Israel 2018
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Tag 6: Transfer nach Jerusalem

Veröffentlicht: 08.04.2018

Heute fahren wir nach Jerusalem und damit in eine der bedeutendsten Städte weltweit. Mal wieder früh geht es zum Bahnhof. Der Zug der uns erstmal nach Tel Aviv bringen soll ist ein roter Doppeldecker. Das gleiche Modell wird von der deutschen Bahn als Regionalexpress genutzt. Einziger wirklicher Unterschied ist, dass die israelischen Züge mit Teppich ausgestattet sind. Das macht sie aber gleich deutlich gemütlicher. Von Tel Aviv aus geht es weiter mit dem Bus. Dieser fährt weite Teile der Strecke parallel zu der neu entstehenden Bahn-Route. Zwar gibt es bereits eine Bahn Verbindung zwischen den beiden Städten, die Neue soll nun aber elektrisch betrieben werden und dadurch ordentlich Kosten sparen. Die alte Diesellok verbraucht wohl sehr viel beim Überwinden der 800 Höhenmeter die Jerusalem von Tel Aviv und dem Meer trennen. Diesen Anstieg konnten auch wir spüren, als unser Bus während der Fahrt auf den Standstreifen fuhr. Scheinbar war der Motor heißgelaufen. Nach zwei bis drei Minuten der Anspannung ging es dann aber zum Glück weiter.

In Jerusalem angekommen fahren wir mit der Straßenbahn zu unseren Apartments. In Jerusalem gibt es tatsächlich nur diese eine Straßenbahnlinie die „L1“. Sie erst seit 2011 in Betrieb. Ihre Strecke führt sowohl durch jüdische als auch durch arabische Stadtteile und verbindet die Stadt somit auf besondere Weise. Da es nur eine Linie gibt, ist auch nicht schwer zu erraten wo die Kontrolleur*innen nach Schwarzfahrer*innen suchen werden. Kaum sind wir eine Station gefahren klopft uns die erste Kontrolleurin auf die Schulter. Neben uns steht eine Reisegruppe die offensichtlich aus den USA kommt. Sie versuchen den klassischen „Ach man muss die Tickets auch noch stempeln?“-Trick, den die Kontrolleurin aber wohl schon kennt.

In den Apartments stellen wir nur kurz unser Gepäck ab. Wir wollen noch schnell einen ersten Eindruck von der Stadt gewinnen, bevor wir am Abend ein Spiel von „Hapoel Katamon Jerusalem“ gucken. In Jerusalem sind deutlich mehr Männer mit Kippa und orthodoxe Juden zu sehen, als in Haifa oder Tel Aviv. Die Präsenz des Militärs und von privaten Sicherheitsleuten ist ebenfalls deutlich höher. Gleichzeitig zeigt sich Jerusalem aber auch als sehr touristische Stadt. Menschen aus aller Welt laufen durch die Gassen. Überall werden wir gefragt ob wir nicht in irgendwelchen Restaurant zu Abend essen möchten. Die Stadt ist deutlich in verschiedene Stadtteile unterteilt, wobei (ähnlich wie in Tel Aviv) der Wechsel der Viertel ganz klar erkennbar ist. Ein weiterer starker Unterschied ist die geringe Anzahl an leer stehenden Gebäuden. Während in Tel Aviv und Haifa überall nicht genutzte, oft baufällige Gebäude stehen, wird in Jerusalem fast alles genutzt.

Zum Mittagessen kehren wir bei „Pinati“ ein. Der Laden ist eine Empfehlung der Personen die hier schon öfters waren und wurde wohl mal von den Katamon-Fans angepriesen. Der Laden weiß zu überzeugen! Es gibt Humus mit Fleisch, der hervorragend ist. (Übrigens: Der aufmerksam lesenden Person wird nicht entgangen sein, dass die Art der von uns verzehrten Gerichte nicht sonderlich abwechslungsreich ist. Jedoch sei dazu gesagt dass Humus in all seinen Formen anders, aber immer gut schmeckt. Gemein haben sie in Israel alle, dass sie tausend mal besser sind als all das was man beispielsweise im deutschen Supermarkt als Humus kaufen kann. Es ist also keineswegs monoton immer wieder „nur das Gleiche“ zu essen.) Der Humus mit Fleisch war sogar so lecker, dass sich einer unserer Reisegruppe gleich einen zweiten Teller bestellt.

Anschließend fahren wir zum Treffpunkt, wo einige Fans von „Hapoel Katamon“ bereits versammelt sind. Der Verein hat eine etwas untypische Geschichte. Die Fans mit denen wir hier zusammen sind, waren eigentlich Fans von „Hapoel Jerusalem“, einem Verein, der für sozialistische Werte einstand und aus der Arbeiterbewegung kam. Anfang der 2000er gab es jedoch viele Konflikte mit dem Besitzer des Vereins. Die Fans versuchten darauf hin den Verein zu kaufen, was aber leider scheiterte. Große Teile der Fanszene wollten nun einen Neuanfang an anderer Stelle versuchen und wechselten zu einem Viertligisten, der nun auch den Namen „Hapoel Katamon Jerusalem“ trug. Doch auch dieser Verein wurde schnell wieder verlassen, um nun endlich einen vollkommen eigenen Verein zu gründen. Dieser stieg in der fünften Liga in den Spielbetrieb ein und arbeitete sich schnell nach oben. Versuche die beiden Vereine zusammen zu führen scheiterten. Aktuell spielt „Hapoel Katamon Jerusalem“, also der neue Verein in der zweiten Liga. „Hapoel Jerusalem“ ist mittlerweile in die dritte Liga abgestiegen und hat deutlich an Relevanz verloren, was sich vor allem in den niedrigen Zuschauerzahlen zeigt. Interessant ist das die Fanlager der beiden Vereine weiterhin zum gleichen Basketball-Team gehen und hier auch gemeinsam supporten, was aber scheinbar auch ganz gut funktioniert. Der Kontakt zu Fans des SV Werder Bremen besteht seit einem Fanaustausch im Jahr 2008. Seitdem gibt es regen Kontakt zwischen den Fanlagern, der also auch heute wieder gefördert werden soll. So lernen wir uns entweder neu kennen oder schnacken mit alten Bekannten über die Ereignisse der letzten Zeit, bevor wir mit Taxis in Richtung Stadion aufbrechen. Unser Taxifahrer ist während der Fahrt extrem genervt von einem Auto, dass vor uns 20 Km/h langsamer fährt als das Tempolimit erlaubt. Kurzerhand überholt er den Wagen rechts, klemmt sich vor ihn und bremst bis auf 20 Km/h runter. Das Auto hinter uns versucht ihm mit Spurwechseln auszuweichen, doch unser Fahrer macht jeden einzelnen davon mit. Nach einer Weile lässt er das Auto neben uns fahren. Er kurbelte das Fenster runter und tauscht noch ein paar liebe Worte mit dem anderen Fahrer aus, der ihm daraufhin zu erkennen gibt dass er sich das Kennzeichen notiert habe. Als wir schlussendlich weiterfahren wendet sich der Fahrer an uns und kichert „I hope you enjoyed the show“, worauf wir dann natürlich lieber nicken und zurück grinsen.

„Hapoel Katamon“ spielt im „Teddy Kollek Stadium“. Benannt wurde dieses nach einem früheren Bürgermeister der Stadt. Das Stadion wird zur Zeit von vier verschiedenen Fußballvereinen genutzt. Neben dem alten und neuen „Hapoel“-Verein, spielt hier auch „Beitar Jerusalem“. Der Verein ist hauptsächlich bekannt für seine rassistischen und islamophoben Fans. Bis 2013 gab es keinen muslimischen Spieler der je für das Team spielte. Die, die seitdem dort waren verließen den Verein innerhalb kurzer Zeit wieder, da sie von der eigenen Anhängerschaft ständig beleidigt und verspottet wurden. Ein Sachverhalt auf den die Fans durchaus stolz sind. Bei Spielen wird oft zum Einlaufen des Teams gerufen: „Hier kommt sie, die rassischste Mannschaft des Landes.“ Keine Frage also, dass es wenig Sympathien zwischen „Beitar“ und „Hapoel Katamon“ gibt. Tatsächlich hat „Hapoel Katamon“ eine relativ lange Tradition an arabischen Spielern, was bei „Beitar“, neben der linksliberalen Grundeinstellung des Vereins und der Fans, nicht gerne gesehen ist. Im Stadion gibt es allerdings wenige Berührungspunkte und somit auch wenig Stress. Dies könnte sich aber ändern, wenn „Hapoel Katamon“ in die erste Liga aufsteigt, in der „Beitar“ bereits spielt, womit wir auch schon direkt zum heutigen Spiel kommen: Sollte Katamon nämlich heute Abend gewinnen, so haben sie eine reele Chance in die Play-Offs zu kommen und somit um den Aufstieg in die erste Liga zu kämpfen zu können. Damit sie dann wirklich aufsteigen müssten sie die Play-Offs zwar dann immer noch gewinnen, was noch ein weiter Weg wäre. Aber dennoch, es wäre ja erstmal schön, wenigstens die Möglichkeit dazu zu haben.

Am Stadion angekommen werden wir direkt von einer Vereinsmitarbeiterin vorbei an den kleinen Schlangen vor den Toren geführt und ins Stadion gelassen, wo wir natürlich erstmal das Merch-Angebot begutachten. Es werden ein paar Schals, T-Shirts und Pullis gekauft. Für das Backgammon-Spiel hat leider keiner Platz im Rucksack. Für mich persönlich springt ein Trikot heraus. Umgerechnet 25 € empfinde ich als fairen Preis, wenn man bedenkt dass ein Trikot in Deutschland schon gerne mal zwischen 80 und 100 € kostet. Vom Stadion ist nur die Haupttribüne geöffnet, was nicht weiter erstaunlich ist. Generell kommen beim Fußball in Israel nicht so viele Fans. Die schätzungsweise 400-500 Menschen die heute da sind, sind für die zweite Liga wohl schon ein guter Schnitt. Selbst in der ersten Liga wird die vierstellige Marke wohl nicht immer geknackt.

Das „Teddy Stadium“ mit seinen 30 000 Plätzen also eigentlich fast leer und wir blicken auf komplett leere Tribünen. Gästefans kann ich zuerst auch keine entdecken, bis mich einer der Katamon-Fans darauf hinweist, dass diese hinter uns etwas nach rechts versetzt stehen. Zwei unterschiedliche Fanlager auf einer Tribüne würde man in vielen anderen Stadien wohl auch nicht so oft sehen, aber hier scheint es heute ganz gut zu funktionieren. Gast ist heute „Hapoel Marmorek“ aus einer kleinen Stadt die gut eine Stunde von Jerusalem entfernt liegt. Eine gute Busladung voll Fans ist mitgereist. Der aktive Teil der Fanszene von „Katamon“ steht auf Höhe der Mittelinie im unteren Block. Es gibt zwei Trommeln, eine große Schwenkfahne mit dem Logo der tonangebenden Ultragruppe und mehrere kleine Fahnen, die zum Teil auch politische Aussagen beinhalten. Eine ist beispielsweise in Regenbogenfarben gestaltet und macht auf die Rechte von Homosexuellen aufmerksam. Auf ein Megafon wird bewusst verzichtet, was aber bei der anzahl an Personen auch Sinn ergibt. Die Stimmung ist trotzdem gut und die Mannschaft wird lautstark vorangetrieben. „Hapoel Katamon“ dominiert das Spiel von Beginn an und geht nach gut 30 Minuten in Führung. Es gibt unzählige Chancen diese auszubauen, es wird aber leider keine davon genutzt. Fünf Minuten vor dem Ende dann der Schock: Nach einem Standard-Freistoß patzt der Torwart. Nun steht es völlig unverdient 1:1. Die Stimmung ist direkt gedrückt, es wird aber weiter supportet. „Hapoel Katamon“ gibt jetzt noch einmal alles. Es gibt mehrere Aktionen nach vorne, doch die meisten enden so kläglich wie schon vor dem Ausgleich. Das Ende der Nachspielzeit ist schon längst erreicht als „Katamon“ noch einmal vor das Tor kommt. In einem unbeschreiblichen wilden Gebolze schaffen es vier Spieler gemeinsam das Leder irgendwie über die Linie zu schieben. Der Schiri pfeift das Spiel direkt ab. Der Traum von der ersten Liga lebt! Ein grandioser Jubel bricht los, der das Stadion wackeln lässt. Manchmal brennt die Hütte, egal wie viele Leute da sind.

Zurück geht es wieder mit Taxis. Nahe unserer Unterkunft essen wir noch schnell „Memulawach“. Eine jemenitische Speise, die ähnlich wie ein Wrap mit verschiedenen Gemüsesorten, Ei, Röstzwiebeln und verschiedenen Soßen gefüllt wird. Der Teig ist wie eine Mischung aus Pfannkuchen und Blätterteig. Was ein hammer Essen! Gesund und unglaublich lecker. Sowas ist wirklich eine tolle Alternative zu dem sonstigen Fast-Food-Fraß, kann das mal wer nach Deutschland holen?

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