hin-und-weg
hin-und-weg
vakantio.de/hin-und-weg

Kolumbien - hin und weg

Veröffentlicht: 03.01.2019

Mit Kolumbien hat die letzte Etappe unserer Reise begonnen, die wir in Lateinamerika verbringen werden – eine Etappe, auf die ich mich einerseits sehr gefreut habe, weil ich immer schon die Pyramiden der Mayas und der anderen alten Indigena-Völker sehen wollte, vor der ich mich aber auch gefürchtet habe: denn erstens ist hier (ganz im Gegensatz zu unseren bisherigen Zielen) Kriminalität und Gewalt alltäglich und zweitens können wir beide kein Spanisch (und viele Lateinamerikaner und -innen kein Englisch), sodass ich uns vor meinem geistigen Auge schon weinend an einem staubigen Straßenrand stehen gesehen habe, ratlos, wie wir jemals an unser Ziel gelangen sollen.

Dass wir dann gerade Kolumbien zum Einstieg gewählt haben, scheint angesichts meiner Ängste eigenartig, denn bis vor etwa zwei Jahren sind nur überaus abenteuerlustige Menschen auf die Idee gekommen, hierher zu reisen, war doch das Land von blutigen Kämpfen zwischen den offiziellen Sicherheitskräften, der Guerilla, den Paramilitärs und diversen Drogenkartellen beherrscht. Und man kommt in Kolumbien ums Busfahren nicht herum, und zwar in entlegene Gebiete, wo sicher niemand Englisch kann.

Die wichtigsten Guerillagruppen haben ihre Waffen abgegeben, Medellín ist vom Drogenzentrum zur Partystadt geworden, und die Regierung sorgt mehr und mehr für Stabilität, auch wenn sie immer wieder im Verdacht steht, mit Paramilitärs zusammenzuarbeiten. Und da die anderswo in Lateinamerika ubiquitäre Straßenkriminalität hier deutlich weniger stark ausgeprägt ist, kann man in Kolumbien derzeit sicherer reisen als in vielen anderen Ländern des Kontinents – sofern man nicht in jene Regionen fährt, die der Staat noch immer nicht im Griff hat. Dort, wo er Herr der Lage ist, merkt man noch immer, wie neu der Frieden ist. Soldaten mit automatischen Waffen und schusssicheren Westen sind ständig und überall präsent.

Auch wenn man mit den Leuten spricht, wird die neue Sicherheit meist sehr rasch angesprochen. Wie neu sie ist, hat man sehr gut in Tierradentro gemerkt, das in einem vom Stamm der Nasa bewohnten Reservat liegt. Die Indigenas haben einen bewundernswert unblutigen Weg gefunden, sich gegen die bis vor einigen Jahren dort herrschende FARC sowie die Paramilitärs zu wehren: einerseits mit „Truppen“, die einzig mit Stöcken bewaffnet waren, andererseits im Fall von Entführungen, indem sie sich in großen Gruppen (manchmal mit mehreren hundert Menschen) so lange auf die Suche nach den Opfern begeben haben, bis sie sie gefunden und natürlich kampflos befreit haben. 2013 hat die Guerilla dann ihre Missbilligung zum Ausdruck gebracht, indem sie zuerst die Kirche aus dem 18. Jahrhundert abfackelte und wenige Monate später mitten auf den Hauptplatz des Dorfes eine Landmine platzierte. Die Kirche steht seit kurzem wieder in voller Pracht, worauf die so freundlichen Nasa sichtlich stolz sind.

Die kolumbianischen Busse und die Kommunikation mit Händen, Füßen und Spanischbrocken funktionieren so gut, dass wir kein einziges Mal weinend am Straßenrand gelandet sind. Ganz im Gegenteil haben wir das Reisen hier sehr angenehm empfunden. Natürlich haben uns die vier Orte, die wir besucht haben, nur eine Ahnung von diesem riesigen Land gegeben, aber uns seine Vielfalt trotzdem nahe gebracht: Tunja, kalt und windig, von seiner Höhenlage und den umliegenden Bergen beherrscht, ist ein verschlafenes Provinzstädtchen. San Agustín mit seinen tollen Statuen hat schon von seinem Status als Weltkulturerbe zu profitieren begonnen und ist Ziel einer im Ort durchaus sichtbaren Menge von Besuchern und -innen (vor allem aus Kolumbien selbst, aber auch aus dem Ausland), die sich von dem auch dort kühlen Bergklima nicht abschrecken lassen. In das entlegene und gebirgige, aber wärmere Tierradentro, ebenfalls Weltkulturerbe, verschlägt es bis dato an manchen Tagen nicht einmal eine Handvoll Interessierter; die herzliche Gastfreundschaft der Nasa entschädigt für die weite und beschwerliche Anreise.

Und dann gibt es noch die wirklich wunderschöne Kolonialstadt Cartagena, die am Meer liegt und nach den anderen drei Erfahrungen irgendwie wie von einem anderen Planeten ist: Hier kommen Menschen her, die keinen Fuß in den Rest Kolumbiens (außer vielleicht nach Medellín) setzen würden: Schicke Boutiquen, teure (und allzu oft schlechte) Restaurants, Souvenirläden machen die Stadt „just so normal“ für uns westliche Reisende, wie das eine junge US-Amerikanerin in unserem netten Quartier (Casa Italia – la padrona è italiana) ausdrückte. Für Kolumbianer und -innen ist zumindest das bezaubernde Zentum dieser Stadt wohl alles andere als normal, dann schon mehr die armen Viertel, die man vom Flugzeug aus erahnen kann.Inhalt

Antworten

#kolumbien#tunja#san