Veröffentlicht: 26.05.2023
Das Schöne daran, wenn du jeden Tag im gleichen Bett aufwachst? Alles hat seinen Platz, alles läuft. Du musst nicht lange suchen, du kannst deinen Sachen trauen. Blöd nur, wenn du um 06:00 Uhr aufstehen und zum Flughafen musst, weil der Wecker wie üblich auf Vibration steht, dein Handy aber auf dem weichen Teppich liegt. Ich bin glücklich, denn ich habe auf meinen Bauch gehört und gestern Abend beim Hotel-Tablet einen zusätzlichen Wecker gestellt. Was ich sonst nie mache.
Ich bin ja nicht blöd, nein ich bin sogar lernfähig. Ich bin vorbereitet. Es geht in ein neues Land, diesmal habe ich mich vorher über mein Ziel Singapur schlau gemacht. Es ist erstaunlich, wie viel Hintergründe über die aktuelle Gesellschaft eines Landes gibt, wenn du dir die Geschichte aneignest. Und sei es auch nur ein "5 Minutes of History" Video. Auf dem Handy. Im Flieger. Nach Singapur. 😅
Singa bedeutet Löwe, Pura bedeutet Stadt. Die Löwenstadt, weil der gestrandete Prinz einen Löwen gesehen hat und dann eine Stadt dort gegründet hat. Später kamen die Britten, dann gab's eine Menge Einwanderung durch Chinesen und Inder. "5 Seconds of History".
Im Flugzeug bin ich ein Freund von Fensterplätzen. Ist meinem inneren Kind geschuldet, es liebt die Starts und Landungen. Aber diesmal gibt es keine Sonnenblenden. "Was bitte ist Scoot für eine Pappenheimer Airline?", schießt es mir durch den Kopf. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mein inneres Kind losschicke. Etwas Kreisförmiges befindet sich unterm Fenster. Es hat eine helle und dunkel Hälfte. Es lässt sich drücken. Es macht das Fenster dunkler! Woooow! Mein inneres Kind frohlockt.
Am Zielort angekommen gucke ich mir den Wasserfall im Flughafen an; Pflichtprogramm. Es haut mich nicht um. Es ist okay, aber nichts, für das ich Schlange stehen würde. Auf meiner Reise habe ich die wenigsten der ganz großen Attraktionen mitgenommen. Oftmals stelle ich fest, dass die gar nicht sooooo beeindruckend sind. Da malst du es dir im Kopf super fantastisch aus, greifst tief in den Erwartungsbeutel, und am Ende wird's dann doch anders.
Es ist wie mit der Analogie der Steine und dem Sand im Krug. Du kannst schon einige der großen Steine in diesen Krug reinpacken, irgendwann ist der Krug voll. Aber zwischen diesen Großen passen ganz viele kleine Kieselsteine, bis der Krug voll ist. Voll? Nein, da zwischen passt immer noch Sand, die kleinen Dinge im Alltag. Wie ein sich selbsttönendes Flugzeugfenster. 😅
Zynisch stelle fest, dass es seine Vorteile hat, wenn die Briten etwas kolonisiert haben: alles hier ist primär auf Englisch. Primär heißt entsprechend die erste von vier Sprachen. Die Beschriftungen sind oft in Englisch, Mandarin, Tamil und Malaiisch gehalten.
Singapur hat etwas von einem tropischen London mit besserem Essen. Die Straßennamen sind oftmals auf Englisch, es gibt unter anderem die "Lavender" oder "Kitchener" Street, oder auch "King George". Die Bürgersteigkanten haben auch das gleiche Aussehen, und hier fahren auch Doppeldecker herum.
Es ist schon irgendwie anders. Ich war zwei Monate umgeben von Sprachen, mit denen ich nicht im Geringsten etwas anfangen konnte. Egal ob gesprochen oder geschrieben. Und nun fühlt es sich utopisch an. Hier laufen Malaiser, Chinesen und Inder umher und sprechen auch untereinander auf Englisch. Auch wenn die Mehrheit Chinesen sind, so fühlt es sich sehr nach einem Gleichgewicht an.
Ich schalte die Navigation ins Hotel an und bekomme von Google Maps gesagt: "Hey, du kannst auch mit Google Pay per NFC zahlen!". Jetzt habe ich wirklich alles auf ein Mindestmaß reduziert, nämlich mein Handy. Keine Pendlerkarte, keine Bankkarte, einfach nur das Handy. Ich werde in ein paar Tagen abreisen, ohne jemals Bargeld abgehoben zu haben. Nein, nicht nur das. Ich stelle fest, dass ich in meiner Zeit nicht mal Bargeld gesehen habe. Selbst der Bus nimmt deine VISA Card. Wie auch in Korea und Japan hältst du beim Ticket Gate oder Buseingang deine Karte an den Scanner, das checked dich ein. Erst beim Ausstieg ist Zahltag. Zack. Zack. Erledigt.
Als ich den Bahnhof verlasse stelle ich ziemlich schnell fest: Yup, hier sind wir im Süden. 31 Grad und 63% Luftfeuchtigkeit. Willkommen am Äquator. Krass, dass ich hier ein paar Einheimisch in Pullis sehe.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es hier anstrengend ist, sich, vor allem in der Mittagshitze, aufzuhalten beziehungsweise durch die Gegend zu ziehen. Da ich gerade ein Drittel meines Körpergewichts mit mir rumschleppe, ist die Vorstellung ein Wunschdenken, denn mir läuft die Suppe.
Auf dem Weg zum Hotel komme ich an einer Kreuzung vorbei, wo ich plötzlich Applaus und lautes Anfeuern höre. Ich schaue mich um und entdecke eine Reling mit einigen Menschen, die nach unten schauen. Ich geselle mich dazu und schaue mit nach unten. Dort, zwei Stockwerke tiefer, findet ein öffentlicher Wettkampf statt. Eine Kampfschule lässt seine jungen Judokas gegeneinander antreten. Von hier oben hat es ein wenig Hahnenkampfflair. Auch ein wenig aus den Filmen, wo der Protagonist in Asien einen Raum mit einem Kampf zwischen zwei Kämpfern in einem Käfig sieht.
Japan liebt seine Automaten. Aber auch seine 100 Yen Münzen. Ich habe relativ selten dort Getränkeautomaten mit kontaktlosem Bezahlen. Hier hingegen hat jeder Getränkeautomat NFC-Bezahlen. Und nicht nur das, hier stehen O-Saft Automaten rum. Da der direkt um die Ecke vom Hotel ist, werde ich den definitiv mal ausprobieren.
Als ich die Lobby des Lyf betrete, sehe ich die Rezeption mit einem riesigen "Say Hi" da drüber. Ich checke ein und genieße es, mich endlich mal wieder mit jemanden im flüssigen Englisch unterhalten zu können.
Das Zimmer ist ganz okay. Ein recht großer Raum mit jeweils einer Kammer für die Dusche und die Toilette. Das Waschbecken befindet sich im Zimmer selbst. Mir fällt ein leichter Geruch nach Schimmel auf, es wird nicht das letzte Mal sein. Ich öffne die Tür der Dusche. Ich sehe keinen Schimmel, aber den Grund dafür: Eine ebenerdige Dusche, ohne Wanne. Das hier nach dem Duschen das Wasser nicht komplett abfließt, das wird wohl nicht nur in meinem Zimmer so sein. Es ist also nicht den Hazzle wert.
Mir ist beim Buchen des Zimmers über Booking gar nicht aufgefallen, dass das Zimmer gar kein TV hat. Die letzte Zeit habe ich mir die Freude am Sport wieder zurückgeholt, da wird mich das auch nicht davon abhalten. Dann muss ich halt beim Boxen besser hören als sehen. 🤣
Nach einer kurzen Dusche und ankommen ziehe ich los, Wasser holen. Ich werde davon einiges gebrauchen können. Beim Rauskommen stelle ich fest, dass ich in Little India gelandet bin. Das hätte ich mir auch so denken können. Menschen überwiegend Inder, es hat ein leicht schmutzigen Flair, obwohl kein Müll herumliegt und vor Tempeln liegen Schuhe paarweise verstreut herum. Aber ich sehe nicht nur, dass ich in Little India bin, ich rieche es auch. Hier und da begegne ich diesem distinktivem Geruch nach... indischen Leuten. Nicht übermäßig, aber vorhanden.
Ich gehe einkaufen und denke mir: "Joah, hier ist es wirklich teuer." Egal ob Wasser, Essen, oder Milch. Ein Liter Milch kostet hier 2 €, und das ist noch günstig. Auch die Tatsache, dass du nur zu bestimmten Zeiten Alkohol erhältst, ist irgendwie .... ungewohnt. Konkret bekommst du Samstag und Sonntag zwischen 19:00 und 09:00 Uhr kein Alkohol. Und an einem Feiertag. Und am Vorabend des Feiertags. Asien - hier haben Läden auch am Feiertag geöffnet.
Abends zieht mich irgendwas noch mal raus, in einen kleinen Park. Leicht irritiert stelle ich fest, dass es hier relativ schnell dunkel wird. Bis es mir einleuchtend, dass ich ja am Äquator bin. Die Sonnenuntergangszeiten werden sich hier nicht großartig ändern, auch nicht in drei Monaten. Es ist 21:00, es sind immer noch 29°C, kühler wird's vermutlich nicht. Ich lege mich auf eine steinerne Bank, die leichte Brise macht's erträglich, fast schon angenehm. Ich lausche dem Zirpen der Grillen und einem entfernten Jazzmusiker, mein entspannter Soundtrack des Abends; ich lasse den Tag Revue passieren.
Die Stadt ist nicht per se schlecht, von dem wenigen, was ich gesehen habe. Aber sie lädt mich nicht zum Wiederkommen ein. Als Europäer kommst du definitiv nicht des Klimas wegen.