Veröffentlicht: 12.05.2024
Aufgewacht im Nachtbus, die Uhr zeigt 4:30 Uhr, draußen ist es stockdunkel. Planmäßig sollten wir um 5 Uhr in Arequipa ankommen, aber auf der Hauptstraße kippte ein LKW um, der nun für Stau und eine riesige Schlange sorgt. Im Bus können wir nur wenig tun, aber als es dann um 6:30 Uhr geschafft ist, organisiert Peru Hop und schnell den Transfer zu unseren Hostels. Das ist für mich wichtig, weil ich mich eigentlich auch direkt auf den Weg ins Colca-Tal machen möchte, zu dem ich um 07:30 Uhr abgeholt werde. Ich lasse mich also zum Hostel bringen, in das ich nicht einchecken werde, mache mich dort am Pool fertig für den Tag und stelle mich wieder - bereit zur Abholung - an den Straßenrand. Was ich schon bei meiner Abholung vor einigen Tagen in Lima gelernt habe: Es kann dauern und der Bus wird schon kommen. Um ehrlich zu sein, mache ich mir irgendwann schon Gedanken, ob überhaupt noch jemand kommen wird, aber den kann ich verwerfen, als ich nach 55 Minuten dann doch endlich im Bus sitze. Da ich auch die Letzte bin, die abgeholt wird, machen wir uns direkt auf den Weg aus der Stadt raus in den Norden der Stadt und erklimmen dabei die ersten Höhenmeter.
Von Arequipa auf zirka 2.300m fahren wir heute bis auf 4.800m und haben durchgehend die atemberaubende Aussicht auf die umgebenden Vulkane: Den 5.822m hohen kegelförmigen Vulkan Misti, den 6.057m hohen Chichani und den kleineren entfernteren Picchu Picchu. Wenn wir später auf 4.800m Höhe sind, sehen wir sogar weitere Vulkane und auch bis dahin ist schon jeder Meter durch die Pampa Cañahuas ein Hingucker!
Schon zur „Einfahrt“ in das Naturschutzgebiet sehen wir auch die ersten Vicuñas, die seelenruhig fressen und umherlaufen. Ich lerne nun auch die Unterschiede zwischen den südamerikanischen Kameliden, angefangen bei den Lamas: Sie sind die „Schafe der Anden“ (unschwer an dem dicken Fell zu erkennen), sind die größten der Kameliden hier in den Anden, haben ein gestrecktes Maul und einen langen Hals. Alpakas werden nicht so groß, haben einen kürzeren Kopf und bauschigeres Fell als das der Lamas. Vicuñas sind schlanke und kleine Kameliden und stehen vor allem hier unter strengem Schutz, da sie nicht domestiziert werden. Beim Vorbeifahren dürfen wir also aussteigen aus dem Bus, halten uns aber entfernt, um die Herde nicht zu stören.
Bei unserer ersten Pause wird uns auch das erste Getränk empfohlen: Der Anden-Tee, der uns bei der Gewöhnung an die Höhe helfen. Der Tee ist ein Aufguss aus den Kräutern/Blättern von Coca, Muña, Chachacoma und Toca Blanca - allesamt zur Bekämpfung der Höhenkrankheit. Nach drei bis fünf Minuten dürfen wir probieren: Der Geschmack erinnert an einen herben Minz- und Kräutertee, was mich beruhigt. Ab jetzt geht es nur noch höher und wenn das Hausmittel, dass hier zu Lande mir dabei helfen soll, nicht schmeckt, wäre ich aufgeschmissen.
Unser nächster Stopp bringt uns zu einem kleinen Hügel, an dem seelenruhig einige Alpakas und Lamas stehen, liegen, sitzen und vermutlich den ganzen Tag darauf warten, das derartige Touristengruppen wie wir Halt machen und sie erkunden, streicheln und fotografieren. Natürlich lasse ich mir das aber auch nicht zweimal sagen, schließlich muss ich ja die Unterschiede der Kameliden erkennen können, falls ich mich mal wieder in der Pampa in den Anden wiederfinde. Auf dem Bild ist, denke ich, unschwer zu erkennen, wie viel Freude ich habe, endlich die Tiere der Anden zu sehen und anfassen zu dürfen. Nachdem ich schon die Schildkröten im Pazifik von Peru sehen und berühren durfte, ist das definitiv ein weiteres Highlight und ich bin voller Glück, hier zu sein.
Nach einiger Zeit erreichen wir den angekündigten 4.800m hohen Mirador de Patapampa und sehen zahlreiche weitere Vulkane, wie ich schon angekündigt hatte. Einer von ihnen ist gerade auch aktiv, der Sabancaya auf 5.980m Höhe (Spoiler: Später sehen wir ihn nochmal). Die Tour heute pausiert beim Mittagessen in Chivay, wo wir uns einem himmlischen Buffet hingeben und allerlei Lokalitäten aus dem Colca-Tal probieren. Ich probiere auch Alpakafleisch, das hier natürlich ziemlich verbreitet ist, sich aber nach der Kuscheleinheit vor einer Stunde trotzdem falsch anfühlt. Außerdem greife ich zum ersten Mal wieder zu Salat und frischem Gemüse - ein Fehler, den ich heute Nacht noch bereue.
Nach dem Mittagessen wechsle ich in einen anderen Bus, in dem Michelle auf mich wartet. Ich hatte sie vor ein paar Tagen zu dieser Tour überzeugt, leider landeten wir morgens aber in verschiedenen Bussen. Nun machen wir uns gemeinsam auf in unser Hotel in Yanque, ein kleiner Nachbarort von Chivay. Wir holen uns im einzigen Markt des Orts noch Wasser und checken im Hotel ein, bevor es auch direkt weitergeht. Durch die vielen umliegenden Vulkane gibt es in der Nähe von Yanque natürliche heiße Quellen, die auch von den Einheimischen benutzt werden, die Zuhause beispielsweise kein warmes Wasser haben. Dorthin laufen wir nur etwa 20 Minuten und wir genießen mit einem lokalen arequipenischen Bier den Blick im Colca-Tal im etwa 40 Grad warmen Wasser der Baños Thermales de Chacapi am Rio Colca. Der Rückweg nach dem Bier, dem heißen Wasser, den lockeren Muskeln und dem steilen Anstieg gestaltet sich anstrengender als der Weg hinunter - vor allem in Flip-Flops. Auf gut Glück halten wir (mitten in der Pampa) den Daumen raus und tatsächlich kommt genau unsere Rettung: Ein lokaler privater Bus mit einem netten älteren Herr am Steuer, der uns hineinwinkt - unsere Rettung!
Er lässt uns nach kurzer Fahrt in Yanque raus und wir kommen erschöpft vom Tag und der Höhe im Hotel an. Nach einer warmen Dusche und ein paar Snacks (nach dem Lunch-Buffet war sowieso nicht mehr viel Platz) liegen Michelle und ich einfach im Hotelzimmer herum, lesen, quatschen und verkriechen uns unter den drei Wolldecken. Es kühlt hier nachts bis auf 3 Grad ab, darum sind wir froh über das „dicke Fell“ der Nacht und die schwere Decke, die uns gemächlich beruhigt.
Für mich ist die Nacht leider nur kurz, denn ich wache nachts mit unheimlichen Magenkrämpfen auf und muss mich ständig übergeben. Der Husten, den ich noch immer mit mir herumschleppe, hilft bei meiner Situation ganz und gar nicht und so schleppe ich mich alle zirka 20 Minuten aus den Wolldecken durch das kalte Zimmer ins Bad, zurück und alles wieder von vorne. Das hat man davon, wenn man sich in entfernteren Ländern für frisches Gemüse entscheidet. Am Morgen gibt’s Gemüse wieder nur noch frittiert oder Vitamine in Form von Obst.