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SANTIAGO DE CHILE 15.01.2023

Veröffentlicht: 18.01.2023

Den Tag verbrachten wir zu dritt. Franzi hatte von heute ab Urlaub und nun beginnt unsere gemeinsame Zeit. Zuerst ging es zur Bushaltestelle und der 502er sollte uns in die Innenstadt zum Mercado Central bringen. Da wollten wir, auch an einem Sonntag, uns das Treiben in der alten Fischhalle ansehen und Fisch essen gehen. Aber zuvor fuhr der Bus noch durch fast indische Verhältnisse. Viele Menschen, die auf der Straße leben und ihre, wenn überhaupt, ärmlichen Unterschlüpfe aus Pappe, Plastikplanen und Stofffetzen an Brückengeländern und Parkmauern errichtet haben und teilweise durch Verkäufe von Restkleidung, abgetragenen Schuhen und anderen Restwaren zu leben versuchen. Als wir beim Ausstieg einen alten Bahnhof (Estacion Mapocho) entdeckten, der heute das Centro Cultura beherbergt, mussten wir durch uringeschwängerte Luft, vorbei an Leuten, die mit dem gesamten Hab und Gut in den Bus drängten. Der Gehweg klebte und die Atmosphäre war sehr belastend. Fotos dieses wahren Lebens konnten wir dann im alten Bahnhof sehen, in dem die besten Fotografien des letzten Jahres ausgestellt wurden. 

Dann gingen wir zu der Markthalle, die ja unser eigentliches Ziel war. Drumherum erst einmal sehr viele Marktstände (legal?), laute politische Redner und abstoßender Dreck und Geruch! Drinnen dagegen unzählige Fischverkaufsstände mit allem, was das Meer hergibt. Wir konnten uns gar nicht satt sehen und wurden von den vielen Menschen immer weitergetrieben. Und so kamen wir auch bald an die Stände, die auf der einen Seite nur verkauften und auf der anderen Seite kleine Lokale waren. Also den frischen Fisch von der Verkaufstheke gleich auf dem Teller im Lokal servierten. Herrlich! Dem lonely planet entsprechend vermieden wir den Bereich im Zentrum der Halle, denn hier gab es nur die auf Touristen abgestimmten Lokale und landeten bei Tio Luco. Wunderbar, wie wir in der ersten Etage des kleinen Lokals gleich einen Pisco Sour bekamen und klein Brotstückchen zum Soßendippen. Auf der Karte fand ich auch meine gewünschte Fischsuppe "caldillo de congrio" (Pablo Nerudas Lieblingsgericht), Karin bekam das Fleisch (300 g) einer knallroten Kingcrab und Franzi naturgebratenes Fischfilet eines bissfesten Fisches (Reineta). Das alles mit einem kalten chilenischen Wein nur unter einheimischen Gästen. Die Zeit verging schnell und die Beobachtungen im Lokal gab es kostenlos. Dieser Programmteil war super gelungen!

Dann ging es draußen durch die "wilden" Marktstände zur Plaza de Armas, dem bedeutensten Platz in Santiago, direkt vor der Catedral Metropolitana. Franzi hatte uns schon die letzten Tage über immer wieder vor Überfällen und Diebstählen gewarnt. Der Weg, den wir nahmen (Paseo Puente) und der durch die vielen Stände auch ziemlich zugebaut war, ließ nur ein langsames Schlendern zu. Die beiden "Schätze" vor mir, bildete ich die Bodyguard ohne Rucksack, denn Franzi hat fest darauf bestanden, dass ich nichts mitnehmen sollte. Sie beobachtete uns schon öfters und neigt zu der Ansicht, dass wir doch sehr lässig und damit gefährlich einladend mit unseren Wertsachen umgehen. Nun gut, ich ohne und Karin mit Rucksacktasche vor der Brust. Übrigens bewegen sich auch Einheimnische auf diese Weise vorwärts. Ab Mitte des Weges hatte ich das Gefühl, dass zwei junge Männer bewusst hinter uns herkamen. Beim Passieren von Querstraßen hatten wir Glück mit dem sofortigen Überqueren und so bat ich die beiden an einem Schmuckstand Interesse vorzuspielen und stehenzubleiben. Dabei beobachtete ich die Männer und sah, wie sie vorbeigingen und dann 10 m entfernt vor einem Geschäft stehenblieben und interessiert in ein Schaufenster blickten. Vielleicht doch ein falsches Bauchgefühl? Ich klärte Franzi und Karin erst einmal über meine Beobachtungen auf und dann gingen wir konzentriert weiter. Leider kamen wir nicht sehr weit, denn urplötzlich stürzte sich der kleinere Mann auf Franzi und riss ihr eine vermeintlich goldene Kette mit Anhänger vom Hals. Ich reagierte, zwar nicht sofort, und bekam einen Ärmel des Räubers zu fassen und wollte noch mehr von ihm greifen, aber da stürzte der zweite Mann auf mich zu und schubste mich mit beiden Händen vor die Brust, während der andere sich losreißen konnte. Dann sprinteten sie durch die Leute und Verkaufsstände davon. Franzi hatte in der Zwischenzeit angefangen laut zu rufen und zu schreien, aber die Reaktion von Seiten anderer blieb aus. Nur neugierige Blicke, Kopfschütteln und ein paar tröstliche Worte. Das war alles, ach nein! Ein Verkäufer bat uns durch die offene Geschäftstür in den Verkaufsraum und bot Plätze zum Sitzen und Beruhigen an. Es sah für mich so aus, dass es augenscheinlich nicht das erste Mal war, dass er so etwas miterlebt hatte!  

Franzi war eher körperlich durch eine längere rote Schramme auf der Brust (Fingernagel des Räubers?) gekennzeichnet, als psychisch durch das Ereignis. Sie wollte auch keinen Kontakt zur Polizei, denn "so etwas" würde nie nachverfolgt werden, weil "total alltäglich". Karin dagegen konnte sich anfänglich überhaupt nicht beruhigen und erst durch das Ausmalen, was sonst noch hätte alles passieren können, verlor sich langsam unsere nachträgliche Angst. Auf dem Platz vor der Kathedrale, die übrigens nicht sehr beeindruckend wirkte (kein hochaufragendes spitzes Kirchenhaus, sondern klassizistisch, relativ flach und eckig) erzählte Franziska, dass ihr neuer Chef, gleich am Anfang ihrer Arbeitszeit, das Verhalten in so einem Fall wiederholt ans Herz gelegt hätte: nie den Helden spielen, alles von sich geben und bloß keine Schritte zur Eskalation (Messer, Schusswaffen, usw.). In unserer Entspannung bemitleideten wir sogar die Räuber, denn der Halsschmuck war reiner Tand und überschritt im Wert keine 3 €! Dagegen hatte sie eine sehr teure Sonnenbrille im Haar und ein Handy in der Hand. Dir müssen wohl heute Abend sehr leiden, wenn der Räuberchef die gestohlenen Werte begutachten würde. Die zwei müssten bestimmt mit blaugeschlagenen Augen zurück auf die Schulbank für Räuber!

Wir hellten unsere Grundstimmung einfach dadurch weiter auf, dass wir an unserem Plan blieben und gingen zum Plaza de la Cludadania. Hier war die ehemalige Bundesdruckerei untergebracht und hier weigerte sich der damalige Präsident Salvador Allende zu fliehen und wurde hier gestürzt. Deshalb gibt es wohl auch im Untergrund ein Kulturcentrum (Centro Cultural Palacio La Moneda), ďass wir uns kostenlos anschauen konnten. Diese Möglichkeit (Museen kostenlos) gibt es neuerdings zweimal im Monat und scheint in einer Probephase zu laufen. Das Museum hatte drei verschiedene Ausstellungen und sehr schön gekühlte Räume! Außerdem konnten wir noch im Museumsshop die "Schockschokolade" kaufen und machten uns dann auf den Heimweg.

Hier war dann das Kofferpacken angesagt und ein Resteabendbrot und die Stullenvorbereitung für die Abreise. Dass dabei die Flasche Pisco geleert wurde und noch so ein/zwei Bier, kann der Leser/in bestimmt gut nachvollziehen!



 


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