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Tag 59-67: Das Ende der High Sierras

Veröffentlicht: 13.06.2022

Tag 59: Dieser Zero war definitiv geprägt von Overeating. Beim Frühstück im Nicely's kann ich zum ersten Mal auf dem Trail meinen Teller nicht aufessen, obwohl ich schon ein etwas kleineres Frühstück gewählt habe. Nach dem Frühstück geht es dann zur Tankstelle mit dem Woah Nellie Deli, von wo aus wir zurück zum Trail hitchen. Direkt das erste Auto hält. Es ist ein vollbesetzter Kombi, trotzdem nehmen sie mich, Warrior, Ninja und Gumby mit, indem wir uns in die Fußräume setzen. Es sind Soldaten, die im Yosemite Park wandern wollen. Auch sie sind schwer beeindruckt vom PCT und es ist eine gute Fahrt. Als wir zur Grenze des National Park kommen gibt es aber ein Problem. Um in den Park zu dürfen, muss man tagsüber reservieren und das haben unsere Fahrer nicht. Also lassen sie uns raus und suchen sich eine Alternative, nachdem wir ein Foto zusammen gemacht haben. Wir dürfen mit unseren Permits in den Park und werden von den Rangern nicht mal kontrolliert. Wir sehen wohl offensichtlich genug nach PCT Hikern aus. Da es noch acht Meilen zum Trailhead sind, versuchen wir uns direkt hinter der Einlasskontrolle wieder als Anhalter. Und wieder haben wir Glück. Wieder ist es das erste Auto, das uns mitnimmt. Diesmal sitzen wir zu viert auf der Rückbank. Wir werden mitgenommen von zwei älteren Damen, die am Montag den John-Muir-Trail beginnen. Der JMT ist ein Trail durch die Sierras, mit dem sich der PCT recht lange überschneidet. Die beiden Frauen sind Klasse. Sie freuen sich darüber, dass wir den PCT laufen, darüber, dass wir aus Europa und Australien kommen und überhaupt über alles. Auch mit ihnen machen wir ein Foto, als wir den Trailhead erreichen. Und während wir da stehen kommt Metrics den Trail entlang, der ja nach Mammoth gegangen war. Normalerweise gibt es hier am Trailhead einen kleinen Store, von dem wir wissen, dass er nicht geöffnet hat, aber Metrics will sein Glück versuchen.

Da wir nicht wissen, wie lange die anderen noch brauchen werden, laufen wir langsam los. Kurz nach unserem Start kommen wir zu den Soda Springs. Dabei handelt es sich um stark mineralhaltige und kohlensäurehaltige Quellen. Warum das Wasser Kohlensäure enthält weiß keiner, aber man sieht es aus dem Boden blubbern. Schmecken tut es aber nicht, es schmeckt stark nach Eisen. Im Verlauf des Tages beginnt mein Schienbein leider immer stärker zu schmerzen und ich werde immer langsamer. Außerdem ist es der erste Regentag. Gegen 14 Uhr fängt es an zu nieseln und hört auch nicht mehr auf. Doch die Landschaft ist wieder einmal toll. Es geht durch Kiefernwälder und Felslandschaften und vorbei an den Tuolumne Falls.

Kurz bevor wir das Camp erreichen haben wir dann noch zwei Flüsse zu queren, die ich mit meinem Schienbein nicht trockenen Fußes schaffe. Bei der zweiten rutsche ich auf einem glatten Stein aus und mein rechter Arm und mein rechtes Bein werden nass. Warrior trifft es noch schlimmer, sie landet noch mehr im Wasser. Als wir das Camp erreichen bauen wir so schnell wie möglich unsere Zelte im Regen auf und verbringen den Abend in den Zelten. Aber trotz des Regens und der unsauberen Flussquerung war es ein guter Tag. Solch widrige Tage gehören einfach dazu. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist mein Bein. Ich bin froh, dass ich den zusätzlichen Tag Essen geplant habe. So brauche ich pro Tag nur 14,5 Meilen laufen und schaffe es trotzdem problemlos nach Kennedy Meadows North. Wenn möglich überzeuge ich die anderen davon, ab morgen zumindest nicht mehr auf mich zu warten. Entweder ich tauche auf, oder nicht, aber dass alle sechs ständig auf mich warten ist sinnlos und ich habe ja entsprechend geplant und mich vorbreitet.

Tag 60: Gute Neuigkeiten, meine Isomatte ist endlich wieder komplett repariert und ich habe sehr gut geschlafen. Nicht so toll ist, dass es schon von Anfang an regnet. Nachdem ich alles gepackt habe, was ich im Zelt packen kann und es gerade wieder stärker regnet, gönne ich mir meinen Complete Cookie im Zelt. Complete Cookies sind das beste Frühstück, dass ich mir auf einem Trail vorstellen kann. Und da es in VVR keine gab, musste ich eine ganze Weile darauf verzichten. Nachdem der Regen dann nachlässt, bauen wir die Zelte ab und laufen los. Im Regen geht es hinauf auf Benson Pass. Der Aufstieg ist recht einfach und auf dem Pass finden wir ein Wind und Regen geschütztes Plätzchen und es schlägt Pop Tartes o'clock. 

Der Abstieg vom Pass ist dann nicht mehr so einfach. Durch den Regen ist es wieder schwer, den Trail zu erkennen. Außerdem ist der Abstieg steil, was mit meinem Schienbein schwierig ist. Und immer wieder gibt es Schneefelder zu überqueren. Da es in der Nacht keine Minusgrade hatte ist der Schnee sehr weich. Das ist einerseits gut, wenn man ausrutscht kommt man nicht so sehr ins Rutschen und verletzt sich weniger. Andererseits rutscht man deshalb wesentlich öfter aus. Die anderen sind inzwischen deutlich vor mir und ich bin allein unterwegs. Als ich wieder einmal auf den Trail zurück komme, nachdem ich ihn verloren hatte, trete ich mit meinem linken Bein auf einen Felsen, um von diesem etwas mehr als einen Meter weiter auf den Trail abzusteigen. Der Stein ist überraschend glatt und mit meinem verletzen Bein kann ich das Gleichgewicht nicht halten. Ich rutsche aus, knalle mit dem linken Oberschenkel auf den Felsen und rolle nach rechts ab und stürze auf den Trail. Ich sammle mich kurz und stehe auf. Zum Glück ist weder mir noch meiner Ausrüstung etwas passiert. Ich laufe langsam weiter. Inzwischen ist es 12 Uhr und ich weiß, dass die anderen wahrscheinlich demnächst Mittagspause machen werden. Wenn ich aber weiter kommen will, habe ich keine Zeit für Pausen, daher beschließe ich, weiter zu laufen und mir mit Snacks zu behelfen. 

Die anderen holen mich dann kurz vor Benson Lake wieder ein. Hier haben wir eine spektakuläre Flussüberquerung vor uns. Selbst an der seichtesten Stelle ist das Wasser mindestens bis über die Hüfte tief. Wir finden eine Stelle, die etwa 12 Meter breit ist. Ein Baumstamm führt bis zur Hälfte, dort ist er mit anderen verhakt, sodass der mittlere Teil etwas unter Wasser ist. Wir balancieren also über die Stämme und bekommen nur nasse Füße, die schon lange durchnässt sind. So überqueren alle heil den Fluss. Nach wie vor regnet es. Nachdem wir den Fluss überquert haben biegen wir versehentlich falsch ab und stehen kurze Zeit später am Benson Lake, den wir eigentlich passiert hätten. Wir drehen also um und laufen zurück. Als nächstes geht es hinauf auf den Seavey Pass. Die Szenerie ist toll, denn es ist neblig und durch den Regen wirkt die Landschaft noch rauer und wilder. Es geht vorbei an einigen Bergseen. Beim Aufstieg überhole ich Warrior. Sie braucht zum Aufbau ihres Zeltes zwei Trekkingpoles, allerdings ist einer von ihren kaputt gegangen. Daher leiht sie sich im Moment meinen. Den Abstieg machen wir gemeinsam. Der ist wieder steil und es geht über viele Schneefelder, daher kommen wir nur langsam voran. Und eine der bisher gefährlichsten Abschnitte liegt vor uns. Wir folgen dem reißenden Rancheria Creek auf steilen Schneefeldern, die teilweise bis zum Wasser hinab reichen. 

Als wir diesen Abschnitt endlich geschafft haben und um 17:15 einen Zeltplatz erreichen, entscheiden wir uns, es für heute gut sein zu lassen. Soweit wir wissen wollen die anderen zu einer Campsite 4,2 Meilen weiter. Das würde mit meinem Bein wahrscheinlich mindestens zwei Stunden dauern und ich habe seit der Frühstückspause meinen Rucksack nicht mehr abgenommen. Ich bin also sehr froh, dass auch Warrior nicht weiter möchte. Ich schreibe Ninja eine Nachricht und wir bauen unsere Zelte auf. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und ab und zu scheint sogar die Sonne durch. Wir essen zusammen zu Abend und haben eine gute Zeit. Nach einiger Zeit bekomme ich eine Nachricht von Ninja. Die anderen sind auch nur noch 1,7 Meilen weiter gelaufen, aber wir haben keine Lust, jetzt nochmal zusammen zu packen und aufzuschließen. Der Tag heute war für mich bisher einer der härtesten auf dem Trail. Mein Bein, die Bedingungen und das Wetter haben mir doch sehr viel abverlangt und ich bin sehr froh, dass Warrior bei mir ist und wir morgen zusammen hiken können.

Tag 61: Als ich aus dem Zelt steige, sehe ich blauen Himmel. Meine Laune steigt sofort. Warrior und ich laufen um 6 Uhr los. Nach kurzem bekomme ich eine Nachricht von Ninja, die anderen würden um 06:30 starten. Ich antworte ihr, dass wir sie dann wohl zum Frühstück sehen würden. Tatsächlich treffen wir sie aber schon deutlich früher, nämlich beim ersten Rivercrossing, das etwas knifflig war. Davon kommen heute noch ein paar mehr, aber entweder durch Rock-Hopping oder Balancenummern auf Baumstämmen können wir alle mehr oder weniger trocken meistern. 

Beim Frühstück nutzen wir dann die Sonne, um unsere Sachen zu trocknen. Nach zweieinhalb Tagen regen ist es schön, alles wieder trocken zu haben. Nach dem Frühstück beginnt dann mein Schienbein wieder zu schmerzen und ich werde sehr langsam. Wieder beschließe ich, die Mittagspause ausfallen zu lassen. Ich bin extrem frustriert von der Situation. Normalerweise wäre heute ein Tag gewesen, an dem ich recht schnell hätte sein können. Stattdessen komme ich kaum vom Fleck. Als die anderen mich nach ihrer Mittagspause einer nach dem anderen überholen, ist mir zum Heulen zumute. Durch den Regen führen alle Bäche sehr viel Wasser und die Wiesen sind aufgeweicht, sodass wir oft durch Wasser und Schlamm waten, aber das interessiert mich schon nicht mehr.

Die Einzige, die beim Aufstieg zum Dorothy Lake Pass, über den wir den Yosemite National Park verlassen, hinter mir bleibt, ist Warrior. Sie holt mich beim Abstieg ein und wir suchen uns gemeinsam unseren Weg über ein paar Schneefelder. Inzwischen ist es schon kurz vor 18 Uhr. Wir sind bei Meile 998,9 an einer Campsite. Da wir aber sicher sind, dass die anderen bei Meile 1000 auf uns warten und bald darauf campen, gehen wir weiter. So ist es dann auch. Allerdings ist meine Laune so im Keller, dass ich mich nicht richtig darüber freuen kann und mir ein Lächeln für die Fotos aufzwinge. 

Wir campen dann bei Meile 1001. Zu Abend esse ich wie gestern zusätzlich zum Abendessen auch das verpasste Mittagessen. Morgen erreichen wir dann nach 16 Meilen Kennedy Meadows North. Hier kann ich meinen Bearcan zurück senden und hier her habe ich meine neuen Trekkingpoles bestellt. Ich hoffe, dass sich durch das reduzierte Gewicht und die bessere Entlastung mit zwei Poles dann mein Schienbein endlich bessert.

Tag 62: Sobald ich morgens zusammen gepackt habe, laufe ich als erster los. Trotzdem dauert es nicht lange, bis die anderen mich einholen. Doch dann habe ich Glück, der Großteil des Trails verläuft heute bergauf, wodurch ich die anderen wieder einhole und mithalten kann. Seit wir Dorothy Lake Pass überquert haben, hat sich die Landschaft wieder massiv verändert. Die Berge sind kahler und weniger felsig. Die Aussichten sind wieder toll. Wir folgen wieder Berghängen und überqueren viele lange Schneefelder, die aber mit den Microspikes gut zu schaffen sind. 

Der Abstieg zu Sonora Pass hält dann eine knifflige Stelle bereit. Es geht einen steilen Hang hinab, der von einer dünnen Schotterschicht überzogen ist, sodass man extrem leicht abrutschen kann. Danach schließt sich direkt ein steiles und eisiges Schneefeld an. Wir sind insgesamt 10 Hiker an dieser Stelle. Butterfly hat bereits den Großteil des Schotterfelds geschafft, kommt dann aber nicht mehr weiter und bekommt Hilfe von einem anderen Hiker. Wegen dem losen Schotter können wir nur einer nach dem anderen den Abstieg machen, um keinen Steinschlag auszulösen, der jemanden treffen könnte. So macht einer nach dem anderen den Abstieg. Ich bin als letzter an der Reihe. Als einziger klettere ich das Geröllfeld rückwärts und unter Zuhilfenahme der Hände hinab, dadurch habe ich aber keine Probleme und muss sagen, dass für mich diese Passage recht weit unten rangiert, was Gefährlichkeit angeht. Aber gerade die Einschätzung solcher Situationen ist sehr individuell und ich verstehe die Angst der anderen absolut. Das Schneefeld ist dann zum Glück nicht so ein großes Problem, wie es zunächst schien, da der Schnee recht bald slushy wird. 

Von Sonora Pass hitchen wir dann nach Kennedy Meadows North. Butterfly wird von ihren Eltern mitgenommen, die sie hier treffen und die Getränke, ein wenig Resupplie und Brownies für uns alle dabei haben. Leider haben sie aber nicht mehr Platz im Auto. Ninja und Hasbeen waren früher an der Straße und haben bereits einen Hitch bekommen. Warrior und Gumby bekommen den nächsten nach etwa zehn Minuten. Sorry und ich haben weniger Glück und brauchen etwa eineinhalb Stunden. In der Zeit unterhalten wir uns mit Pickels und Coach, die kurz nach uns an der Straße eintreffen. Der Fahrer der uns am Ende mitnimmt ist ein netter Pensionär, der selbst 2015 und 2016 den PCT gehiket ist. Kennedy Meadows North ist ehrlich gesagt kein so toller Aufenthalt. Das WiFi ist so langsam, dass man es kaum nutzen kann um Nachrichten zu schreiben und man wartet Ewigkeiten auf sein Essen. Aber ich bin den Bear Can los und habe meine neuen Poles. Außerdem sind natürlich wieder endlos viele andere Hiker da. Ich sehe eine Hikerin, die ihr Frettchen dabei hat, und das über den ganzen Trail. Beim Abendessen erzählt uns Michael aus der Schweiz, der im selben Zimmer wie Warrior und ich schlafen, eine beinahe unglaubliche Geschichte. Einige Tage vorher, an einem der Regentage, war er mit ihr nachmittags bei einem Rivercrossing. Das Wasser war so hoch, dass sie schwimmen mussten. Auf der anderen Seite war ein anderer Hiker. Also rief sie ihm zu, ob sie ihm ihr "Ferret" zuwerfen könne. Der Hiker ging davon aus, es handle sich um irgendeine Art Ausrüstung und meinte noch, dass es ein sehr weiter Wurf wäre, aber sie es natürlich versuchen könne. Und so warf sie tatsächlich das Frettchen über den Fluss. Allerdings nicht weit genug, aber es landete wohl in ein paar Ästen und Zweigen am Flussufer, wo der Hiker es dann einsammelte. Als ich das Frettchen gesehen habe schien es ihm gut zu gehen, aber ich weiß auch nicht, wie sich traumatisierte Frettchen verhalten. Ich denke, alle Hiker auf dem PCT, mich eingeschlossen, müssen ein wenig verrückt sein. Aber selbst unter ihnen findet man dann noch die besonders Verrückten. Jedenfalls hat das Frettchen seitdem einen Trailname: Flying Ferret. Und beinahe hätte ich es vergessen, heute vor zwei Monaten habe ich den Trail begonnen. Inzwischen habe ich kein wirkliches Zeitgefühl mehr, es kommt mir viel länger und viel kürzer zugleich vor.

Tag 63: Das Frühstück ist tatsächlich sehr gut. Danach hängen wir noch ein wenig rum, bis wir mit dem 10 Uhr Shuttle zurück zum Trail fahren. Ich brauche ein wenig, um mich wieder an das Hiken mit zwei Trekkingpoles zu gewöhnen. Außerdem ist die Gewichtsverteilung meines Rucksacks ohne den Bearcan wieder deutlich anders. Aber es ist schön, dass er wieder spürbar leichter ist. Heute sind vor allem zu Beginn wieder viele Schneefelder zu überqueren und der Schnee ist slushy. Ich schaffe es tatsächlich, mir auf meinen eigenen Fuß zu stechen. Ich setze meinen rechten Trekkingpole und mache einen Schritt mit rechts. Der Schnee unter meinem Fuß gibt nach und ich posthole unter meinen Pole. Dabei verlagere ich mehr Gewicht auf den Pole, der daraufhin auch durch den Schnee bricht und auf meinem Schuh landet. Zum Glück passiert nichts, aber wie lächerlich wäre die Geschichte des Hikers, der den Trail abbrechen musste, weil er sich seinen Fuß zerstochen hat. Insgesamt ist heute aber ein sehr guter Tag, mein Schienbein macht überraschend wenig Schwierigkeiten und ich muss mich nach der Mittagspause zurückhalten, um nicht zu schnell zu hiken. Das werde ich auch in den nächste zweieinhalb Tagen nach South Lake Tahoe machen, aber jetzt gerade bin ich sehr optimistisch, dass es besser wird und ich ohne längere Auszeit weiterwandern kann.

Tag 64: Mein Körper findet immer neue Wege, mir zu sagen, dass er hasst, was ich hier tue. In Kennedy Meadows North habe ich mir einen Husten eingefangen. Wahrscheinlich bei einem anderen Hiker, denn ich habe mitbekommen, dass einige erzählten, krank zu sein und in meinem Zimmer lag einer, der viel gehustet hat. Über den Tag war es nicht schlimm, ab und zu husten und kurz vor dem Camp haben meine Augen wie verrückt getränt. Aber jetzt im Schlafsack geht meine Nase komplett zu. Ich hoffe, dass ich schlafen kann. Ansonsten war der Tag heute sehr gut. Da wir aus den High Sierras raus sind und es dadurch weniger gefährliche Situationen gibt, teilen wir uns wieder mehr auf. Sorry schläft aus, da er sich nicht fit fühlt, Hasbeen und Ninja laufen die 22 Meilen zum nächsten Camp durch, Butterfly startet später und ich laufe mit Warrior und Gumby. Ich bin super glücklich, dass mein Schienbein inzwischen so gut ist, dass ich mit den beiden mithalten kann. Und seit längerem machen wir mal wieder 10 before 10 und frühstücken dann. 

Was heute nervig und anstrengend ist sind die vielen slushy Schneefelder. Der Schnee ist nicht einmal besonders szenisch, er ist einfach nur ein Hindernis und ich habe nicht mitgezählt, wie oft ich ausgerutscht und hingefallen bin. Nach dem Frühstück geht es jedenfalls hoch zum Saddle above Noble Lake. Danach ändert sich die Landschaft erneut drastisch und erinnert fast wieder an den Wüstenteil der ersten 700 Meilen. Der Abstieg vom Saddle ist dann auch sehr spaßig, es geht über enge Serpentinen hinab, die an eine Achterbahn erinnern. Später kreuzen wir dann den Highway 4 und treffen auf seit ich weiß nicht wann auf Trailmagic. Es gibt Limonaden und Snacks. Das ist wieder einmal sehr willkommen, vor allem da man in den Sierras nicht mit Trailmagic rechnet. Der Rest des Tages verläuft wie üblich, Ankunft im Camp, Zelt aufbauen, essen, einige Sachen für Morgen vorbereiten und in meinem Fall Blog schreiben und noch ein wenig Podcast hören. Morgen können wir zum Glück ausschlafen und starten erst um 7 Uhr, zumindest Warrior, Gumby und ich. Denn nach 20 Meilen kommt ein 6 Meilen langer Abschnitt, in dem man nicht campen darf. Die anderen wollen die 26 Meilen laufen, um übermorgen eine kürzere Strecke in die Stadt zu haben. Aber ich möchte meinem Bein diese Strecke noch nicht zumuten und bin daher sehr froh, dass die anderen beiden es auch ruhiger angehen lassen möchten. In die Stadt kommen wir übermorgen trotzdem, nur später.

Tag 65: Ich habe besser geschlafen, als ich erwartet habe. Und der Trail ist angenehmer als die letzten Tage, vor allem gibt es weniger Schneefelder. Ich kann gut mit Warrior und Gumby mithalten. Trotzdem macht sich irgendwann der Husten bemerkbar und obwohl es tatsächlich sehr warm ist, spüre ich eine Hitze, die nicht von außen kommt. Die ersten zehn Meilen legen wir aber recht schnell zurück, um halb 11 machen wir Frühstück. Da wir schon die Hälfte der Strecke für heute geschafft haben, beschließen wir, in der Mittagspause baden zu gehen im knapp sieben Meilen entfernten Lost Lake. Auf dem Weg laufen wir an "The Nipple" vorbei, einem Gipfel der aussieht wie, naja, ein Nippel. 

The Nipple

Ich weiß nicht, ob es die beste Idee war, aber zumindest kurz gehe auch ich in den See. Das Wasser ist zwar kalt, aber nicht so kalt, wie ich erwartet habe und danach ist es sehr entspannend, ein wenig in der Sonne zu dösen. Der letzte Abschnitt zum Camp, kurz vor dem Carson Pass, nachdem wir nicht mehr campen dürfen, ist dann nochmal von ein paar Schneefeldern geprägt. Beim Abendessen sprechen wir dann über die einsetzende Gruppendynamik, immer mehr Meilen immer schneller machen zu wollen. Tatsächlich ist das eine Entwicklung, die mir vor allem mit meiner Verletzung und Krankheit aufgefallen ist und die ich nicht gut finde. Ich werde abwarten, wie es sich weiterentwickelt, aber im Moment bin ich mir nicht sicher, ob die Gruppe noch lange zusammen bleibt. Die letzten beiden Tage waren jedenfalls wenn es ums Hiken geht mal wieder richtig schön. Die letzten Tage vorher, mit Shin Splints und Erkältung, die ich ja auch noch habe, waren mental unheimlich kräftezehrend und ich hatte über weite Teile des Tages keine Lust mehr am Wandern. Vor allem nicht über weitere zwei Monate. Ans Abbrechen habe ich in der Zeit zwar noch nicht gedacht, aber ich bin froh, dass ich wieder mehr Spaß am hiken habe und hoffe, dass wenn ich die Erkältung überstanden habe, alles wieder beim Alten ist.

Tag 66: Meine Erkältung wird langsam besser, seit heute kann ich wieder riechen und schmecken, und meine Shin Splints sind fast komplett verschwunden. Bald sollte ich wieder auf der Höhe sein. Der Trail ist heute sehr schön, der Aufstieg zum Carson Pass schnell geschafft und abgesehen von ein paar Schneefeldern gibt es keine Hindernisse. Als wir zum Highway 50 kommen, von wo aus wir nach South Lake Tahoe hitchen wollen, treffen wir auf ein junges Paar mit sieben Monate altem Baby, die Trailmagic bereithalten. Es gibt Gatorade, Bier und Snacks. Es stellt sich heraus, dass es sich um Hundies Bruder mit Frau und Kind handelt. Hundie ist eine Hikerin, die wir immer wieder getroffen haben und die gestern hier durchgekommen ist. Während wir da sind kommt noch ein Trailrunnerpärchen mit einem sehr süßen Hund vorbei. Gerade als ich mein zweites Bier ausgetrunken habe kommt ein Trailangel namens Chipmunk vorbei und fragt, ob jemand einen Hitch braucht. Er könne aber nur vier Leute mitnehmen. Neben Warrior, Gumby und mir ist nur noch Queen of Hearts da, also passt das perfekt. Das ist mit Abstand die beste Hitchhikingerfahrung bisher. Chipmunk fährt mit uns einmal durch die ganze Stadt, um uns alles zu zeigen und lässt uns beim Outfitter raus. Hier besorge ich mir dringend benötigte neue Schuhe. 

Drittes Paar 

Danach bringt uns Chipmunk auch noch zum Motel 6, wo die anderen bereits Zimmer haben. Hasbeen ist heute morgen angekommen, die anderen drei sogar schon gestern Abend. Wir drei gehen erstmal zu einem Griechen in der Nähe. Das Essen ist unfassbar gut und die Bedienung super. Danach stehen wieder die üblichen Aktivitäten an, Duschen und Waschen. Morgen legen wir einen Zero ein, also können wir uns den Resupplie für morgen aufheben. Tatsächlich steht ein kleiner Umbruch bevor. Gumby hat kein B2 Visum bekommen, da er keinen Interviewtermin bekommen hat und ist daher nur mit einem ESTA für 90 Tage in den USA. Da er nur noch etwa drei Wochen hat kommt morgen seine Freundin hier an und die beiden werden zunächst hier hiken gehen und dann noch eine Zeit in Kanada verbringen. Das heißt wir lernen morgen seine Freundin kennen, worauf ich sehr gespannt bin und wahrscheinlich hiken wir auch zumindest einen Tag zusammen. Aber dann heißt es Abschied nehmen, was definitiv eine traurige Angelegenheit wird.

Tag 67: Heute Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen. Zum einen sind Hasbeen und Waterbaby erst später aus dem Casino zurückgekommen und dann hat Hasbeen unglaublich geschnarcht. Und wann immer ich wach wurde hatte ich einen starken Hustenreiz, den ich aber nach Möglichkeit unterdrücken wollte, um die anderen nicht zu stören. Ansonsten standen heute wieder die üblichen Zeroaktivitäten an. Beim Mittagessen kam dann Gumbys Freundin dazu. Sie hat sich soweit sehr schnell in die Gruppe eingefunden und soweit ich das bisher sagen kann mag ich sie. Ich freue mich darauf, ein paar Tage mit ihr zu wandern. Am Nachmittag gehe ich nochmal zum Outfitter und ringe mich endlich, nachdem ich mindestens 500 Meilen darüber nachgedacht habe, dazu durch, mir einen Sunhoodie zu kaufen. Die sind inzwischen in auf dem Trail und sehr praktisch und der Hoodie wird mein Hemd ersetzen. Er ist leichter, atmungsaktiver und vor allem schützt er den Nacken besser, denn selbst mit mehrmaligem eincremen mit Sonnencreme habe ich ständig einen verbrannten Nacken. Und jetzt, wo es wieder in wärmere und sonnigere Gefilde geht, ist das eine gute Wahl. Denn nachdem wir Lake Tahoe erreicht haben liegen die Sierras aus Hikersicht offiziell hinter uns. Ab morgen bewegen wir uns in Northern California. Nach dem Abendessen machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Nevada, ein paar hundert Meter die Straße runter. Und direkt hinter der Stateline gibt es natürlich Casinos, in die ich kurz reinschaue. Aber ich kann der Versuchung zu spielen widerstehen und ich gehe mit Sorry, Ninja und Butterfly bald zurück ins Hostel, um mich diese Nacht hoffentlich auszuschlafen.


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