist unter Budget geblieben. Züge, die eine Fahrtzeit von 29 Stunden haben kommen pünktlich, I'm looking at you Berlin Flughafen und Eurobahn. China ist somit das Land, welches uns am besten gefallen hat, welches uns aber auch am meisten Nerven geraubt und zu Denken gegeben hat.