Reisefischer Kanada
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#39 Begeisterung

Veröffentlicht: 06.05.2023

Grüße, 

wie bereits im letzten Beitrag angekündigt, ging es für mich am Samstag das erste Mal auf den See. Dieser war teilweise noch zugefroren, wobei das Eis sehr dünn war und es hatte so eine ganz interessante Lamellenform. Das habe ich vorher so auch noch nicht gesehen und wenn man an einer „Eisinsel“ vorbeigepaddelt ist und die Wellen das Wasser leicht gegen das Eis schlugen, klang das immer wie so ein Windspiel. Aufgrund der immer größeren Eisflächen wurden meine möglichen Wege immer weiter beschränkt und ich musste dann irgendwann wieder zurück. Natürlich bin ich auch ab und an durchs Eis gepaddelt, wenn dies möglich war, aber diese Geräusche waren so laut und klangen die ganze Zeit so, als würde das Boot einfach komplett aufgeschlitzt werden. Da möchte man gar nicht daran denken, wie laut es ist, wenn so ein Eisbrecher durch das Eis fährt, wenn schon dieses kleine Boot solch einen Lärm macht.

Am Sonntag wollte ich eigentlich noch vor dem Sonnenaufgang mit David losfahren, um ein wenig die Vögel zu fotografieren, allerdings hatte ich seit Freitagabend solche Kopfschmerzen, dass ich es leider doch absagen musste und ich somit nicht nur die Vögel, sondern auch einen Bären verpasst habe. Jedes Mal, wenn David wohin fährt, kommt er nach Hause und sagt: Oh, ich habe einen Bären gesehen. Man ey, ich will auch wieder einen sehen! Der letzte Bär war auch einfach nur zehn Meter von ihm entfernt. 🐻

Sonst habe ich bis Mittwoch weiter an der Deckenverkleidung gearbeitet. Das Problem war dabei, dass meine Kopfschmerzen wahrscheinlich daher kamen, da ich den ganzen Tag meinen Kopf im Nacken hatte und mir da wahrscheinlich irgendein Nerv oder so geklemmt habe. Daher habe ich gehofft, dass ich so schnell wie möglich damit fertig werde, denn diese Kopfschmerzen waren nicht ohne. Aber schnell ging da gar nichts. Das Problem blieb weiterhin bestehen, dass jedes Brett unterschiedliche Maße hatte, da die Balken nicht gerade ausgerichtet sind und ich habe mich da auch wieder so aufgeregt, denn als wir damals die Balken gesetzt hatten, wollten wir sie in einem Abstand von 14,5 Inches setzten und ich habe damals schon zu Jenny gesagt, dass wir doch den Rand der Balken als Messpunkt nutzen können, Jenny wollte aber immer die Mitte nutzen. Jetzt kannst du dir ja mal eine Leiter schnappen, einen schweren Holzbalken, eine Markierung irgendwo setzen und dann versuchen, auf der Markierung exakt die Mitte des Balken abzusetzen. Es ist fast utopisch. Und das hat mich die ganze Zeit so aufgeregt, weil das so Kleinigkeiten sind, die man damals einfach verhindert hätte können. Nach und nach fallen halt auch immer weitere Defizite auf (also mir fallen sie auf), die jetzt halt immer mehr Zeit und Material Kosten. Während dieser Arbeit musste ich auch ein wenig an meine ehemaligen Technik Schüler*innen denken, da sich dort einige aufgeregt hatten, dass ich bei technischen Zeichnungen nur eine Abweichung von einem Millimeter zulasse, aber hier ist der praktische Beweis: Auch wenn der Balken nur eine minimale Abweichung hat, ist der Balken nicht gerade und jedes Holzstück hat durch den entstehenden Winkel ein anderes Maß. Daher immer so exakt wie möglich arbeiten! 😁

Am Mittwoch konnte ich diese Arbeit dann endlich beenden. Auch wenn ich diese Arbeit mit der Holzart echt mag, war ich doch froh, denn ich habe mich so wahnsinnig oft verletzt. Sooft wie bei dieser Arbeit, habe ich hier noch nie geblutet, mir Blutblasen gehämmert, Splittert reingezogen und vor allem Holzspäne im Auge gehabt. Von daher ist es ganz gut, dass es jetzt endlich fertig ist. 😁 Auch wenn ich teilweise nicht zufrieden mit dieser Arbeit bin, sind Jenny und David begeistert und haben sich echt darüber gefreut, dass es jetzt so aussieht wie es aussieht und darauf kommt es ja an.

Sonst ist von Montag bis Mittwoch eigentlich nichts Spannendes passiert, außer das Mittagsessen am Montag und meine Bootstour am Dienstag.

Ich muss ja sagen, ich sehe ja jeden Tag Eichhörnchen und Streifenhörnchen, aber ich bin jedes Mal aufs Neue so begeistert von diesen süßen Tieren und freue mich einfach, wenn sie manchmal so nah kommen, dass ich sie streicheln könnte. Daher bin ich immer glücklich, wenn sie so über unsere Baustelle rennen, so auch bei diesem Mittagessen. Aber das war noch nicht alles, denn plötzlich rief Jenny: Ah, ein Kolibri! Und ohne Scheiß, es gibt hier einfach Kolibris. Das ist der WAHNINSINN!!!! Diese Vögel kommen aus Costa Rica und Mexiko bis nach hier oben geflogen und jetzt haben wir hier aktuell ca. fünf Kolibris. Oh man! Diese Vögel sind der Wahnsinn. Im englischen heißen sie Hummingbird, Humming heißt summen und das ist wirklich so, man hört die Kolibris schon sehr früh, da das Summen echt laut ist. Wenn sie dann noch ihren „Paarungstanz“ machen, klingen sie wie kleine Formel 1 Autos 😂 Denn die Männchen fliegen dabei sehr hoch, um dann mit einer extrem hohen Geschwindigkeit im Sturzflug nach unten zu rasen. Diese Vögel sind der Wahnsinn, ich habe jetzt auch eine Futterstation vor meiner Kabine, sodass ich die Kolibris immer beobachten kann. 😅Vor allem sind die auch so winzig. Noch nicht einmal drei Zentimeter gefühlt und das ist so verrückt, David hat mir erzählt, das Kolibris meistens zwei Eier austragen und diese so groß sind wie ein TicTac! Hallo?! Wie krass ist die Natur bitte. ❤️ Meine Begeisterung war damit aber noch nicht am Ende, denn plötzlich lief ein Babyhermelin (auch Großes Wiesel oder Kurzschwanzwiesel genannt) über die Baustelle. Oh man, war das süß!! Es war so schnell, ich konnte kein Foto machen, es war vlt. zehn Zentimeter lang und flitze nur so über die Baustelle. Mein Herz ist geschmolzen. Abgerundet wurde dieses Mittagsessen noch mit einem Steinadler, der nur weniger Meter vor unserem Fenster entlang geflogen ist. Du musst dir vorstellen, für Jenny und David ist das ja recht normal, schließlich leben sie hier, aber ich bin bei diesem Mittagessen vor Freude komplett ausgerastet. 😱 Ich musste mich auch erst Mal entschuldigen, da ich gefühlt die ganze Gegend mit meinem Freuden- und Überraschungstönen erfüllt hatte  😅 Diese Tierwelt ist der Wahnsinn! Es ist einfach dahingehend ein Traum! Die Natur ist und bleibt einzigartig! ❤️

Der Dienstag war extrem warm (zu dem Wetter komme ich gleich noch 😋) und so entschied ich mich, abends noch mal mit dem Boot rauszufahren. Eigentlich wollte ich diesmal deutlich weiter den See erkunden, musste dann aber überraschenderweise feststellen, dass nur „unser“ Teil des Sees geschmolzen ist und der Rest des Sees einfach noch gefroren ist. Das hat mich schon sehr überrascht und es war auch ein surreales Bild, wenn man bei über 25 °C im Sonnenuntergang über den See paddelt und dann plötzlich vor einem gefrorenen See steht.😅 Aber das Wasser ist ja auch so unfassbar klar. Man kann echt einige Meter tief gucken und die doch recht großen Fische dort lang schwimmen sehen. Es ist der Wahnsinn! Auch diese Stille und Ruhe. Ich war in diesem Moment so dankbar. Dankbar, dass ich einfach diese Möglichkeit habe und diese Natur so wie sie ist, genießen zu dürfen! Es war einfach wunderschön! Noch dazu, da auch noch ein Steinadler auf einem Felsen etwas gefressen hat und dann noch knapp an mir vorbei geflogen ist.

Am Donnerstag war es am Vormittag mal wieder extrem warm, jedoch zogen am Nachmittag dann doch die ersten Gewitterwolken auf und ich hatte mich schon lange nicht mehr auf solch dunkle Wolken gefreut. 😁 Tatsächlich ging es dann auch richtig gut ab für ca. eine halbe Stunde und das Gewitter hat auf jeden Fall mal die Defizite am Haus offen gelegt. Ich sag mal so: Es ist einfach zu sagen, wo kein Wasser durchkam, als zu sagen, wo Wasser durchkam. Ich weiß nicht, wie Jenny das Problem beheben möchte, aber ich denke, sie wird ein ordentliches Schimmelproblem bekommen. Aber es ist nicht mein Haus.

Am Freitag wollte mich David frühs mit auf den See nehmen, um Pelikane und Enten zu fotografieren. Es ist echt interessant, ich habe irgendwie das Gefühl, dass David in mir ziemliches Potenzial sieht und mich vor allem in der Vogelfotografie schulen möchte. Er ist auch immer begeistert von meinen Fotos, sodass ich anscheinend nicht ganz so schlecht in dieser Sparte bin. 😁 Es ist natürlich eine Ehre, von solch einem Profi gefördert und gelobt zu werden, jedoch werde ich (wahrscheinlich) niemals ein Profi werden. Dennoch nehme ich die Angebote gerne an und so ging es um halb sieben mit dem Motorboot auf den See. Ich muss sagen, dass ich noch nie mit einem Motorboot gefahren bin und als ich das Boot bestiegen hatte, fragte ich mich, ob wir vielleicht ein, zwei Paddel mitnehmen sollten, aber dann dachte ich mir auch, dass David das Boot gestern gecheckt hat und ich ihn ja auch einfach vertrauen kann. Jetzt weiß man natürlich schon, wie die Geschichte endet. Nachdem wir ein Schellenten (aufgrund der Augen heißen sie im englischen Goldeneye) Pärchen fotografiert haben, ist uns der Motor natürlich nicht zehn, nicht zwanzig und auch nicht dreißig Meter vom Ufer ausgefallen, sondern natürlich wirklich auf der anderen Seite. Es war unfassbar, vor allem, da man absolut nichts machen kann, glücklicherweise gab es etwas Wind, der uns zu einer Insel getrieben hat, bei der wir aussteigen und das Boot etwas ziehen konnten. Glücklicherweise gibt es auch Stellen, an denen der See sehr flach ist, sodass wir da etwas langlaufen konnten. Allerdings ist der See nicht ganz ungefährlich. Erst letztes Jahr ist tragischerweise der Nachbarsjunge tödlich verunglückt. Eine echt große Gefahr ist nämlich der Grund des Sees, der ist nämlich etwas moorartig. Man sinkt extrem tief ein und dann ist es ziemlich schwer, dort wieder herauszukommen. Ich musste die Erfahrung auch schon machen, als ich bei einer Bootstour eine Insel angesteuert hatte, um mich kurz etwas zu erleichtern. Dabei hätte ich beinahe meine FlipFlop verloren. Also das ist nicht ganz ohne und wenn man dann noch das Boot ziehen muss, ist es auch etwas anstrengend. Glücklicherweise hat uns Jenny dann irgendwann entdeckt und gesehen, dass wir eventuell ein kleines Problemchen haben, sodass sie dann mit dem Kajak und zwei Paddel zu uns kam. 😅

Was für ein Start in den Tag. Am Freitag war dann ein neuer Arbeiter mit am Start. Er kommt aus Tatla Lake und war zum Probearbeiten da, das war ganz gut, denn so konnte ich unten an meinem Auftrag arbeiten, während er und Jenny doch endlich angefangen haben, dass Dach zu schließen. Es passieren doch noch Wunder! 😅

Und was macht das Wetter jetzt? Also tatsächlich hatten wir bis zum Gewitter eigentlich jeden Tag über 30 °C. Es ist immer noch surreal, wenn man bedenkt, dass es vor zwei Wochen geschneit hat. Ein weiteres Problem: Die Temperaturen aktuell im Westen von Kanada liegen einfach 15 °C über der Durchschnittstemperatur. Also ist ja logisch, dass solche Sprünge nicht normal und vor allem nicht gesund für die Natur sind. Ein gravierendes Problem sind leider jetzt schon die Waldbrände. Die Tagesschau hat heute berichtet, dass es in Alberta (ein Nachbar von B.C.) bereits über 100 Waldbrände gibt, von denen tragischerweise schon 30 außer Kontrolle sind und auch in B.C. gibt es mittlerweile über 60 (!) Waldbrände. Fünf sind leider außer Kontrolle, wobei vier von denen die öffentliche Sicherheit bedrohen.

Allerdings ist nicht nur die aktuelle Trockenheit ein Problem. Durch die hohen Temperaturen schmilzt der Schnee auf den Bergen viel zu schnell, sodass es neben Waldbrände auch extreme Überschwemmungen gibt, da das Erdreich das Wasser nicht so schnell aufnehmen kann. Hinzu kommen noch die starken Winde, die die Waldbrände unkontrolliert vorantreiben. Es ist einfach traurig zu sehen, wie dieses wunderschöne Land dem Feuer immer wieder aufs Neue zum Opfer fällt. Auch wenn ich kein Freund von kalten Temperaturen bin, so ist es doch recht gut, dass es seit gestern einen extremen Temperaturfall gab. Hatten wir am Donnerstag noch über 30 °C, so waren es gestern (Freitag) nur noch 12 °C und heute 7°C.

Ach und übrigens das Tier, welches letztens die Geräusche gemacht hat, war wirklich eine Fledermaus. Mittlerweile leben dort zwei. Und was macht der Specht? Meine Hoffnung, dass er Ruhe gibt, wurden leider nicht erfüllt. Seit dieser Woche ist er wieder voll in seinem Element, sodass er mittlerweile zwischen 5:00 – 5:30 Uhr anfängt, mich aus dem Schlaf zu hämmern. Dezent nervig. Genauso nervig wie die Mücken hier. Ich habe noch nie so riesen Mücken wie hier gesehen. Das sind richtige Monster! Und es gibt so unzählige von denen hier, einfach nur nervig!

Ich werde mir heute aber mal die Kamera von David zurück borgen, denn ich will endlich diesen blauen Vogel fotografieren und vor allem die KOLBIRS!!!!! 😁

Bis dahin.

Samuel

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