Veröffentlicht: 09.02.2023
Heute hatte keine Lust auf irgendwelche Unternehmungen. Die große Hitze und meine Lücken im Blog ließen mich zu Hause bleiben und Homeofficen. Franziska und Karin wollten durch Providenca flanieren und beim Erkundigen ein paar Kleinigkeiten erledigen (Briefkasten suchen, bisschen Lebensmittel einkaufen, Biernachschub, usw.) Ich hörte beim Ausruhen Radioeins über das Internet und hatte immer noch Probleme mit den verschobenen Sendezeiten. Wer hört schon die Nachtsendungen am Nachmittag? Aber es war schon beruhigend, `mal so allein zu sein. Und auch das schlechte Gewissen beruhigte sich ein wenig, ob der Tage, die ich im Blog aufholen konnte.
Und da wir nicht so erlebnisreich unterwegs waren, ein paar Gedanken zu Santiago de Chile: Ich empfinde es als total neue Erfahrung, wir haben schon eine Menge auf unseren Reisen in die Welt erlebt, dass der Kern des Verreisens hier in der Hauptstadt völlig auf der Strecke bleibt! Einfach `mal so in die Stadt gehen und sich empfohlene Orte/Gebäude aus dem Lonely Planet ansehen, ist nicht ohne Abstriche möglich! Spontane Einkehr in Lokale/Restaurants geht nicht! Veranstaltungen, die zufällig in den Aufenthaltsrahmen fallen, einfach zur gegebenen Zeit ansteuern, nicht ohne Vorbereitung! Die kriminelle Grundenergie, die Angst, das etwas passieren könnte, ist so dominant, dass wir überzeugt zu Hause bleiben. Hier unsere Aussichtsplattform im 29. Stock und dort unten, weit entfernt der Moloch, den ich ohne Beklemmungen nicht betreten kann und will, weil dann der permanente Stress einsetzt. Rucksack vor den Bauch, ständig beobachten wer neben oder vor dir geht, ja nicht hilflos oder fragend irgendwo herumstehen, nie Unsicherheiten zeigen, zum Ordnen der eigenen Sachen immer geschützte Ecken aufsuchen. Diese Grundstimmung ist bestimmt nicht allein durch den Überfall auf Franziska in Santiago ausgelöst worden und auch nicht durch den Raubversuch in Calama. Eine neue Kollegin von Franzi wurde drei Tage später auf dem Weg zur Arbeit ebenfalls Opfer eines Überfalls: Sie hatte an einer Bushaltestelle auf den Öffi gewartet, zusammen mit einer anderen Frau, als ein Auto unvermittelt anhielt und ein Mann heraussprang. Die fremde Frau rannte in einer Richtung davon, Frans Kollegin in die andere. Leider wurde sie verfolgt und der Mann versuchte ihr die Handtasche zu entreißen. Er schliff die Frau ein Stück über den Boden, weil sie die Tasche nicht hergeben wollte. Dabei fiel alles aus der Tasche und der Dieb nahm sich das Telefon und die Geldbörse und verschwand. Diese Frau machte sich selbst hinterher Vorwürfe, da sie ihren eigenen Kindern immer wieder eingebläut hatte, in so einem Fall ja keine Gegenwehr zu leisten, denn Wertgegenstände seien immer ersetzbar. Ob die Frau Anzeige erstattete, weiß ich nicht!? Franzi empfand es als überflüssig ihre Geschehnisse zu melden, da würde nicht das Geringste unternommen werden!? Zu den sich erschreckend steigenden Zahlen in der Statistik (Mord, Raub, Diebstahl, organisiertes Verbrechen, etc.) gehört dann konsequenterweise auch, dass viele Touristikunternehmen ihre Angebote einschränken. Geführte Stadtrundgänge, abendliche Kneipen-/Bartouren, selbst gezielte Besuche werden oftmals aus Sicherheitsgründen abgesagt.
Zu dieser abschreckenden Grundstimmung im Bezug auf Erkunden und Entdecken einer „neuen Welt“ kommen dann noch die optischen Eindrücke, die man/frau beim Durchstreifen erfährt. Wir haben selten so verwahrloste Stadtviertel mit extrem heruntergekommener Infrastruktur gesehen, wie hier im Zentrum von Santiago. Klar leben auch in anderen Ländern die ärmsten der Armen auf der Straße oder in den Parks und Grünanlagen, aber hier empfindet der Tourist/in eine viel aggressivere Ausstrahlung dieser manifestierten „Klassenunterschiede“. Franziska hat auch durch ihren Austausch mit den verschiedensten Leuten erfahren müssen, dass in Chile schon immer ein egobezogenes Verhalten und Bestreben vorherrschte und das durch die Zeit der Pandemie noch mehr verstärkt wurde. Und wie schon vorher einmal erwähnt: Chile gehört derzeit zu den Staaten, bei denen die letzte Wahl sehr knapp entschieden wurde. Zwei ziemlich unversöhnliche Lager, die kaum kompromissbereit aufeinander zugehen. Dazu kommen die Flüchtlings-probleme aus anderen südamerikanischen Staaten, die Probleme mit den indigenen Bevölkerungsgruppen und auch noch die verheerenden Waldbrände im Süden. Da gibt es kein einheitliches Vorgehen durch den Staat, wie in Deutschland. Freiwillige Feuerwehren, eigeninitiativ besorgte Löschflugzeuge, Löschhubschrauber aus Spanien, die von den Bewohnern kein Löschwasser gestellt bekommen, usw. . Chile ist wirklich nicht einfach zu verstehen!
Das Abendessen fiel heute einfacher aus (Kartoffeln mit Schmorgurken) und endete wieder mit einem Getränk auf dem Panoramabalkon!