Veröffentlicht: 17.11.2020
Montag, der 19. Oktober:
Heute möchte ich bis Cerali laufen, das sind 15 km. Nach ein paar Tagen in den Bergen freue ich mich wieder auf das Meer. Es wäre prima, wenn ich dort einen schönen Platz zum Campen finde.
Auf dem Weg begegne ich Helmut. Er hat bereits über 300 km auf dem Likian Yolu zurückgelegt. Unsere Freude ist um so größer, als wir feststellen, dass wir beide aus meiner Heimatstadt München kommen. Da er den Weg in entgegengesetzter Richtung geht, können wir nicht gemeinsam wandern.
Vor Cirali komme ich an den brennenden Steinen vorbei, sie befinden sich oberhalb von Chimaera. Dass diese Besichtigung kostenpflichtig ist, steht zu Beginn angeschrieben. Es gibt hier auch ein paar antike Bauwerke. Ich bekomme eine kleine Ahnung davon, wie die Menschen damals hier gelebt haben. Nach einigen vielen Marmorstufen bergab kommt dann die "Zahlstation", besetzt von drei Männern, die von jedem Besucher 20 TL einsammeln, wenn er bei ihnen vorbei kommt. Einer der drei fragt mich nach meinem Herkunftsland... als Deutsche bin ich bei ihnen ein gern gesehener Gast. Es dauert nicht lange, da bekomme ich eine Einladung zu Cay (Tee) und Wasser, verbunden mit einem kleinen Plausch in gebrochenem Englisch und ein paar türkischen Wörtern meinerseits. Sie freuen sich über jedes Wort, welches ich in ihrer Sprache sprechen kann.
Es hat den ganzen Sommer hier nicht geregnet, aber ausgerechnet jetzt setzt ein Wolkenbruch mit einem kräftigen Gewitter ein. Wieder einmal bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn ich sitze mit den drei Herren neben ihrer kleinen Hütte auf einer überdachten Bank an einem überdachten Tisch im Trockenen. Ich mache mir keine großartigen Gedanken, als sie einer nach dem anderen in ihrem kleinen Häuschen verschwinden. Sie sagen, ich solle ruhig sitzen bleiben. Doch dann bittet mich einer der Männer hinein. Na ja, was soll schon passieren, ich folge dieser Aufforderung. Und ich bin sprachlos. Sie haben den Tisch gedeckt mit einem Teller voll mit einer Art gehackten, gebratenen Fleisch und einer großen Schüssel gefüllt mit aufgeschnittener Honigmelone. Dazu frisches Weißbrot, wie ich es hier zu Lande schon kennengelernt habe. Um den Teller liegen vier Gabeln. Und nun laden sie mich ein, mit ihnen zu essen. Ich bin gerührt. Meine Vorsätze, mich vegetarisch zu ernähren, muss ich jetzt leider vernachlässigen, denn diese Gastfreundschaft kann ich unmöglich ausschlagen. Nach dem Essen folgt gleich die nächste Überraschung. Einer der Männer erklärt mir in gebrochenen Englisch, dass gleich ein Taxi für mich kommt und mich nach Cerali fahren würde. Oh mein Gott, was soll ich davon halten... Ich sage mir: Vertrau einfach... Was soll schon passieren?
Es kommt ein schwarzer PKW mit einem jungen Mann am Steuer vorgefahren und hält vor dem kleinen Häuschen auf dem Parkplatz. Ahmet, der Mann, der das Taxi bestellt hat, fordert mich nun auf, einzusteigen. Nachdem mein Gepäck verstaut ist, steigt auch er in das Auto und wir fahren in den Ort Cirali. Ahmet besitzt ein paar Bungalows und möchte mir einen für diese Nacht zur Verfügung stellen. Das Frühstück soll mich ebenfals keinen Lira kosten... erklärt er mir auf dem Weg. Ich bin sprachlos. Habe ich mir doch eine Dusche gewünscht... und vorallem müsste ich einmal meine Klamotten waschen. Ahmet ist nach kurzer Zeit auch schon wieder verschwunden. Und nun sitze ich auf einem sauberen Bett und habe ein Badezimmer mit Dusche ganz für mich allein. Welch ein Luxus! 🙏🙏🙏
Am nächsten Tag mache ich mich gegen zehn Uhr auf den Weg nach Adrasan. Ahmet schreibt mir, er möchte gern, dass ich für immer bleib e... aber das geht nun einmal nicht, versuche ich ihm zu erklären. Ich glaube, er ist etwas traurig, dass ich schon wieder weiterziehe. Ich danke ihm sehr, dass er mir diese Übernachtung ermöglicht hat.