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//Kharas-Region

Veröffentlicht: 26.12.2021

Wildpferde von Garub 

Auf dem Weg von Lüderitz zurück ins Landesinnere weist ein unscheinbares braunes Schild an der Teerstraße mitten im Nirgendwo auf einen “Wild Horses View Point” hin. Das erscheint beim Fahren umso verwunderlicher, da weit und breit weder Zivilisation noch Straßen noch Häuser noch Bäume und Sträucher zu sehen sind, nur weite, endlose Wüstensteppen. Folgt man jedoch der unscheinbaren Abzweigung (die wir bei der Fahrt nach Lüderitz ein paar Tage zuvor doch glatt übersehen hatten), erreicht man etwa 500 Meter weiter eine Hütte mit Wellblechdach, vor der ein oder zwei Autos stehen. Wir parken daneben und betreten die Hütte, die eigentlich nur ein paar überdachte Bänke darstellt, ohne Seitenwände. Dem ersten Anschein nach passiert hier nichts, hier mitten im Nirgendwo. Doch nur ein kleines Stückchen unterhalb des überdachten Unterschlupfes, an einer etwa zwei Meter langen Tränke, sehen wir sie: Wildpferde. Neben einem Oryx und einem Strauß tummeln sie sich um das Wasserloch und stillen ihren Durst. Ein paar Fohlen wuseln zwischen den langen, brauen Beinen der Pferde umher, ab und zu richten sie sich auf die Hinterbeine und scheinen fast schon miteinander zu toben. Dass ein Stückchen weiter mucksmäuschenstill zwei Menschen sitzen, die sie neugierig beobachten, scheint die Herde gar nicht zu kümmern.In der nahegelegenen Klein-Aus Vista Desert Horse Lodge, auf deren Campingplatz wir übernachten, werden die Besucher*innen über die wilden Pferde informiert. Die Wildpferde von Garub, dem Ort des Wasserlochs, stammen von den Hauspferden ab, die die deutsche Schutztruppe zu Kolonialzeiten von Europa nach Deutsch-Südwestafrika transportiert hat. Streng genommen sind es also keine Wildpferde, sondern verwilderte Hauspferde, die vermutlich seit dem ersten Weltkrieg frei auf der Suche nach Wasser und Nahrung durch die Wüste ziehen. Nichtsdestotrotz haben sich die Pferde in kürzester Zeit den harschen Wüstenbedingungen angepasst. Vom Aussterben bedroht gibt es aktuell noch etwa 80 bis 90 der tiefbraunen Tiere. Hier in Garub finden sie fernab der Zivilisation Wasser, um in der Wüste überleben zu können.

Brukkaros

Etwas weiter im Landesinneren liegt der 1590 Meter hohe Brukkaros, der auf den ersten Blick wie ein Vulkankrater wirkt, nach neusten Erkenntnissen aber vermutlich doch eher ein durch Abtragungen entstandener Inselberg ist. Hier hat es früher einen Campingplatz oben am Berg, nahe des etwa 350 Meter tiefen Kraterrandes, gegeben. Seit der Platz nicht mehr bewirtschaftet wird, kommen Camper zum Wildcampen an diesen verlassenen Ort. Schon auf der Fahrt dorthin über die sandigen Schotterpisten wird deutlich, dass wir uns abseits touristischer Pfade befinden. In dem etwa 20 Kilometer vom Brukkaros entfernten nächsten Ort, Berseba, sehen wir nicht die sonst typischen Schilder, die auf Guest Houses oder sonstige touristische Unterkünfte verweisen. Entlang der einzigen größeren Straße durch das Dorf hindurch sind abgesehen von einem heruntergekommen Supermarkt nur Wellblechhütten, eine Kirche und ein paar etwas bessere Häuser zu sehen, sowie viele Menschen in den Straßen.Kurz hinter Berseba führt die alte Schotterpiste zuerst hin zum Brukkaros und schließlich eine kurze, aber extrem anspruchsvolle Allradpiste nach oben auf den Berg an den Kraterrand. Wir schaffen es trotz 4x4 nicht bis ganz nach oben, wo noch Überreste des Campingplatzes am Kraterrand zu sehen sind. Auf halber Strecke stellen wir uns auf eine einigermaßen ebene Fläche und wildcampen dort. Die Sicht ist sogar noch besser als am Krater, denn hier haben wir sowohl den Blick auf den Berg in die eine Richtung, sowie einen Panoramablick auf die weite, grün bewachsene Landschaft, unter der noch rote Sanderde vorschimmert. Fernab von jeglicher Zivilisation mitten in der Wildnis fühlt man sich wie die einzigen Menschen auf dieser Welt, auch wenn in weiter Ferne noch ein paar Lichter von Berseba zu erkennen sind. Die Sterne am Himmel strahlen aber heller und vor allem schöner.

Quiver Tree Forest

Auf der Fahrt nach Keetmanshop, der Hauptstadt der //Kharas-Region, zieht sich der Himmel zu. Zum ersten Mal seit vier Wochen fallen die ersten Regentropfen. Für uns zum Campen nicht ideal, für die Menschen, die Farmen und die Natur hier aber ein wahrer Segen. Wie oft haben wir schon zu hören bekommen, es habe in manchen Gegenden bereits seit mehreren Jahren kein einziges Mal geregnet. Unvorstellbar für uns Deutsche, aber hier bittere Realität. Die Dürren und Extremwetterereignisse bedingt durch die Klimakrise nehmen auch hier merklich zu.Nahe Keetmanshop sehen wir zum ersten Mal die für die //Kharas-Region typischen Köcherbäume (engl. Quiver Trees, afr. Kokerboom). //Kharas (die Sonderzeichen stellen einen Klicklaut dar) bedeutet in der Koisansprache der Nama übersetzt Köcherbaum. Die Köcherbäume (Aloe dichotoma), die hier im Süden Namibias sowie im Nordwesten Südafrikas wachsen, wurden mancherorts bereits zum nationalen Denkmal erklärt. Besonders schön sind sie anzuschauen, wenn die Sonne hinter ihnen am Horizont untergeht und die Lichtstrahlen durch die einzelnen Äste dringen. Den Namen trägt der Köcherbaum übrigens, weil die San-Buschleute aus den Stämmen ihre Köcher gebaut haben. Nicht nur wegen der Köcherbäume lohnt sich unser Besuch. Unser Campingplatz, das Mesosaurus Fossil Camp, der aus ein paar abgelegenen Plätzchen in einem trockenen Flussbett fernab jeglicher Zivilisation besteht, ist gleichzeitig Heimat des Mesosaurus, dessen Fossilien hier gefunden wurden. So lernen wir nicht nur die hiesige Flora und Fauna kennen, sondern erweitern auch unser geographisch-biologisches Wissen über das vor 270 Mio. Jahren hier lebende Tier. In den Fossilien, die der Farmbesitzer uns bei einer Tour über das Gelände zeigt, sind sogar die einzelnen Rippen sowie die Hände und Fingerknöchel zu erkennen.

Den letzten Zwischenstopp vor dem Fish River Canyon legen wir auf der Goibib Farm ein. Eigentlich eine Rinderfarm, beherbergt der Besitzer auch stets Gäste in einigen Zimmern und Campingplätzen. Aufgrund der Reisewarnungen der europäischen Länder gerät der afrikanische Tourismus erneut in einen Stillstand. Sämtliche Gäste hier haben storniert, wir sind - mal wieder - die einzigen Camper weit und breit. Gut für uns, denn aufgrunddessen dürfen wir den Pool des Gästehaus benutzen und kommen in den Genuss einer Farmführung, wo wir neben den rund 350 Rindern auch Antilopen, Riesenvögel und Strauße zu Gesicht bekommen. Im Vergleich zu diesen riesigen Weideflächen, die die Rinder bewohnen, ist jeder europäische Demeterhof ein Witz dagegen. Nur etwa zehn bis fünfzehn der Rinder hier werden jährlich geschlachtet und verkauft, und auch nur, wenn sie sich nicht in ihre Herden einfügen und Probleme bereiten. Wenn schon Viehzucht, dann doch lieber so. Da die Büsche und Gräser genug Nahrung für die Rinder bieten und mehr als genug Weidefläche vorhanden ist, ist diese Form der Viehzucht (abgesehen von Methan usw) noch einigermaßen ökologisch verträglich. Mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie, ist auch hier - wie so oft - das entscheidende Stichwort.


Am Nikolaustag überfällt uns das Weihnachtsfieber, so dass wir mit unseren doch sehr begrenzten Möglichkeiten ein paar Plätzchen backen wollen. Die Zutaten sind tatsächlich gar kein großes Problem, denn mit Mehl und Backpulver zaubern wir uns sonst auch mal ein paar Pancakes zum Frühstück. Noch etwas Margarine, gehackte Schokolade, zermatschte Banane, Ahornsirup und Zimt dazu, und schon haben wir uns einen leckeren Plätzchenteig angerührt. Problem: unsere Campingausstattung ist zwar gut, beinhaltet aber leider keinen Backofen. Wenn man dem Internet Glauben schenkt, ist es auch in der Pfanne möglich, Cookies zu backen, allerdings haut das bei uns eher weniger gut hin. Der Gaskocher verbrennt die Teigstücke von außen schon fast, während sie innen noch sehr weich sind. Egal, denn unsere ersten Plätzchen schmecken sogar ganz gut! Jetzt kann Weihnachten kommen, wir sind bereit. Mampf.
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