Reisefischer Kanada
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#28 Schockmomente

Veröffentlicht: 17.02.2023

Moin,

der erste Workshop ist heute mit der Abreise der Fotografen*innen zu Ende gegangen und meine Güte, ich muss schon sagen, dass ich echt komplett fertig bin. Aber der Reihe nach:

Am Samstag ist nichts Spannendes passiert, jedoch sagte mir Jenny am Abend, dass sie mir am Sonntag freigeben will. Ich war richtig überrascht, da ich echt dachte, dass sie das vergessen würde, aber so habe ich am Sonntag etwas länger geschlafen und hätte ich gewusst, was alles an diesem Tag passiert, hätte ich mein Bett wohl nicht verlassen. Da es Sonntag war, habe ich mich schon darauf gefreut, einfach auf der Couch von deutschen YouTube Videos berieselt zu werden. David übernahm an diesem Tag die Aussetzung der Kunden*innen. So lag ich also auf der Couch und gönnte mir ein wenig deutsche Unterhaltung und dann kam David rein, legte sich auf eine andere Couch und wollte sofort Jenny sehen, die mal wieder am Haus gebaut hat. David ging es gar nicht gut. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber David hat ein Herzproblem und darf eigentlich nichts Schweres tragen, weshalb ich ja hier bin. Da er aber an diesem Tag auch einen neuen Köder auslegen musste, musste er etwas Schweres tragen und das hat ihn gar nicht gutgetan. Wir haben dann sofort Peter geholt, der früher Arzt war und er hat dann beschlossen, dass wir nach Tatla Lake zur Ärztin fahren sollen. David konnte gar nichts mehr, sodass wir ihn mit seinem Bürostuhl von der Couch zum Auto gerollt haben, ihn dann reingelegt und dann mit einer „etwas“ erhöhten Geschwindigkeit nach Tatla Lake gefahren sind. Die ganze Zeit war David immer kurz davor abzunippen, sodass Jenny und ich versucht haben, ihn irgendwie wachzuhalten. Um es kurz zu halten, die Ärztin hat ihn dann wieder stabilisieren können und verrückterweise ihn sogar grünes Licht für seine Reise gegebenen, denn am Montag musste er zu seinem Eisbären Workshop losfahren. Jenny hat mich abends für meine ruhige Art gelobt und dass ich nicht in Panik verfallen bin. Ich habe mir aber die ganze Zeit gedacht, dass die Aussicht war zum Sterben schön aussieht, es heute aber trotzdem nicht der richtige Moment dafür ist. 😁 Natürlich war durch diesen Zwischenfall mein freier Tag dahin und ich musste die Nachmittagstour übernehmen. Wir hatten am Sonntag dazu noch abnormale Temperaturen von +11°C im Schatten. Du kannst dir dann natürlich vorstellen, wie der Schnee war: extrem feucht und weich und ich durfte mit dem Truck in die nicht asphaltierten Gebiete fahren. Bei dem einen Spot musste ich einen kleinen Berg herunterfahren bzw. rollen und als ich dachte, dass ich zu schnell bin, wollte ich etwas bremsen und was soll ich sagen: Der Truck fing an, nach rechts zu rutschen und ich glitt geschmeidig rechts von der „Straße“ ab. Das ist ein ganz schlimmes Gefühl, einerseits, da man nichts machen kann & es so schnell geht und andererseits, weil der Truck dann auch eine Schräglage eingenommen hat, dass mein nächster Gedanke war „Scheiße, ich kippe gleich um.“ Nach ein paar sehr lauten Kraftausdrücken habe ich es doch tatsächlich durch ständiges vor- und zurückfahren geschafft, mich wieder aus dieser Lage zu befreien, um dann, als ich losfahren wollte, direkt wieder reinzurutschen, aber auch die zweite Befreiung hat geklappt und so konnte ich alle Fotografen*innen ohne größere Probleme abholen. Dies war aber definitiv eine Erfahrung, auf die ich verzichten konnte. Am Abend war ich einfach fix und fertig. Erst Dave und dann noch diese blöde Trucksituation.

Am Montag war ich bis zum späten Nachmittag komplett alleine für alles verantwortlich, da Jenny David zum Flughafen gebracht hat. Allerdings hat alles glücklicherweise funktioniert und keiner ist gestorben, aber das ist schon ein mächtiger Druck, der da auf einen lastet, wenn man für alles komplett alleine verantwortlich ist 😁

Der Dienstag war temperaturtechnisch das komplette Gegenteil zum Sonntag. Minus 18 Grad Celsius zeigte das Thermometer am Morgen an. Noch dazu haben wir beschlossen, dass wir jetzt nicht um sechs Uhr aufstehen, sondern bereits um sechs Uhr frühstücken, da wir bisher nur einen Luchs gesehen haben und die Wahrscheinlichkeit früh am Morgen höher ist. So fuhr ich also los und das war der erste Tag ohne Wolken am Morgen, sodass wir einen spektakulären Sonnenaufgang hatten, der diese Landschaft in ein wunderschönes Licht erstrahlen lies. Als Rhett und Simone zu dem Spot mit dem Reh als Köder gebracht wurden, habe ich meinen ersten Luchs gesehen! Ich konnte kein Foto machen, da ich so schnell wie möglich wieder wegmusste, damit ich den Luchs nicht vertreibe, aber ja....endlich habe ich ihn wenigstens schon einmal gesehen 💪🏼 Rhett und Simone hatten somit einen erfolgreichen Luchstag, während Sabrina die ganzen Tage nur Vögel und den Fischer gesehen hat. Das tat mir richtig leid und Sabrina wurde auch immer unentspannter. Am Dienstagabend hat sie dann gesagt, dass alle, die bisher ein Bier abends getrunken haben auch einen Luchs gesehen haben und daher hat sie beschlossen, auch ein wenig Bier zu trinken und tada am Mittwoch hat sie ihren ersten Luchs gesehen, aber viel zu weit entfernt. Daraufhin habe ich ihr gesagt, dass sie jetzt ein ganzes Bier trinken muss und was soll ich dir sagen, am Donnerstag, am letzten Tag des Workshops hatte sie über drei Stunden einen Luchs vor ihrer Kamera. Bei der Abholung konnte ich ihn auch beobachten. Wir haben uns alle so extrem gefreut und sie hat im Zelt sogar vor Freude geweint, hat sie erzählt. Das war ein sehr sehr gutes Ende für den Workshops, alle drei haben ihre Luchsfotos – pure Erleichterung.

Was habe ich eigentlich so gemacht?

Ich musste diese Woche einen Spot abbauen, da dort nun Holzfäller arbeiten und einen neuen Spot aufbauen. Auf der Fahrt dahin hatte ich auch noch mal einen kurzen Schockmoment und zwar ist die Tankanzeige mitten auf dem Highway auf null gesunken und ich dachte mir nur so: Scheiße, habe ich ein Leck im Tank? Ich wusste gar nicht, was ich machten sollte und bin dann erst mal stehen geblieben, um die Unterseite des Trucks auf ein mögliches Leck zu überprüfen. Da ich aber nichts gesehen haben, bin ich weiter gefahren und plötzlich ist die Tankanzeige wieder auf „voll“ gesprungen, um kurz danach wieder auch „leer“ zu sinken und dann auf ¾ voll, dann auf ½ voll und immer so weiter, das hat mich wahnsinnig gemacht. Ich weiß mittlerweile, wie viel Sprit ich pro Fahrt benötige, von daher wusste ich, dass ich nach Hause kommen werde, aber dieser Moment, als mit der leere Tank angezeigt wurde...uiuiui, noch dazu haben wir keinen extra Benzinkanister im Truck.

Sonst saß ich an verschiedenen Spots und habe bis auf den Fischermarder und irgendeinen speziellen Vogel nichts Spannendes gesehen. Wobei ich diese Woche zweimal einen Luchs und meinen zweiten Elch gesehen habe, aber ich hätte gerne diese Momente länger als für 20 Sekunden und mit einer Kamera, da ich an meinen Spots nie etwas Spektakuläres sehe. Gestern war es bei mir zum Beispiel extrem windig und dann weiß ich, dass nichts kommen wird und ja, von den fünf Stunden habe ich die ersten vier Stunden einfach nur gezittert, da der Wind so extrem war und als er die letzte Stunde nachgelassen hat, kamen mal wieder die Grey Jacks und ein Rabe – WOW! Also ja, das ist schon ziemlich ernüchtern, wenn man nie etwas sieht.....

Aber wie war sonst der erste Workshop?

Ich muss sagen, dass ich langsam aber sicher an meine Grenze komme. David kommt in ca. 10 Tagen wieder und solange muss ich noch ohne einen freien Tag durchhalten. Das ständige frühe Aufstehen, stundenlanges Auto fahren, wandern, scheiß 30 kg Fleisch tragen, Zelt ab- und aufbauen, stundenlang im Zelt sitzen und auf ein Stück Fleisch gucken und permanent die Gegend abscannen....es ist extrem kräftezehrend und noch dazu habe ich eigentlich nie wirklich Zeit für mich hier im Haupthaus. Wenn ich abends nach dem Duschen ins Haupthaus komme, um mal entspannt einfach ein paar Nachrichten zu beantworten oder Nachrichten zu lesen, muss ich gleich wieder los, die Fotografen*innen bedienen und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich alleine bin. Jennys Aufgaben bei den Workshops hier ist „nur“ die Sicherstellung der Verpflegung. Ich möchte nicht sagen, dass das nicht anstrengend ist, aber wenn ich dann wieder eine neue Ladung Holz sehe und sie mir freudestrahlend erzählt, was sie heute auf der Baustelle alles geschafft hat, dann denke ich mir nur so: Scheiß auf diese Baustelle. Es ist Workshop Zeit! Wie wäre es mal, wenn du fährst? Aber wenn ihr sie frage, ob sie fahren kann, sagt sie nur, dass sie zu Hause bleiben muss, da sie ja kochen muss......ja ne ist klar. Also die Arbeitsteilung ist eher mangelhaft hier. Wenn dann auch noch eine Person abends beim Essen Jenny gefühlt in den Himmel lobt, da sie soooooo extrem arbeitet, denke ich mir auch nur so: Danke für nichts.

Allerdings muss ich dazu auch sagen, dass Jenny mir natürlich extrem dankbar ist und auch die Fotografen*innen haben sich mit einem sehr netten Trinkgeld (welches ich ja jetzt nicht mehr mit Fatih teilen muss 😅) bedankt.

Jetzt ist die erste Gruppe auf jeden Fall auf dem Weg zum Flughafen und die neuen Gäste kommen mit Flugzeug an, mit welchen die alten nun wieder zurückfliegen. Die neue Gruppe besteht aus zwei amerikanischen Pärchen, wobei eins sehr sehr speziell ist, ich weiß noch nicht, wie wir das handhaben werden. Aber ich muss jetzt los, die Kabinen sauber machen und die Ankunft der neuen Gäste vorbereiten.

Bis dahin.

Samuel ✌🏽

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