Ich bin dann mal weg
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Paraguay

Veröffentlicht: 14.06.2023

Im Jahr 2018 traf ich auf einer Reise durch Bolivien unweit der Grenze zu Paraguay einen Backpacker aus Israel, der zuvor sechs Wochen lang durch Paraguay reiste. Auf meine Frage, was er denn so lange in Paraguay gemacht habe, antwortete er: "The attraction of Paraguay is Paraguay!" Im ganzen Land gebe es keine großartigen Sehenswürdigkeiten, doch genau deshalb könnte man hier noch ein Stück authentisches Südamerika erleben. Mit dieser Erwartungshaltung reiste ich also in dieses Land!

Wie ich bereits am Ende meines letzten Beitrags geschrieben habe, fuhr ich am 1.5. nachmittags mit einem Linienbus von Foz Iguazú an den Rio Paraná zur paraguayischen Grenze. Nachdem ich mir meinen brasilianischen Ausreisestempel abgeholt hatte, überquerte ich zu Fuß den Fluss nach Ciudad del Este, um nach Paraguay einzureisen. Dort wechselte ich meine restlichen brasilianischen Reales in paraguayische Guaraní um. Um Verwirrungen zu vermeiden: Außer für die Währung steht der Begriff Guaraní für den Großteil der indigenen Bevölkerung in Paraguay, aber auch im grenznahen Argentinien und Brasilien. Außerdem wird die zweite Amtssprache Paraguays neben Spanisch ebenfalls Guaraní genannt, Spanisch ist also hier für viele Menschen nur Zweitsprache.  Mit dem Motorrad-Taxi gelangte ich zu meinem Hostel, wo ich mein Zimmer bezog. Fast alle Geschäfte und Restaurants waren wegen des Feiertags (Tag der Arbeit) geschlossen, doch schließlich fand ich ein offenes Restaurant, wo ich einen Teller Nudeln aß. Leider war seit diesem Nachmittag das Wetter schlecht und es sah für die folgenden Tage nicht besser aus. Am nächsten Tag regnete es vormittags, doch nachmittags war es zumindest nur noch stark bewölkt und ich besuchte die Monday-Wasserfälle, die größten Wasserfälle des Landes. Von dichtem Grün umgeben erinnern sie an die Iguazú-Wasserfälle, nur eben kleiner und weniger spektakulär. Wenn ich sie bei Sonnenschein und vor allem vor den Iguazú-Wasserfällen besucht hätte, hätten sie mir sicherlich noch deutlich besser gefallen. In der Nähe befindet sich eine Aufzucht-Station für Aras, die dann freigelassen werden. Neben Vögeln sah ich in der Nähe der Wasserfälle außerdem zwei Landschildkröten. Ciudad del Este hat als Stadt leider nichts zu bieten. Viele Argentinier und Brasilianer kaufen dort ein, technische Geräte wie Fernseher, Computer usw. sind hier deutlich billiger. Es gibt mehrere riesige Einkaufszentren.

Am 3.5. verließ ich Ciudad del Este und fuhr mit dem Bus in etwas mehr als fünf Stunden nach Encarnación, am Rio Paraná gelegen, genau gegenüber von Posadas in Argentinien, wo ich eine Woche zuvor noch war. Die Stadt ist eigentlich recht schön, doch auch hier regnete es. Am 4.5. war es etwas trockener und so machte ich einen Ausflug zu zwei weiteren Jesuitenmissionen der Guaraní, ich hatte ja in Argentinien von Posadas aus schon zwei besucht. Mit dem Bus gelangte ich nach Trinidad, wo ich mir die beeindruckenden Ruinen der im 18. Jahrhundert zerstörten Anlage anschaute. Per Anhalter ging es anschließend in den kleinen Ort Jesús, wo ebenfalls Ruinen der Jesuiten zu besichtigen sind. Leider fehlte an diesem Tag die Sonne, deshalb wurden meine Fotos bei weitem nicht so schön wie die der argentinischen Missionen. Zurück in Encarnación fand ich ein deutsches Restaurant! Das ist in Paraguay nichts besonderes, da sieben Prozent der Bevölkerung deutschstämmig sind. Wenn ich hier nur in einem normalen Urlaub gewesen wäre, hätte ich die deutsche Küche ignoriert, doch nach über zehn Monaten war das etwas anderes und ich ließ mir Gulasch mit Bratkartoffeln schmecken. Leider kamen in den vergangenen drei Jahren auch ein paar Tausend Corona-Leugner, Reichsbürger usw. von Deutschland nach Paraguay. Warum ausgerechnet nach Paraguay? Neben den deutschen Restaurants, den deutschen Lebensmitteln usw. aufgrund der deutschen Herkunft vieler Paraguayer war der wichtigste Grund dafür sicherlich, dass es lange Zeit in Paraguay kaum Corona-Regeln gab und dass auch Ungeimpfte einreisen konnten. Dazu kommt, dass es relativ einfach ist, als Ausländer in Paraguay dauerhaft bleiben zu dürfen. 

Am 5.5. fuhr ich schließlich mit dem Bus nach Asunción, die Hauptstadt Paraguays, wo ich mir die kommenden beiden Tage bei durchwachsenem Wetter die Stadt anschaute. Asunción hat durchaus schöne Ecken und es gibt ein paar sehenswerte kleine Museen. In einer deutschen Bäckerei gab es Apfelstrudel zu kaufen, der wirklich sehr gut war. Am ersten Abend aß ich in einem Restaurant namens "Brauhaus" Schweinebraten mit Semmelknödel! Der Besitzer des Restaurants ist vor 20 Jahren von Deutschland nach Paraguay ausgewandert. Am Nachbartisch unterhielten sich ein paar Leute auf Deutsch, ich bekam nur ein paar Gesprächsfetzen mit, doch das war schon genug! Deutschland würde sich selbst abschaffen durch die "Islamisierung"! Merkel, die die Flüchtlinge ins Land gelassen hat, müsste man erschießen, genauso wie Scholz! Die einzige, die Deutschland retten könnte, wäre Alice Weidel als nächste Bundeskanzlerin. Kurz habe ich mir überlegt, ob ich mich ins Gespräch einmischen sollte, doch das hätte sowieso nichts gebracht. Ab diesem Zeitpunkt habe ich in Paraguay, wenn ich gefragt wurde, woher ich komme, immer betont, dass ich ein Tourist aus Deutschland bin und nicht einer von denen bin, die die letzten Jahre aus Deutschland nach Paraguay ausgewandert sind. 

Am 8.5. verließ ich Asunción mit kleinem Gepäck vorläufig und fuhr in drei Stunden ins Städtchen Villarrica, wo es einen schönen Park mit Wasserschweinen (Capybaras), einige Kolonialhäuser und zwei sehenswerte Kirchen gibt. Das Wetter war jetzt deutlich besser. Dort blieb ich zwei Nächte und fuhr anschließend über das nette Städtchen Eusebio Ayala in die Stadt Caacupé, deren einzige Attraktion die moderne Kathedrale ist. Der Besitzer meiner Unterkunft war deutschsprachig, ein Mennonit, ein Angehöriger einer protestantischen Glaubensgemeinschaft, die seit einigen Jahrzehnten teilweise in Paraguay lebt. Während er in Caacupé einer der ganz wenigen Mennoniten ist, gibt es anderswo in Paraguay richtige Mennoniten-Kolonien und ich wurde neugierig und beschloss, eine davon zu besuchen. Dabei musste ich zurück nach Asunción und besichtigte auf dem Rückweg ein interessantes Museum über paraguayische Mythen und das Städtchen Areguá am Ypacaraí-See mit den grandiosen Gesteinsformationen des Cerro Koi. Von Asunción, wo ich eine Nacht in meinem alten Hostel blieb, fuhr ich dann in zehn Stunden in die Gegend des Gran Chaco, eine Gegend zwischen Asunción und der Grenze nach Bolivien, die teils aus Feuchtgebieten und teils aus unwirtlichen Steppen besteht. Menschen leben hier kaum. Dort jedoch befindet sich eine Gruppe kleiner Ortschaften, die Namen wie Osterwick, Blumengart, Kleefeld und sogar Karlsruhe haben und die zusammen die Mennoniten-Kolonie Fernheim bilden. Im Hauptort Filadelfia blieb ich die nächsten beiden Tage. Zur Erklärung: Die Glaubensgemeinschaft der Mennoniten entstand während der Zeit der Refomation in Norddeutschland und den heutigen Niederlanden. Von den Lutheranern unterschieden sie sich anfangs vor allem dadurch, dass sie die Taufe von Säuglingen und Kleinkindern ablehnten. Jeder sollte sich bewusst für die Taufe entscheiden! Außerdem verweigerten sie jede Art von Militärdienst. Als sie in ihrer Heimat verfolgt wurden, zogen sie nach Preußen, wo sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lebten. Als sich dort ihre Situation verschlechterte, zogen die meisten von ihnen nach Russland, wo sie bis in die 1920er-Jahre lebten, bis sie von Stalin verfolgt wurden und Tausende von ihnen ums Leben kamen. Die meisten flüchteten daraufhin in die USA, aber einige eben auch nach Paraguay, wo sie bis heute Sonderrechte genießen: Schulen in deutscher Sprache, Befreiung vom Militärdienst und die Reglementierung des Verkaufs von Alkohol sind einige Beispiele. Beim Besuch mehrerer kleiner Museen erfuhr ich viel über die Geschichte der Mennoniten und deren Leben. Heutzutage sind alle Mennoniten in Paraguay mit Deutsch und Spanisch zweisprachig und deren Lebensstandard ist deutlich höher als der Durchschnitt in Paraguay. Ehen schließen Mennoniten grundsätzlich nur untereinander, wodurch sie sich auch optisch von der ursprünglichen Bevölkerung unterscheiden. Am zweiten Tag mietete ich mir ein Fahrrad, die Frau, die mir das Rad zur Verfügung stellte, hieß Frau Wohlgemut und die Dame, die mir das Tor zu einem Naturschutzgebiet aufsperrte, hieß Frau Krause. Das Deutsch, das diese Menschen sprechen, unterscheidet sich von unserer Sprache sowohl im Klang als auch im Wortschatz. Ein Mann, der mich durch eines der Museen führte, erzählte mir von seinen Großkindern, gemeint waren seine Enkel!

Nach zwei Tagen verließ ich Filadelfia mit dem Nachtbus und kam am frühen Morgen des 15.5. wieder in Asunción an, wo ich die letzten beiden Tage in Paraguay  verbrachte. Endlich konnte ich Fotos von Asuncion bei gutem Wetter machen. Am Morgen des 17.5. fuhr ich mit dem Taxi zum Flughafen um von dort aus nach Kolumbien zu fliegen. 

Paraguay ist ein sehr interessantes Land mit sehr netten Menschen ohne eine nennenswerte touristische Infrastruktur. Einerseits gibt es dadurch auch kaum Touristen, andererseits braucht man für Touren in abgelegene Gebiete einen privaten Führer, was die Sache unheimlich teuer macht. Daher musste ich auf Ausflüge in den Dschungel leider verzichten. Die Anzahl der Sehenswürdigkeiten kultureller Art hält sich sicherlich in Grenzen, doch das Land verfügt über viel unberührte Natur. Es bleibt zu hoffen, dass das auch so bleibt, auch wenn in Zukunft vielleicht doch etwas mehr Touristen dieses gastfreundliche Land besuchen!

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