Veröffentlicht: 15.09.2021
Heute ist einer der Tage, an denen man bei anderer Gelegenheit einfach liegenbleiben würde. Es regnet in Strömen. Und so trödele ich lange rum, buche noch ein paar Unterkünfte für die nächsten Tage und lasse mir Zeit, bis ich Jason tschüss sage. Er arbeitet seit 14 Tagen durch, sagt er. Zum Abschied frage ich ihn, wie es hier im Winter ausschaut, und er zeigt mir auf seinem Handy Bilder von einer tief verschneiten Landschaft und seinem Schneemobil. Er berichtet, dass wenn Leute zu Anfang des Winters sterben, es bis zu 5 Monate dauern kann, bis eine Erdbestattung möglich ist. Solange bleiben sie im Kühlhaus. Er lacht, als ich ihm sage, dass man sie ja auch daheim in der Garage aufbewahren könnte. "Against the law". Und die meisten würden inzwischen aus diesem Grund Feuerbestattungen wählen.
Als ich abfahre, regnet es immer noch, und das bleibt auch so, die ganze 134 hinunter, bis ich auf die akadische Halbinsel abbiege. Unzählige einfache kleine Häuschen säumen praktisch den kompletten Uferrand der fast 100 km Strecke, und ich frage mich, wer hier wohnt. Denn Arbeitsplätze erkenne ich hier eigentlich keine. Kaum größere Siedlungen, kaum Industrie, und der Tourismus scheint auch nicht wirklich die Haupteinnahmequelle zu sein. Ein paar Campinganlagen und wenige kleine Motels sehe ich auf der Fahrt. Auch wenn die Häuser klein sind, so sind sie immer noch sehr gepflegt, und die Grundstücke sind riesig. Vielleicht lassen sich ja ältere Einwohner hier nieder, die Preise dürften nicht allzu hoch sein. Aber hier lebt man schon am Arsch der Ellla.
Die akadische Halbinsel ist wieder französisch geprägt, was ich aber gelassen zur Kenntnis nehme. Ich habe vorher darüber gelesen. In Shippagan gibt es ein Aquarium, und obwohl das nicht auf meinem Plan stand, liegt es auf dem Weg und ich schaue es mir an. Von der Größe her kann man es nur als winzig bezeichnen, dafür aber liebevoll aufgemacht. Und 6 Euro Eintritt sind ja nun eher auf der unteren Skala. Am Interessantesten fand ich die Hummer und ihre verschiedenen Farben. Es gibt genetische Variationen, und neben dem normalen braunen Farbton ist 1 von 2 Millionen blau, 1 von 10 Millionen orange, und 1 von 30 Millionen gelb oder calico (orange-schwarz). Ganz selten sind die weißen Albino Hummer, 1 von 100 Millionen - den haben sie allerdings nicht da. Von den anderen gibt es Exemplare. Mist, und ich wollte so ein Vieh noch essen, jetzt tun sie mir leid.
Der entfernteste Punkt der Halbinsel ist auf Miscou Island, das Misco Lighthouse. Und als ich da ankomme, hat der Regen aufgehört. Ich liebe solche Orte. Weit entfernt von allem, kaum besucht, und man steht an dem Punkt, an dem es nicht weitergeht. Lands End sozusagen. Ich genieße diese Augenblicke bei einem kräftigen Wind vollkommen und tanke so ein wenig Energie für die Fahrt ins nächste Motel. Es sind noch 150 km, und gerade in dem Moment, als ich fahre, fängt es wieder an zu regnen. Was für ein Glück. 90 Minuten durfte ich den magischen Ort trocken erleben.
Bis Miramichi, wo das nächste Days Inn liegt, in dem ich unterkomme, ändert sich an der Wetterlage nichts. Doch als ich in die Ort einfahre, wird es dramatisch. Es regnet nicht mehr, es schüttet auch nicht, es gießt in einer Intensität die ich so noch nie erlebt habe. Die Wassermassen sammeln sich in Minuten auf der Straße, und in der Kolonne, in der ich fahre, steigen von jedem Auto Fontänen auf. Ich hoffe nur, dass das Motel nicht in einer Kuhle liegt. Nach 20 Minuten mit Tempo 20 komme ich an und frage das Mädchen an der Rezeption, ob das normal ist. Sie verneint. So schlimm wäre es noch nie gewesen. Aber genauso schnell ist der Spuk auch wieder vorbei. Und morgen soll es wieder besser sein. Morgen - da beginnt mein Trip erst richtig. Ich werde nach Nova Scotia fahren. Für viele die schönste Provinz im Osten Kanadas.