Veröffentlicht: 25.12.2018
Nach den Tagen in Chitwan und einem erneuten kurzen Aufenthalt in Kathmandu haben wir uns auf den Weg nach Sindhuli gemacht, einer Provinz etwa sechs Stunden östlich von Kathmandu, welche, da sie nicht vom Tourismus profitiert, sehr viel ärmer ist als die Orte, die wir bisher gesehen haben. Unser Ziel war ein kleines Dorf namens Bandgee, welches zwei Stunden von der nächsten Stadt entfernt ist und weder sauberes Wasser noch Elektrizität hat. Dort haben wir uns einem Hilfsprojekt der Hilfsorganisation all hands and hearts angeschlossen, welche Schulen in von Naturkatastrophen betroffenen Gebieten wiederaufbaut. Bevor wir uns jedoch all hands and hearts anschließen konnten, mussten wir zwei Tage in dem super langweiligen Sindhuli verbringen, da wir leider vergessen hatten eine Bestätigungsmail über unser Ankunftsdatum zu schreiben und so kein Platz im Auto für uns mehr frei war. Zum Glück haben wir den ersten Abend mit ein paar Hauptamtlichen und Anna und Jash, zwei Volunteers des Projekts, die grade ihre Pause in dem Dorf genossen, verbringen können. Am nächsten Tag waren wir dann mit den beiden Frühstückem und erfuhren, dass sich der Inder und die Polin vor einiger Zeit in Vietnam kennen gelernt haben und sich an Thanks Giving, bei der großen Feier im Camp, verlobt hatten. Zwei Tage später ging es dann auch für uns ins Camp.
Ein paar Infos zu all hands and hearts: in 2015 wurde große Teile von Nepal durch zwei Erdbeben zerstört. Dabei kamen mehr als 8700 Menschen ums Leben. Die Zahl der Verletzten, Menschen, die ihr Haus und Kindern, die den Zugang zu Bildung verloren, gingen in die Millionen. Durch die Armut in Nepal geht der Wiederaufbau gerade in abgelegenen Regionen sehr langsam voran.
All hands and hearts fokussiert sich auf besonders entlegene Orte, da diese aufgrund der Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung meist keine oder nur sehr notdürftige Hilfe bekommen.
Bei dem Projekt werden zwei Schulen wiederaufgebaut. Ziel ist es nicht nur die Schulen erdbebensicher wiederaufzubauen, sondern auch eine Art Gemeindezentrum zu schaffen. Die beiden Schulen werden jeweils mit einer Station mit Toiletten, Waschstation, Zugang zu sauberem Trinkwasser und einem sicheren Rückzugsort für Frauen ausgestattet. Wenn Frauen ihre Periode haben gelten sie in Nepal als unrein, sie dürfen nicht in die Küche, niemanden berühren und müssen in ganz konservativen Familien im Stall mit den Tieren schlafen. Vor allem für junge Mädchen kann das sehr gefährlich sein. Oft gehen sie aus Scham während dieser Zeit nicht zur Schule. Im so genannten WASH wird nicht nur eine Toilette gebaut, sondern auch ein Filtersystem für Wasser und ein kleiner Ofen, in dem die Mädchen ihre Binden unauffällig verbrennen können. Der Aufbau der Schule wird durch Bauingenieure aus Nepal organisiert und am Bau sind neben Freiwilligen auch Handwerker aus Nepals entlegenen Regionen beteiligt, welche durch die Arbeit lernen sollen nachhaltiger und sicherer zu bauen. Neben dem gemeinsamen Bau mit Einheimischen ist die Integration der Gemeinde ein wichtiger Punkt. So verbringen wir jeden Mittwoch den Abend auf der „Base“ mit den Handwerken, den Nachbarn und deren Familien und jeden Dienstag und Donnerstag haben wir gemeinsamen Englischunterricht. Bei der so genannten Maisons Night tanzen wir alle gemeinsam mit den Leuten aus dem Dorf und allen Volunteers zu nepalesischer Musik. Und wie gesagt, nepalesische Partys sind wild: alle flippen völlig aus, Körperteile werden geschüttelt und wild herumgewirbelt, es wird gesungen und rumgesprungen. Es ist einfach super super schön. Wir werden die ausgelassenen Tanzpartys auf jeden Fall vermissen! Da wir ab neun leise sein müssen, haben wir angefangen, zu unseren Kopflampen eine quiet disco zu veranstalten. Dabei haben wir alle unseren nepalesischen Lieblingssong im Kopf und tanzen so wild es nur geht ohne einen Muks zu machen. Letzte Woche wurden wir sehr gelobt, unsere Disco sei leiser als alle Leute am Feuer es je schaffen.
Ein weiteres Highlight sind die Filmnächte, die jeden zweiten Freitag stattfinden, mit einem Generator und einem Beamer wird ein nepalesischer Film auf einer Hauswand gezeigt. Für Teile des Dorfes ist es das erste mal, dass diese einen Film gesehen haben, da es mangels Elektrizität natürlich keinen Fernseher gibt. So logisch das natürlich ist, dass Leute ohne Strom keine Filme gucken, so unvorstellbar ist es doch für mich, dass Leute, welche älter sind als ich, noch nie einen Film geguckt haben.
Wirklich witzig sind die Geburtstage im Camp. Mario, welcher uns damals in Kathmandu von dem Projekt erzählt hat, hatte einen tollen Moment mit einer Zuckertorte im Gesicht. Zudem haben wir Anya wiedergetroffen, eine Französin, die wir bereits aus Pokhara kennen.
Auch Jezz, einer unserer liebsten Freunde, hatte Geburtstag. Da Freitag war, also der Tag vor unserem freien Tag, konnten wir seinen Geburtstag feuchtfröhlich feiern. Alle waren gemeinsam beim Pub, haben Spiele gespielt und den wundervollen Abend genossen. Dabei ist Rich, ein Brite, immer das Highlight unserer Partys. Er hat einfach immer ‚gute‘ Ideen und macht jeden Abend noch witziger. So wollte er zu Weihnachten einen Nackt-Kalender von uns allen auf der Baustelle machen und verkaufen, um so Spenden einnehmen zu können. Leider hat das all hands Team diese großartige Idee jedoch schnell zerschlagen. (Dabei hatte Rich schon ein Nude-Foto in Emmas Zelt geschossen)
Am besten harmoniert Rich mit Julian. Während Rich Julians Art sehr mag, ist das umgekehrt leider nicht der Fall. Es ist immer wieder schön, die beiden sich necken zu sehen. Julian zeichnet sich durch seine etwas nörgelige, doch sehr liebenswerte Art, seine Liebe zu gekochten Eiern, seine Intelligenz und sein politisches Wissen, sowie durch 17 Schichten aus Jacken aus.
Samstag ist unser einziger freier Tag. Der erste Samstag war wunderschön. Wir waren mit einer großen Gruppe am Wasserfall, sind in das kalte Wasser gesprungen und lagen in der Sonne. Danach habe ich an einem Kochkurs teilgenommen, den Tomo, ein japanischer Koch, organisiert hatte. Dort haben wir Pizza gemacht und tatsächlich einiges gelernt. (Wusstet ihr, dass man Eier am besten auf flachen Oberflächen aufschlägt?) Die Lebensmittel, die man hier bekommen kann, sind sehr begrenzt. Es gibt beispielsweise keinen Käse hier oben. Tomo war jedoch sehr kreativ und hat uns Kimchi, Kartoffelpüree und vieles mehr auf die Pizza werfen lassen und siehe da, es war richtig lecker.
Den darauffolgenden Samstag wollten wir mit ein paar Leuten ganz weihnachtlich Plätzchen backen. Leider hat das mit unserem Ofen und der Buffalo-Butter, die immer ein bisschen ranzig schmeckt, nicht ganz so gut geklappt.
Bevor Kiki, eine norwegische Freiwillige, die immer zu viel intus hat, gleichzeitig aber durch ihren Kontakt mit den Maisons mal eben Nepalesisch gelernt hat, gefahren ist, hat sie eine riesige Limbo-Party veranstaltet, die einfach super witzig war.
Ein weiterer enger Freund von uns ist Ben, welcher eigentlich Hardeep heißt, mir aber ganz sicher am ersten Abend gesagt hat, er heiße Ben. Nachdem ich ihn also Tage lang so genannt habe, kam heraus, dass dies gar nicht sein Name ist. Ich war der Lacher für den Rest des Abends, bin mir aber trotzdem sicher, dass er sich einfach falsch vorgestellt hat.
Die Arbeitstage fangen normalerweise um sechs Uhr an. Wir machen Frühstück und bereiten uns auf den Arbeitstag vor, sodass wir um 7:30 auf der Baustelle sein können. Die Arbeit auf der Baustelle besteht meistens aus Zuarbeiten für die Handwerker aus Nepal, das heißt Löcher für Fundamente graben, Beton anmixen, Klinker in Wasser legen, sodass diese nicht das Wasser aus dem Mörtel aufsaugen und diese dann zu den richtigen Stellen bringen oder Gerüste bauen. Nach einer Mittagspause zwischen 12 und 1, in welcher es immer Dhal Bat gibt, arbeitet man bis um vier. Die Arbeit ist oft sehr sehr hart. Vor allem Löcher in den oft steinigen Boden buddeln ist wirklich anstrengend, selbst eine leere Schubkarre wird schwer, wenn man sie einen Berg hochschiebt und ein Zementsack wiegt fünfzig Kilo und muss irgendwie von A nach B bewegt werden. René war eine Wochen lang im WASH- Team und hat kaum etwas anderes gemacht, als all diese schweren Arbeiten zu erledigen. Dank seines tollen Teams schien die Arbeit jedoch trotzdem wirklich cool zu sein. Ich habe in der ersten Woche viele verschiedene Dinge gemacht. Anfangs habe ich Zement gemischt und danach habe ich die Formen für das Gebäude gebaut und mich dort als Tischlerin versucht. Nun sind wir bei der anderen Schule. Zu dieser muss man viel früher los, da wir dort mit dem Auto hinfahren. Es ist eine wirklich furchtbare Fahrt, wenn man hinten auf der Ladefläche sitzt. Während man hin und her gewirbelt wird und sich festkrallt, um nicht vom Stuhl zu fallen, überrollen einen leere Wasserkanister. Vorne ist die Fahrt jedoch ein riesiger Spaß. Zu viert auf dem Rücksitz tanzen wir zu guter Musik, winken den Kindern zu und feiern die wundervolle Natur. Bei der anderen Schule ist die Arbeit ganz anders. Man ist nicht fest einer Arbeit zugeteilt, sondern wechselt sich immer ab. Wir machen dort morgens einen Aufwärm-Kreis und ich habe mein Lieblings-Warm-Up-Spiel, die Mango, eingeführt. (Riesen Dank an Katha, welche mir das Spiel in Deutschland gezeigt hat) Alle lieben die Mango. Dann wird auch dort gebuddelt, gesägt und Klinker wird von einem Ort zum nächsten geworfen. Klinker fangen und werfen ist einer der besten Jobs und macht einfach nur Spaß! Am Ende des Tages muss man sich beeilen um sich einen vorderen Platz in der Schlange für die Dusche zu erkämpfen. Nach dem Duschen hat man meist noch eine Stunde bis zum Meeting um 6, in welcher der nächste Tag geplant wird. In diesen Meetings herrscht eine ausgelassene Stimmung, von allen Seiten wird gebrüllt und ‚Whoo’ gerufen. Danach gibt es um 6:30 Abendessen (kein Dal Bhat)und danach erneut Freizeit bis um neun, da dann die quiet hour beginnt und der Generator ausgeschaltet wird, das heißt: kein Licht und leise sein. Die Freizeit kann man mit der Frisbee, einem Buch oder am Lagerfeuer auf der Base verbringen, an dem meistens viel gesungen und Gitarre gespielt wird. Zudem kann man in den Pub gehen, welcher neben Kleinigkeiten, wie Momos (nepalesischen Maustasten), Chowmein( gebratenen Nudeln) auch Bier, Cola oder dem aus Reis gewonnen Schnaps namens Roxi serviert. Roxi wird aus alten Plastikflaschen verkauft und ist ein etwas milchiges Getränk, welches zwischen 15 und 30% Alkohol enthält und daher einem Glücksspiel gleicht. Wenn man ein Glas trinkt weiß man nie ob es einem Glas Wein oder einem Glas Korn gleicht.
Unser Camp ist eine kleine Zeltstadt mit einer Gemeinschaftsküche , Duschen, welche nur aus einer Bambuskabine und einem Eimer bestehen und Komposttoiletten, die mit Sägespänen anstelle von Wasser „abgespült“ werden. Im Moment leben hier Menschen mit mehr als 20 Nationalitäten aus allen Ecken der Welt, sodass es super viele verschiedene Eindrücke gibt. In den zwei Wochen, die man durchgehen miteinander verbringt, lernt man sich so gut kennen wie es sonst nur in einer viel größeren Zeit üblich ist. Man wird zu einer riesigen Familie.Das Leben auf der Base ist sehr familiär und das obwohl die Leute ständig wechseln und zur Zeit mehr als 60 Leute hier wohnen. Die Abschiede von den anderen Volunteers sind oft sehr tränenreich. Wirklich schlimm war für uns, uns von Alex und Laura zu verabschieden. Alex spielt in den USA in einer kleinen Ultimate Frisbee Mannschaft und konnte uns so viele Tricks zeigen. Die beiden sind außerdem fantastische Bollywood-Tänzer, weswegen sie bei der Maisons-Nacht absolut fehlen werden. Als nächstes sind die beiden vermutlich auf Hawaii. Alex hat sich für jeden Tag im Februar einen Alarm in seinem Handy gestellt, welcher ihn daran erinnert, uns eine Postkarte zu schicken. Nächstes Jahr wollen die beiden uns vielleicht zum Vainstream besuchen kommen. Hoffentlich klappt das!
Wir haben das Glück, dass zwei unserer Lieblingsfreunde im Camp vermutlich nächstes Jahr in Deutschland studieren wollen. Zum Einen ist da Thiago, der mit seiner brasilianischen Musik den langweiligen Job des Sandsiebens zu einer riesen Tanzveranstaltung aufblühen lässt. Und zum anderen ist da Hanna, eine Iranerin, die zur Zeit noch in Australien studiert, super herzlich und lieb ist und von allen nur Baby Bear genannt wird.
Wir haben jetzt etwa Halbzeit im Projekt. Da es uns so gut gefällt, haben wir bis zum 9. Januar verlängert. Ein paar unserer engen Freunde wollen zu der Zeit sich ihre Pause nehmen, sodass wir alle gemeinsam meinen Geburtstag in Kathmandu feiern können.
Um euch alle zum Schluss nochmal auf den Sack zu gehen folgt der Aufruf zu einer kleinen Spende für das Projekt. Das Geld wird für Baustoffe und zur Bezahlung der Handwerker und Ingenieure benutzt, außerdem werden damit die Mahlzeiten für die Leute, die am Projekt arbeiten, zubereitet. Wenn ihr also das Bedürfnis habt uns etwas zu Weihnachten zu schenken, einfach nicht wisst wohin mit eurem Geld oder nicht möchtet, dass wir verhungern, wäre es großartig, wenn ihr euch zu einer Spende an den folgenden Link durchringen könntet.
https://give.allhandsandhearts.org/fundraiser/1807143
Gleichzeitig wollen wir uns bei allen bedanken, die schon etwas gespendet haben, ihr seid ganz groß und werdet damit Teil von einem noch größerem Projekt.
Heute Abend und morgen werden wir hier Weihnachten feiern. Es ist leider nicht wirklich weihnachtlich, trotzdem aber echt schön. Wir wünschen euch allen eine wunderschöne, besinnliche Weihnacht mit euren Liebsten!