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Sunshine Shutdown

Veröffentlicht: 29.03.2020

Donnerstag, 26. März 2020. Meine Tochter ruft mich an, um mir fröhlich mitzuteilen, dass sie auf Kurzarbeit gesetzt wird. Eigentlich ist das natürlich eine ernste Sache, aber sie weigert sich wie immer, übermäßige Dramatik aufkommen zu lassen. Hier in unserem Hauptdorf denken offenbar viele so.

Klar, im Fernsehen sehen wir an jedem Abend den menschenleeren Kurfürstendamm und den weitgehend verwaisten Alexanderplatz. Verantwortungsvolle Bürger bekennen sich in mit Folie verklebte Mikros hinein zu den Maßnahmen der Regierung, in den Parks lösen sich entstehende Gruppen nach Aufforderung der Polizei sofort auf und auf den Balkonen wird zum Lob und Preis der Alltagshelden geklatscht und gesungen.

Andererseits gehen die Menschen innovativ mit den neuen Regelungen um. So gibt es seit zwei Wochen ein allgemeines Kontaktverbot und die dringende Aufforderung, nicht unnötig das Haus zu verlassen. Einkaufen gehen und Arztbesuche sind aber ausdrücklich erlaubt, an die frische Luft gehen und sich in derselben zu bewegen nicht verboten. Verstanden wird aber offenbar: „Du sollst rausgehen, und dich ausgiebig in frischer Luft bewegen und zwar so oft und so lang es geht.“

So ist die vor unserer Wohnung beginnende Promenade am Teltowkanal vom mäßig genutzten Weg für Powerradler und Gassi Geher zum Hotspot der Luftschnapper, Spaziergeher, Jogger, Radler, Skater und Kinderwagenschieber geworden. In allen denkbaren Fortbewegungsarten und Geschwindigkeiten sieht man zwischen 8:00 und 18:00 Uhr Menschen aller Altersgruppen und aller Fitnessgrade unter strahlend blauem Himmel versteht sich, denn das Wetter nimmt die ganze Sache auch nicht ernst. An ganz normalen Wochentagen um 11:00 hat man schon Schwierigkeiten, den Mindestabstand zu halten.

Wir sind natürlich nicht besser als der Rest und haben unser Tandem mindestens vier Wochen vor der Zeit aktiviert. Vorher müssen wir noch zu unserem Schrauber nach Britz Süd, die Bremsen und die Schaltung in Ordnung bringen lassen. Hoffentlich hat der überhaupt noch auf. Ja hallo! Er hat geöffnet und auch hier auch hier ist es nicht so leicht mit dem Mindestabstand. Offenbar werden lange vernachlässigte Schätzchen wieder aktiviert und auch der Verkauf läuft gut.

Am Ende wird 2020 tatsächlich das Jahr der Verkehrswende in Berlin. Oder landen die Räder im Herbst wieder im Keller, wo man sich dann wundert, wo denn das ganze Klopapier herkommt? Und wie lange hält eigentlich das 405 Weizenmehl noch oder sind schon Lebensmittelmotten drin?

Aber Spaß beiseite. Nach der zweiten Woche wird es einem schon ganz schön mulmig. Äußerlich sieht alles schön aus bei zehn Sonnenstunden. Aber innerlich fühlt man sich wie beim Schulschwänzen. Alles gut und schön, aber irgendwann muss ich ja doch wieder hin und wie sieht es dann aus in der Welt.

Nachtrag: Am Sonntag hat die Sonne dann den Ernst der Lage endlich anerkannt und sich verdrückt. Dicke Wolken hängen über der Stadt und es regnet und hagelt bei ca. acht Grad.

Antworten (1)

Bir
Auch wir haben unsere Räder flott gemacht, damit wir außer der Gassirunde noch ein bisschen Bewegung bekommen. Bleibt gesund 😊

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#shutdown#corona#luftschnappe