Von Bariloche ging es dann am Montag den 24.4. weiter mit dem Bus in 9 Stunden nach Neuquen.
Auf dem Weg sah ich neben all der schönen Landschaft aucheinen sehr lustigen Berg in Form eines Gesichts, den ich euch auch zeigen will:
In Neuquen gibt es nichts Besonderes, habe ich mir sagen lassen. Ich hatte es mir einfach als Zwischenstopp ausgesucht hatte, da es auf dem Weg nach Buenos Aires lag und ich keine 30 Stunden durchfahren wollte. Ich blieb allerdings nur ca eine halbe Stunde dort, da ich in der Nähe einen weiteren Couchsurfing Platz gefunden hatte. Bei Gloria, einer 63jährigenFrau, die voll aktiv auf Couchsurfing ist und in Cipolletti wohnt. Dorthin kam ich mit einem normalen kleinen Stadtbus und fragte einenälteren Herrn, welcher denn der richtige sei. Er musste in die gleiche Richtung und konnte mir so auch sagen, wann ich aussteigen muss. Bis dorthin genoss er es offensichlich, jemanden zum reden zu haben. Das Meiste verstand ich nicht, aber das spielte auch nicht so die Rolle :D Nur damit, dass ich alleine reise, kam er gar nicht klar. Er meinte, noch keine einzige alleinreisende Frau getroffen zu haben. Immer nur Paare. Zum Glück habe ich selbst schon unglaublich viele (tolle und beeindruckende) alleinreisende Frauen getroffen und Neuquen ist jetzt wohl auch nicht soo der Dreh- und Angelpunkt für Reisende.
Beim Aussteigen war es schon dunkel und seine Beschreibung zu meiner gesuchten Strasse war dann doch etwas dürftig. Wieder mal war ich gottfroh, nicht vor 10 Jahren sondern heute zu reisen, und meinen besten Freund GoogleMaps um Rat fragen zu können. Denn im dunkeln ist es dann echt nicht so cool, sich zu verlaufen.
Bei Gloria angekommen gab es auch gleich was zu essen, mit Gemüse aus ihrem eigenen Garten zubereitet! Mal wieder fiel es mir total schwer, einzuschätzen, inwieweit ich das alles jetzt einfach so annehmen kann. In mir pocht dann immer das schlechte Gewissen, mit dem Gefühl,dass ich doch eigentlich sofort eine Gegenleistung bringen müsste, damit sich niemand ausgenützt vorkommt. Aber sie liess mich auch nicht abwaschen und so blieb ich erstmal darauf sitzen. In meinen Kopf will noch nicht so ganz rein, dass meine ehrliche Dankbarkeit und auch einfach meine Gegenwart auch ein Geschenk sein kann. Das hat mir meine Mama so schön gesagt, als ich vor Bariloche total Angst hatte, nicht genug zurückgeben zu können. Und sie hatte mal wieder so recht. Genau dafür sind ja viele in Couchsurfing, weil sie sich darüber freuen, Besuch aus aller Welt zu haben. Und es gibt ja so viele Gelegenheiten, etwas zu geben. Das kann ich noch lernen. Den Moment dankbar zu geniessen, anstatt verkrampft zuüberlegen, ob ich das jetzt gerade annehmen darf.Denn wenn ich beim Essen nur schuldbewusst und zurückhaltend bin, tue ich niemand einem Gefallen und erwecke eher noch den Eindruck, es schmeckt mir nicht. Ausserdem gibt es hier ja auch nochmal ein anderes Verständnis von Gastfreundschaft, alles wird viel offener geteilt.
Das sind wir am Fluss (Story dazu weiter unten)
Wie meine Lieben in Bariloche, kann auch Gloria kein Englisch. Das ist ja eigentlich super für mich, aber sie verwendet so komplizierte Wörter. Und wenn sie merkt, dass ich es nicht verstehe, wiederholt sie dieselben nochmal. Sie kann sich wohl nicht vorstellen wie das ist, wenn man eine Sprache erst noch lernt.
Zum Glück war während den 3 Tagen meines Besuchs auch ihr Sohn Javier da. Er wohnt sonst in Bariloche und ist unglaublich lieb und geduldig. Er hat immer kapiert, wenn ich etwas nicht verstehe und es dann, langsam sprechend, in einfachere Worte übersetzt.
...Oh wie oft habe ich schon von meinen Eltern oder anderen Erwachsenen vorgeworfen bekommen, dass ich so schnell spreche. Jedes mal wenn ich mal wieder jemanden auf Spanisch nicht verstehe (also oft) nehme ich mir fest vor, wirklich langsam sprechen zu üben. Vor allem, wenn ich irgendwann mal wieder mit jemandem rede, der nicht so gut Deutsch kann. Hätte nie gedacht, dass das SO ein himmelweiter Unterschied sein kann. Dass man theoretisch alle Wörter verstehen würde, wenn man sie getrennt voneinander vernehmen könnte..
Am ersten Morgen begleitete ich die Beiden auf einen Kurs, wie man einen Ofen baut. Dort war auch ein junges Pärchen, mit denen ich mich unterhielt und es klappte wunderbar. Da sieht man mal wieder, dass "sich verstehen" im wahrsten Sinne des Wortes keine Frage von der Sprache ist. Mit den Leuten, wo die Chemie richtig stimmt, spielt es keine Rolle, wie viel Vokabular vorhanden ist. Die meiste Zeit stand ich mit ihnen in der Sonne, da es im Raum mit dem Ofen einfach viel zu kalt war (und ich jetzt auch nicht soo darauf brannte, ihn bald nachzubauen). In der Pause schenkte die Hausbesitzerin natürlich Mate aus, was ziemlich witzig ist, wenn da eine Runde von 12 Personen steht, das heisse Wasser nachgegossen wird, eine Person trinkt, den Becher zurückgibt, wieder nachgegossen wird, und dem nächsten gebeben wird...
Der Ofen wurde nach nach der Art von Gernot Minke gebaut. Das ist ein deutscher Architekt, der sich auf ökologisches und low-cost Bauen spezialisiert hat und damit auch vielenärmeren Menschen in Ländern Lateinamerikas aber auch in anderen Ländern der Welt, ein zu Hause ermöglicht hat. Sehr spannend, wer mal bei ihm reinschauen möchte: gernotminke.de
Gloria hat auch so ein Häuschen und Javier baut sich eines nach dieser Art in Barilocheaber dazu gleich noch mehr. Hier erstmal ein Eindruck vom Kurs, der allen Teilnehmenden ermöglichen soll, sich kostengünstig selbst einen Ofen zu bauen. Der Leiter des Kurses ist ein Bekannter von Gloria.
Das Foto vom fertigen Ofen und von der ganzen Gruppe liess ich mir dann von dem Pärchen schicken, die auch am zweiten Tag des Kurses dabei waren. Ganz links ist Gloria und rechts unten Javier.
Nach dem ersten Kurstag fuhren wir dann noch zu Glorias anderem Haus, das wirklich mitten in der Pampa lag. 30 Minuten Fahrt und weit und breit kein Haus und nichts. Nur direkt daneben liegt ein zweiter Hof mit einer Brauerei. Auf ihrem grossen Grundstück pflanzt sie ihr Gemüse an, hat ganz viele Obstbäume, will in Zukunft noch eine Möglichkeit zum Camping einrichten und baut eben an ihrem Haus nach Minke.
Wir waren vorher noch in einer Autowerkstatt, um dort alte Windschutzscheiben zu holen, aus denen die Fenster des Hauses gemacht sind. Das ist der Witz bei diesen Häusern, dass alle Materialien aus der unmittelbaren Umgebung kommen und grösstenteils recycelt werden. Hätte nie gedacht, dass man daraus so etwas schönes kreieren kann
Durch die Glasflaschen als weitere "Fenster" kommt ein schönes Licht in den Raum und die Autoreifen bieten, gefüllt mit Erde, eine gute Dämmung, die fast unbrennbar ist. Und alte Autoreifen gibt es ja zu genüge auf dieser Welt.
Hier ist auch noch ein Fenster, das sich öffnen lässt, und zwar aus einer alten Waschmaschinentür! Ziemlich genial, finde ich! Wenn das Haus dann fertig ist, wird das alles natürlich noch vom Lehm sauber gemacht.
Einen Ofen für draussen gibt es auch schon:
Ausserdem Sitzmöglichkeiten:
Und das Haus von der anderen Seite:
Direkt nebenan gibt es einen hübschen Fluss, den mir Gloria zeigte, bevor wir das Holz, das Javier kleingesägt hatte, auf die Ladefläche des Autos luden.
Da Javier genauso schokoladensüchtig ist wie ich, gab ich an dem Abend nochmal meinen Schokokuchen zum Besten. Da war einer happy :) Ich war vor allem happy um den Ingwertee, den er dazu gemacht hatte, denn die Erkältung, die ich mir schon in Bariloche zugezogen hatte, war durch den Tag in der Kälte nochmal schlimmer geworden und mein Hals tat weh.
Theoretisch ist es zwar in Deutschland wesentlich kälter, hier scheint ja immerhin auch meistens noch die Sonne, aber der Unterschied ist, dass die Häuser hier nicht isoliert sind. Also wirklich einfach nicht. Macht man die Heizung aus, ist die Wärme sofort wieder weg. Und in den Räumen ohne Ofen oder Heizung ist es eben kalt. Daran ist mein Körper nicht gewöhnt, den ganzen Tag keine richtige Wärme zu bekommen. In Bariloche hat mir die liebe Valeria am letzten Abend noch ein Bad eingelassen, weil ich so durchgefroren war. Das hat unglaublich gut getan, aber eben leider nicht gereicht.
Nach durchhusteter und durchschnufter Nacht begleitete ich dann am Mittwoch (26.4.) die beiden nicht noch einmal zu dem Kurs, sondern blieb im Bett (bzw auf der Matratze), um einigermaßen warm zu bekommen und noch etwas auszuruhen. Denn abends ging schon mein Bus nach Buenos Aires. Gloria hatte von sich aus vorgeschlagen, dass ich dableiben kann, wenn ich will, und mir sogar noch einen Tee ans Bett gebracht. Total lieb!
Am Nachmittag ging es mir minimal besser, als ich auf wackeligen Beinen meinen Rucksack packte. Mein Kopf war so benebelt, dass ich mich total konzentrieren musste und Gloria redete nebenher irgendetwas auf mich ein, was ich beim besten Willen nicht verstand. Ich hatte wirklich keinen Nerv mehr, dauernd nochmal nachzufragen und sie verstand irgendwie weder, dass ich ihr nicht folgen konnte, noch, in welchem Zustand ich war. Von daher war ich dann ganz froh, als ich später alleine auf dem gemütlich breiten Sitz im Bus sass/ lag und meine Ruhe hatte. Gloria hatte mich netterweise noch zum Busterminal gefahren (oh der Strassenverkehr ist hier auch so lustig - das mit dem rechts vor links ist eher eine Frage, wer schneller ist :D ) und es war ein schönes Gefühl zu wissen, am nächsten Morgen in Buenos Aires von Karin erwartet zu werden. Im Bus gab es reichlich zu essen, wobei ich leider dem Weizen mal wieder nicht widerstehen konnte. Aber diese Kekse und andere Sachen sind einfach zu lecker, ich hatte Hunger, und wenn es dann schon kostenlos ist und vor einem steht...
Liebe Michi
Oh was für ein toller Eintrag! :-)
Gloria hätte ich glaub gerne kennengelernt, so spannend wie sie lebt. Das Bild von euch beiden ist wunderschön! Und dieses Haus ist ja überragend genial!!!
Und wegen Dankbarkeit und annehmen: ich kann dich gut verstehen, aber genau wie du sagst, es zwingt sie ja keiner, sich auf Couchsurfing anzumelden :-D und sie machen das, weil es ihnen selbst Spaß macht... Also annehmen und sich daran freuen, wie wunderbar Menschen sein können ;-)
Freue mich auf weitere Blogeinträge mit so viel zwischenmenschlichen Themen! Und es ist voll schön, auf diese Weise auch etwas von der Kultur von Menschen in Südamerika zu erfahren!
Alessandro
Ich habe mir jetzt bei Poco für 135 Euronen eine ausziehbare Couch gekauft. Mal sehen, wer das erste Mal bei mir surft....
Mary
Danke für den Fotos vom Haus von Gloria. Ich bin beeindruckt von der Schönheit dieses Hauses. Wie individuell! Wie sparsam! Wie ökologisch!