Into the Unknown
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1001 Geschichte: Eine Stadt erzählt

Veröffentlicht: 29.10.2020

Konstantinopel, Byzantium, Kallipolis, die Menschen haben mir schon viele verschiedene Namen gegeben. Heute bin ich den meisten unter dem Namen Istanbul bekannt. Mich gibt es schon seit Jahrtausenden und ich habe schon viele Menschen kommen und gehen sehen. Von mächtigen Feldherren, wie Konstantin dem Großen und Sultan Mehmet bis hin zu den zahlreichen Kaufleuten, die früher mit Karawanen die Grenze von Europa nach Asien überschritten. Heute kommen sie in Bussen, auf Schiffen oder fliegen und manche von ihnen wollen gar keine Geschäfte abwickeln, sondern einfach nur reisen um des Reisens Willen. So habe ich schon Menschen aus den entferntesten Ecken der Welt beherbergt. Bei so vielen Leuten kann ich kaum auf jeden Reisenden achten. Manchmal jedoch gibt es jemanden, der meine Aufmerksamkeit weckt.

Was genau es war, das mich dazu brachte die beiden verschlafen Kreaturen wahrzunehmen, kann ich nicht sagen. Sie stolperten um 4:32 am großen Otogar (dem Busbahnhof) aus dem Bus. Ich war, wie immer um diese Zeit in einen leichten Schlummer gefallen, sind doch die Stunden von 3 bis 6 die einzig ruhigen, und erwachte auf einmal mit einem leichten Gefühl der Unruhe.

Die beiden Fremden, sie kleiner als er, schienen völlig orientierungslos zu sein. Sie trug eine grüne Tasche mit, wie ich schmunzelnd entdeckte, einem verpixelten Bild ihrer selbst. War dies eine neuartige Marketingstrategie? Ihr könnt mir glauben, damit kenne ich mich aus. Mein Name und Abbild zierte schon unzählige Tassen, Taschen und Postkarten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es zuweilen sogar auf Unterhosen zu sehen war.

Nach einer Weile verwirrten Suchens, entschlossen sich die beiden eines dieser Fahrzeuge zu buchen, die sie heutzutage Taxi nennen. Ich war gespannt, ob sie clever genug waren einen vernünftigen Preis zu zahlen oder ob der Fahrer sie übers Ohr hauen würde... Im Gewirr der Straßen verlor ich die beiden aus den Augen und wandte meine Aufmerksamkeit den vielen Fischen im Bosporus zu, unwissend, dass ich das Paar bald wiedersehen würde.

Es war wohl früher Mittag und ich war gerade dabei den Muezzinrufen zuzuhören, die alle zur selben Zeit von den Minaretten der Stadt ertönten. Früher machten sie das noch ohne Lautsprecher und standen wirklich oben auf den Türmen... Außerdem betrachtete ich meine Sophia, eines meiner schönsten Gebäude und dachte darüber nach, wie sich die Menschen aufregten über die Frage zu welcher Religion sie denn nun gehören sollte. Im einen Moment war sie eine Kirche, im nächsten eine Moschee, dann ein Museum und wieder eine Moschee. Wer sollte da noch mitkommen? Oh, und da sah ich die beiden wieder. Sie gingen hinein und schauten sich um. Sie schienen die Atmosphäre zu genießen und beobachteten die Kinder, die munter herumliefen. Sie setzten sich sogar hin, um die Architektur zu bewundern.

Danach gingen sie durch die enge Straßen zum Grand Bazar und ließen sich überreden Baklava zu kaufen und tranken - wie üblich - aus kleinen Gläschen Çay (so nennen die Einwohner hier den schwarzen Tee). Sie schienen das ganze Gewimmel auf den Straßen zu genießen und handelten sogar mit einem Gewürzhändler. In ihren Gesichtern konnte ich die Faszination des Unbekannten und den Entschluss, möglichst alle neuen Eindrücke aufzunehmen, erkennen.

Im Laufe der nächsten Tage sehe ich die beiden hin und wieder. Sie freunden sich mit einem Teppichverkäufer an und hören sich geduldig seine Erläuterungen über die alte Tradition des Teppichknüpfens an und wie manche davon als Satteltaschen für Pferde verwendet wurden. Auch spielen sie Schach in einer der vielen Teestuben. Während eines morgendlichen Spaziergangs zum Bosporus, lernt er mehr über Fotografie und sie fotografieren mich im Glanze der aufgehenden Sonne.

Nach und nach verliere ich die beiden aber aus den Augen. Wahrscheinlich reisen sie weiter und entdecken weitere Orte. Vielleicht das weit entfernte Meer oder die Berge von denen ich schon so viel gehört habe...


1001 stories: A city tells its tale

Constantinople, Byzantium, Kallipolis, people have given me various different names. Today I am widely known as Istanbul. I have been around for thousands of years and seen many come and go. From mighty emporers like Constantine the Great and Sultan Mehmed to the countless merchants. Once they arrived on foot or camel in large caravans, nowadays they have reverted to using ships, busses and planes. I have always harboured citizens from the most remote places and thus my streets are bustling with humans of various religions, skin colour and cultural background.

With so many lives present at every moment in my bounds I can hardly keep track of everyone entering and leaving. However, sometimes humans manage raising my interest.

I cannot say what exactly drew my attention to the two slightly ragged looking figures staggering sleepily out of the bus this morning at 4:32 at the Otogar (one the bus stations). I had, as usual, dosed off, as the hours between 3 and 6am are the only that permit some sort of rest, when I had a tinkling feeling and awoke. The two strangers, one taller than the other, seemed completely disoriented. The smaller of the two was carrying a green bag with, and I perceived that in mild surprise, a pixelated image of herself imprinted on it. Was this some new way of marketing? (I know much about these things, you must know, as my name and image decorate manifold bags, posters, postcards and I must admit even underpants.)

After a while of confused search, they decided to use one of the small vehicles they call taxis nowadays. Would they be clever enough to pay a reasonable price and not be outwitted by the taxi driver? No, they fell for it, as so many others before them. Disappointed I averted my attention to the fish lurking in Bosporus, not knowing that the couple would soon catch my eye again.

It was mid morning and I listened to the many muezzins calling at the same time. Years ago they did it without speakers standing on the minarets. I was looking at my Sophia, one of my most precious buildings, contemplating how much fuss humans make about which religion it should belong to. One moment it’s a museum, then a mosque, though originally Christians built it. Oh, and here these two people were again... entering and taking in the atmosphere. They observed children running around merrily and even sat down for a while to marvel at the architecture.

Afterwards they made their way through the narrow streets to the Grand Bazar and were talked into buying Baklava and have Çay. They looked as if they enjoyed the busy commotion and even attempted to haggle with a spice merchant. In their faces I could see the fascination of the unknown, the expectant glow and the will to take it all in.

During the next days they occasionally catch my eye again. For example they befriend a carpet merchant and listen attentively to his explanation about the ancient tradition of handmade carpets and rugs and how they were used as saddle bags for horses. The male learns more about photography during an early walk to the Bosporus to capture the sunrise in pictures.

Eventually I lose track of them and imagine they have traveled further, maybe to the faraway sea or the mountains I have heard so much about...

Antworten (1)

Gaby
Tolle Berichterstattung, aus einem ganz anderen Blickwinkel 😃🤗👍

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