Reisefischer Kanada
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#16 Naturgewalten

Veröffentlicht: 02.12.2022

Mensch, anders als sonst nicht Freitag, sondern schon Donnerstag (in meiner Zeit) ein neuer Beitrag. Hat auch seinen Sinn, denn wenn ich morgen noch mehr erlebe, wird das hier ein endloser Eintrag :D

Von Samstag zu Sonntag fegte über den Berg ein Sturm und mitten in der Nacht hörte ich dann ein knacksen, welches schnell immer lauter wurde und dann BUM! Ich lebe noch, dachte ich mir, das ist schon mal gut, denn das klang ziemlich nahe. Am nächsten Tag bin ich auch erst mal um mein Yurt gegangen, um habe mal die Höhe der umliegenden Bäume angeguckt. Hätte eigentlich fast alle überlebt :D Die letzten Tage auf der Farm wurden dann leider auch zusätzlich noch von starken Kopf- und Magenschmerzen begleitet, sodass ich die meiste Zeit in meinem Yurt lag und nicht so viel getan habe. So war ich aber wieder am Montag fit für meinen vorletzten Tag. Der Plan bis zu diesem Zeitpunkt war nämlich, dass ich am Mittwoch früh zur Fähre gebracht werde, damit ich alle weiteren Wege hinbekomme. Der Montag wurde begleitet mit ein wenig Schnee, der jetzt nicht weiter gefährlich wurde. So konnten wir den Hühnerstall einmal richtig ausschaufeln und neu befüllen. Das ist wahrscheinlich der einzige Tag im Jahr, wo der Hühnerstall gut riecht. Anschließend brachten wir noch verschiedene „Kinderbäume“ und andere Pflanzen in das Gewächshaus, um sie vor weiteren Schnee zu schützen. Abgerundet wurde dieser Tag mit einer Sauna. Die habe ich wirklich genossen. Ich saß da bestimmt zwei Stunden (natürlich mit ein paar Abkühlungen dazwischen) drinnen, aber man möchte ja auch einfach nicht rausgehen, wenn man weiß, dass draußen minus zwei Grad sind und ein kalter Wassereimer auf einen wartet. Ich habe die Wassereimer auf jeden Fall überlebt und so ging es erfrischt in den Dienstag. Der Farmer teilte uns (mit mir sollte noch eine andere Wwooferin abreisen) mit, dass die Gefahr bestehe, dass wir nicht am Mittwoch, sondern bereits am Dienstag abreisen müssten, wenn wirklich die angekündigte Schneemenge von ca. 10 Zentimeter herunterkommen sollte. Auf dem Weg zum Frühstück hat es auch ganz leicht angefangen zu schneien, aber das war gar nichts. Blöderweise (zu diesem Zeitpunkt) waren wieder alle Wasserleitungen zugefroren, sodass ich meine Wäsche nicht mehr waschen konnte. Durch den leichten Schneefall war das Fenster in meinem Yurt bedeckt und es war auch noch nicht warm genug, dass der Schnee geschmolzen wäre. Durch diese Dunkelheit war ich richtig träge und kam einfach gar nicht voran....dann dachte ich mir auch irgendwann – so, jetzt ist langsam Zeit für Mittag. Ich bin also wieder zum Tilly und habe dort schön gekocht und ausgiebig gegessen. Träge, wie ich nun vom Essen war, ging das langsame Packen weiter. Mittlerweile hatte der Schnee aber deutlich zugenommen, ebenso wie der Wind. Es waren bereits mehrere Zentimeter Schnee, durch die man sich kämpfen musste. Nachdem ich dann ein paar Sachen gepackt habe, klopfte es an meine Tür und die Wwooferin, mit der ich am nächsten Tag abgereist wäre, kam herein und sagte nur so: Ich habe keine guten Nachrichten für dich.

Mittlerweile hatte sich draußen ein regelrechter Schneesturm entwickelt und der Farmer konnte nicht garantieren, dass er mich morgen früh den Berg herunter fahren könne (da z.B. zu viel Schnee oder umgestürzte Bäume den Weg blockieren könnten). Bei der Wwooferin war es weniger schlimm, da ihr Flug erst am nächsten Tag ging. Meine Abfahrt hat sich somit von Mittwoch 6:45 Uhr auf „Jetzt“ vorverschoben. Dies bedeutete schnell meinen Reiserucksack packen, dann 15 Minuten durch den Schneesturm zum Tally, dort schnell ein Hotel buchen, Sachen zusammen sammeln, Mutter des Farmers verabschieden und wieder 15 Minuten zurück, um nun alle restlichen Sachen Final zu verstauen. Ich war so gestresst und auch irgendwie richtig verärgert, da ich so träge war und somit unnötigen Stress verursacht habe. Noch dazu war es auch irgendwie ein komischer Abschied. Ich konnte mich von einigen gar nicht richtig verabschieden, da alles zu schnell ging. Das war richtig traurig. Der Farmer fuhr also mit mir los und man hat einfach nichts gesehen. Als er dann auch noch sagte, ob er nicht weiß, ob er weiter fahren könnte, da es echt richtig abging, dachte ich auch nur so, dass ich gleich vor Stress sterbe :D Wir tuckerten dann mit Schrittgeschwindigkeit den Berg herunter und dann Schwups....Schnee & Nebel weg, Regen dar. Das war so komisch, aber da war halt wieder eine richtige Wetterkante und da wir oberhalb dieser waren, haben wir einfach den kompletten Schneesturm abbekommen. Aber auch unten im „Tal“ hat es geschneit und wie viele Autos im Graben lagen. In einer Kurve lagen einfach mal fünf Autos. Ein Hoch auf den Truck. Dann hieß es den Farmer verabschieden und eine Stunde auf die Fähre warten – zum Glück in einem Raum, denn draußen war immer noch ein extremer Sturm. Dieser war auch so stark, dass alle Fähren nach Vancouver (mein eigentliches Ziel) eingestellt wurden, sodass ich die Nacht in Victoria auf Vancouver Island verbringen musste. Während der Fahrt mit der Fähre war ich echt froh, nicht zu sehen, wie sehr die Fähre schwankte, aber die Fahrt war geprägt durch starke Wellen. In Victoria war ich dann irgendwann in meinem Hotel. Dort habe ich zuerst nicht verstanden, dass ich eine Kaution von 100 $ zahlen muss und ich dachte, mein Zimmer ist plötzlich 100 $ teurer geworden, auch ein kurzer Schockmoment :D Dann war ich aber endlich da und es hatte sogar eine Badewanne! Und ja, ich weiß, dass ich vor einigen Wochen hier vom Wassersparen geredet habe und wie wichtig es für unsere Umwelt ist und da stehe ich auch 100 Prozent dahinter, aber weißt du – Ich bin auch nur ein Mensch und kein Heiliger :D Manchmal überkommt mich dann halt auch mal das Bedürfnis, kurz nicht auf den Umweltschutz zu achten und diese Badewanne hat schon viel Stress abgebaut, während ich dort drinnen versackt bin. Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm zum Glück gelegt und die Fähren führen wieder nach Vancouver und so ging es 1 ½ h Richtung Festland. Leider habe ich keine Wale gesehen, aber aufgrund der Kälte war ich auch nicht die ganze Zeit draußen. Anschließend ging es mit dem Bus Richtung Flughafen, denn nun stand mein erster Inlandflug (überhaupt) ab. Ich bin ehrlich, ich finde Inlandflüge ziemlich unnötig und die Umweltbilanz wollen wir gar nicht aufgreifen, aber fliegen ist hier kaum vermeidbar, wenn man kein eigenes Auto hat. Die Busfahrt hätte mehr als einen Tag gedauert mit verschiedenen Zwischenstopps und so hat sich das finanziell nicht viel genommen (wenn man die ungeplante Hotelrechnung in Victoria nicht beachtet). Daher habe ich mich dazu entschlossen zu fliegen. Im gleichen Zuge habe ich aber auch einen CO² Ausgleich gekauft. Dies ist auf verschiedenen Websites möglich. Dabei wird dein CO² Verbrauch während des Fluges ermittelt und dann berechnet, wie teuer dieser Ausgleich ist. Das Geld wird dabei für die Finanzierung nachhaltiger Projekte investiert. Inwiefern dass jetzt für dich sinnvoll klingt, ist mir egal. Mein Gewissen hat es ein wenig beruhig :D und ich unterstütze damit nachhaltige Projekte.

Ich bin dann also mit einer wirklichen sehr kleinen Maschine nach Williams Lake geflogen. Solch eine kleine Maschine wird übrigens auch sehr gut herumgewirbelt, wenn es doch in höheren Höhenmetern windiger ist. Das war richtig heftig und die eine Frau hat ihre verkrampften Finger kaum noch vom Stuhl genommen. Richtig krass, aber wahrscheinlich vollkommen normal. Nachdem wir dann nach ca. 30 Minuten unsere maximale Flughöhe erreicht hatten, ging es eigentlich auch schon wieder runter, denn der Wind hatte den Vorteil, dass wir deutlich schneller waren. In Williams Lake angekommen, musste ich kurz auf meinen neuen Arbeitskollegen Fathi warten. Fathi kam vor fünf Jahren aus der Türkei nach Kanada und nun ist er hier fest bei meiner neuen Arbeitsstelle angestellt. Fathi war übrigens beim Zahnarzt. Das bedeutet, wenn ich hier Probleme mit meinen Zähnen bekommen sollte, müsste ich nach Williams Lake. Das ist dahingehend bescheidend, da mein neuer Ort einfach drei Stunden mit dem Auto entfernt ist und das heißt hier: Wir wohnen in der Nähe (!!) von Williams Lake - da solch eine Strecke für die Menschen hier wirklich nichts ist. Als wir dann nach ca. 30 Minuten um eine Kurve fuhren, sagte Fathi dann zu mir....so, und ab hier hat man keinen Empfang mehr. Also eine flächendeckende Netzabdeckung ist in diesem Land einfach nicht umsetzbar, daher ist das hier wahrscheinlich auch einfach normal. Aber wäre uns da was passiert, dann joar... wäre es das. Denn zum Beispiel haben wir auch erst nach zwei Stunden das erste Auto auf unserer Spur gehabt, also auf Autos warten kann auch lange dauern.

Aber warum habe ich mich eigentlich für solch einen Ort entschieden, der so abgelegen im nirgendwo von B.C. liegt? Dazu eine kleine Geschichte:

Es begab sich aber zu einer Zeit, da waren einige meiner ehemaligen Schülern*innen noch nicht geboren, als ich selbst noch die Schulbank wärmte. Als ich anfänglich noch mit dem Bus fuhr, hatten wir einst einen Winter, der war so kalt, dass, als ich einen tiefen Atemzug durch die Nase genommen habe, meine Nasenflügel zusammengefroren sind. Das war eine richtig knackige Kälte.

Und genau das habe ich mir für Kanada vorgenommen. Ich will hier einen richtigen kalten Winter haben, den ich bestimmt auch oft verfluchen werde, aber er soll richtig kalt sein. Mit dieser Entscheidung, hierher zu kommen, habe ich nun diesen Winter. Auf der Fahrt zu diesem Ort waren es Minus 32 Grad. Ich habe noch nie in meinem Leben solch eine Temperatur live gesehen. Während Fathi und ich gerade darüber erzählten, das Geld nicht der Weg zum Glück ist, erschien am Horizont ein oranges Flackern und dann sahen wir es. Da stand ca. ein ein Kilometer langer Waldstreifen komplett in Flammen. Mein zweiter Waldbrand bei minus 30 Grad. WIE?! Mein neuer Arbeitgeber erkläre uns, dass es auch sein könnte, dass, nachdem ein gewissen Waldgebiet abgeholzt wird, alle Reste zusammen geschoben und verbrannt werden. Aber dann muss das schon ein großes Gebiet gewesen sein. Auf der Fahrt sind wir dann auch noch durch unterschiedliche Siedlungen gefahren. In diesen leben nur Personen der indigene Bevölkerungsgruppen und dort darf auch keiner, der nicht dieser Gruppe angehörig ist, wohnen. Als wir dann endlich nach drei Stunden angekommen sind, wurde schnell der Einkauf ausgepackt und dann ging es für mich – aufgrund er Uhrzeit – auch schon in meine eigene Kabine. Abends habe ich versucht, diesen Sternenhimmel hier aufzunehmen, aber das eine Licht im Häuschen war an und der Mond war ziemlich hell. Noch dazu war es auch einfach viel zu kalt. In der Nacht haben wir die Minus 40 Grad erreicht. Allerdings ist das nicht normal hier (zu dieser Jahreszeit). Letztes Jahr, am 1. Dezember lag hier noch nicht mal Schnee und das soll der kälteste erste Dezember seit über 15 Jahren sein. Am Wochenende wird es mit minus drei Grad auch mulmig warm. Heute wurde mir dann noch ein wenig das Grundstück gezeigt und nun habe ich gerade den Sonnenuntergang bei einem traumhaften Ausblick genossen.

Du siehst, hätte ich jetzt noch den morgigen Tag abgewartet, so wäre dieser Blogeintrag hier explodiert :D

Was mache ich hier eigentlich und wie bin ich an diesem Job gekommen? Das beantworte ich euch beim nächsten Mal.

Samuel

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