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Halbzeit (!) und der Versuch einer Annäherung an Angkor

Veröffentlicht: 03.12.2018

Ich werde ihn strikt subjektiv anlegen, meinen Bericht über unsere vielen Tage in Angkor - und hoffentlich beschwingt (durch Wein und  Whisky, mit denen wir eben bei der Geburtstagsfeier unserer Homestay-Wirtin gefüttert wurden, in die wir unversehens hineingeraten sind - wir gehören schon zur Familie, kann ich Euch sagen) - und einfach meine Lieblinge unter den Tempeln vorstellen, ohne sie zu reihen (vorerst zumindest noch nicht).

Angkor Wat ist in seiner Perfektion und Monumentalität einzigartig. Der größte Sakralbau der Welt aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts wirkt nicht wuchtig (erdrückt eine/n also nicht), sondern elegant und ein bisschen abweisend. Hier passt fast alles: zB die Proportionen, der großzügige Freiraum zwischen den einzelnen Gebäudeteilen, die geniale Lösung für den Anstieg über die Terrassen, die Qualität der Bas-Reliefs. Nur die Ausgestaltung der Tympana über den Toren hat uns nicht überzeugt. Wir werden vier Besuche gebraucht haben, um ihn zu bewältigen (heute folgt der letzte).

Der Bayon ist der großartigste Fehlschlag, den man sich nur vorstellen kann. Der Versuch, etwas völlig Neuartiges zu schaffen, ist jenem König, der in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Vielzahl der bedeutenden Bauten in Angkor beauftragt hat, zweifellos gelungen. Ein Tempel, der mit unzähligen Türmen ausgestattet ist, auf denen rund 200 riesige Gesichter freundlich in alle vier Himmelsrichtungen schauen. Der Effekt ist unglaublich - und trotzdem ist das Gebäude irgendwie eine Missgeburt, viel zu eng und unübersichtlich. Ich mag ihn, Roby unkt. 

Keine Missgeburten sind die Tore, die dieser König für seine Hauptstadt bauen ließ und die mit den gleichen riesigen Gesichtern geschmückt sind. Ein Spaß sind auch die großen Brücken vor diesen Toren, die von überlebensgroßen Figuren gesäumt sind: auf der einen Seite von finster blickenden Dämonen, auf der anderen von milde lächelnden Göttern. Der Effekt ist absolut großartig.

Unübertroffen elegant ist der Bakong in Roluos (rd. 15 km von Angkor), wo die Khmer für kurze Zeit ihre Hauptstadt hatten. Er stammt aus dem 9. Jhdt. Er besteht aus einer Sandstein-Pyramide, auf der ein eleganter Tempelturm thront, umgeben einerseits von 12 Mini-Türmen auf der obersten Etage und andererseits von mehreren überaus hübschen Ziegeltürmen mit feinen Stuckverzierungen im Erdgeschoß (sie erinnern an ihre Vorgänger im fernen Sambor Prei Kuk). Vor den vier Treppenaufgängen hält jeweils ein Stier Wacht, Nandi sein Name, wie wir seit Indien wissen.

Quasi das Gegenprogramm ist der ungeschlachte Ta Keo, tatsächlich ein Rohbau, der niemals fertiggestellt wurde. Auch er folgt jenem Tempeltyp, der grundsätzlich wie eine Pyramide aussieht, auf der  kleinere Türme stehen - hier sind es 5 Stück. Alles ist unfertig, aber der Aufstieg und noch mehr der Abstieg über die erschreckend steilen Treppen hatte eine eigene Qualität. Roby blieb unten und meinte, beim Raufklettern habe ich noch einigermaßen sportlich gewirkt, beim Runtersteigen dann eher so, als hätte ich die Hosen gestrichen voll (was der Wahrheit entsprach). 

Klein, aber fein ist der einzige Wassertempel hier. Der Neak Pean hat uns an unsere geliebten Bosquets im Garten von Versailles erinnert, jene großen Brunnenanlagen, die versteckt im Grün liegen und so schöne Wasserspiele produzieren können. Ein friedlicher und überaus charmanter Platz auf einer Insel in einem jener riesigen Wasserreservoirs (das größte hat 8 km Länge), die die alten Khmer überall hinterlassen haben.

Sogar hier, in einem Auge des internationalen Tourismustaifuns, haben wir einen Minor Sight von großer Qualität gefunden. Abseits von allem anderen, nur nach mehrmaligem Nachfragen (durch unseren Tuktuk-Fahrer) und nach einem Ein-Kilometer-Spaziergang durch das wilde Gelände erreichbar, liegen einige in den Felsen gehauene, große, wunderschöne Reliefs aus dem 11. Jahrhundert mit hinduistischen Motiven: Peung Kom Nuo. Ein Highlight, das niemand kennt - möge es so bleiben, damit die netten Kinder dort sich weiter freuen, wenn einmal in allen heiligen Zeiten Besucher und -innen den Weg zu ihnen finden.

Er wird der Tempel der Damen genannt, ist aber der Liebling der Herren (zB Robys), der Banteay Srei aus dem 10. Jahrhundert. Er ist vergleichsweise klein, hat aber alles, was ein Khmertempel so braucht, und noch vieles mehr. Er folgt nicht dem Pyramidentyp, sondern dem anderen hier weit verbreiteten Schema, bei dem alles ebenerdig liegt und das Heiligtum von mehreren, recht eng aufeinander folgenden Mauerringen umgeben ist. Die üppigen Steinverzierungen des Banteay Srei sind unfassbar gut erhalten, perfekt schön, und ihre hohe Qualität wurde in der Khmerzeit nie mehr übertroffen. Dass die Gebäude im innersten Mauerring von würdigen Affen- und Löwenstatuen bewacht werden, macht das ganze Ensemble noch einmal netter, ebenso wie die wunderschöne Farbe des Steins. Ein Schmuckkästchen - und das ist irgendwie mein (kleines) Problem: Wie immer bei Bauwerken mit Schmuckkästchencharakter wäre es mir lieber, wenn sie ein bisschen größer wären.


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