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Tag 48-58: Ein Pass nach dem anderen

Veröffentlicht: 04.06.2022

Tag 48: Auch heute sind wir wieder durch einen Pass limitiert. Wenn wir die 7,5 Meilen Detour über Kearsage Pass wiederholt haben und zurück auf dem PCT sind, können wir noch maximal 1,5 Meilen machen, dann kommen wir zu Glen Pass, den wir wieder am Morgen überqueren müssen. Daher lassen wir uns Zeit, schlafen aus und gehen frühstücken. Noch immer bin ich sehr angetan von amerikanischem Frühstück. Danach machen einige von uns ein paar letzte Besorgungen und wir packen. Diesmal ist mein Rucksack noch etwas schwerer, da wir essen für sechs einhalb bis sieben Tage brauchen. Das passt nicht alles in den Bearcan, deshalb kommt da das besonders stark riechende Essen rein, der Rest bleibt im Rucksack, den man möglichst nahe bei sich behält. In der Regel greift ein Bär keinen Menschen an, um an Essen zu kommen. Diesmal wiegt mein Rucksack beim Aufbruch 15kg ohne Wasser, allerdings brauche ich auch nie mehr als einen Liter zu tragen. Gegen 10:20 beginnen wir zu hitchen. Nach etwa einer halben Stunde bekommen Butterfly, Sorry, Hasbeen und Ninja den ersten nach Independence. 20 Minuten später werden Warrior, Gumby und ich von zwei jungen Amerikanerinnen mitgenommen, die zum Wandern und Skifahren in Mammoth waren. Die beiden haben noch nie vom PCT gehört und sind beeindruckt. Außerdem ist die eine wohl etwas typisch kalifornisch Welt-vergessen. So will sie zum Beispiel wissen, ob wir in Europa denn auch amerikanische Musik und Künstler kennen und hören würden. Aber beide sind sehr nett und mir reicht es schon, dass sie uns mitnehmen. In Independence angekommen treffen wir Hasbeen und Ninja wieder, Sorry und Butterfly haben schon den nächsten Hitch zum Trailhead bekommen. Nach ein paar Minuten hält eine Frau und nimmt die beiden mit. Und noch ein paar Minuten später hält eine Frau, die auf dem Weg zum Trailhead ist, um andere Hiker abzuholen. Für je 10 Dollar nimmt sie uns mit, die wir gerne bezahlen. Am Ende brauchen wir gerade einmal zwei Stunden, um von Bishop zurück zum Trailhead zu gelangen. Ich habe, da es unter der Woche ist, tatsächlich mit etwas sehr viel schlimmerem gerechnet. Wir hiken also wieder hinauf zu Kearsage Pass, rasten dort und laufen dann gemütlich weiter zum Camp. Solange die Sonne scheint ist es angenehm warm und wir haben genug Zeit zum Abendessen. Nachdem die Sonne dann aber hinter den umliegenden Bergen untergegangen ist, wird es schnell kälter und wir begeben uns bald in unsere Schlafsäcke. Während mir die Höhe an sich wenig ausmacht, komme ich mit den schnellen Höhenwechseln weniger gut zurecht. Auch heute war ich, nachdem wir zurück in den Bergen waren, wieder müde und hatte leichte Kopfschmerzen. Interessanterweise nicht während dem Laufen, aber bei den Pausen und im Camp. Ich habe auch keinen Appetit gehabt und nur gegessen, weil ich weiß, dass ich essen muss. Inzwischen geht es mir aber deutlich besser und ich nehme an, dass ich mich über Nacht wieder angepasst haben werde und morgen keine Probleme mehr haben sollte.

Tag 49: Wir starten etwas später als sonst, da wir auch heute wieder durch einen Pass limitiert sind. Der Weg hinauf zu Glen Pass ist nicht zu schwierig und schnell geschafft.

Glen Pass

Unterwegs beobachte ich eine Maus, die längere Zeit direkt neben dem Trail sitzt und sich von uns nicht stören lässt. Beim Abstieg vom Pass kommen seit Mount San Jacinto zum ersten Mal die Microspikes wieder zum Einsatz. Es geht über einigermaßen steile Schneefelder.

Microspikes

Obwohl es noch recht früh am Morgen ist, sinke ich einmal mit dem linken Bein bis zur Hüfte in den Schnee. Trotzdem ist der Abstieg nicht zu schwierig und einen kleinen Abhang können wir wiederum runterrutschen. Danach führt der Weg an einigen wunderschönen Bergseen vorbei. Am ersten, Rae Lake, schlägt es Pop Tartes o'clock. Nach den Seen folgen wir dem South Fork Woods Creek, einem teilweise recht starken Gebirgsbach. Durch das viele Schmelzwasser wird der Trail selbst teilweise zu einem Bach. Den Fluss überqueren wir mehrmals. Ein Crossing ist nicht ganz einfach. Es geht von Stein zu Stein, über einen Baumstamm, zum nächsten Stein, auf eine Insel im Fluss, wieder auf einen Stein und ans andere Ufer. Der Fluss tost um mich herum, dennoch bemerke ich, dass ich bereits deutlich sicherer geworden bin. Ich erreiche das andere Ufer und werde in Zukunft darauf achten, nicht übermütig zu werden und die Crossings trotz der gewonnenen Sicherheit ernst zu nehmen. Nach der Mittagspause erreichen wir endlich den 800 Meilen Marker. Die letzten 100 Meilen haben sich ganz schön gezogen, allerdings haben wir in ihnen auch Mount Whitney bestiegen und waren in Bishop mit den Detouren. 

Wir kommen heute auch nur noch vier Meilen weiter, denn dann nähern wir uns Pinchot Pass, den wir wiederum am Morgen überqueren müssen. Diese vier Meilen sind aber sehr schön. Zunächst geht es am imposanten Woods Creek entlang, der hier ins Tal rauscht. Später überqueren wir ihn und es ist das erste Crossing, das nicht trockenen Fußes gemacht werden kann. Danach geht es weiter den Berg hinauf und durch Schmelzwasser führt der Trail teilweise durch kleine Tümpel, die aber leicht umgangen werden können. Direkt neben unserer Campsite ist noch so ein Schmelzwassertümpel. Das klare Wasser ist überraschend warm und so nehmen wir vor dem Abendessen ein angenehmes Bad. Ein schöner Abschluss des Tages.

Tag 50: Früh überqueren wir heute Pinchot Pass. Zunächst sind einige Schneefelder zu überqueren und wieder muss viel mit GPS navigiert werden. Der Aufstieg selbst ist dann nicht sonderlich lange und man steht ziemlich überraschend auf dem Pass. Die Aussicht ist hervorragend und zu beiden Seiten gibt es nur vereiste Seen und schneebedeckte Berge. 

Pinchot Pass

Auch der Abstieg ist einfach und schnell erledigt. Der restliche Tag ist von Rivercrossings geprägt. Da unsere Füße zwangsläufig nass werden, bemühen wir uns gar nicht erst, trockenen Fußes eine Überquerung zu machen. Die herausfordernste Überquerung ist eine des South Fork Kings River, dem wir heute folgen und den wir mehrmals überqueren. Einmal reicht das Wasser dabei bis zu den Oberschenkeln. Aber alle Überquerungen sind gut machbar. Auch heute können wir nicht mehr als 10,5 Meilen machen, dann sind wir am Fuße des Mather Pass. Dieser gilt als einer der, wenn nicht sogar als der schwerste Pass auf dem PCT. Erst letztes Jahr ist hier ein Hiker abgestürzt und ums Leben gekommen. Da wir unser Nachtlager bereits um 12 Uhr erreichen und Butterfly, Sorry und ich nicht den ganzen Tag rumhängen wollen, beschließen wir, zu versuchen, Split Mountain zu besteigen, einen Berg, den Butterfly letztes Jahr bestiegen hat und zwar von der selben Stelle, an der wir auch campen. 

Es führt kein Trail hinauf, wir müssen uns also selbst unseren Weg suchen. Immer wieder müssen wir Schneefelder queren und da es bereits Mittag ist, ist der Schnee weich und wir müssen viel Post-holen. Oft sinke ich bis zum Oberschenkel ein. Unfair ist, dass Sorry und ich oft Butterflys Fußspuren folgen, doch wo sie über den Schnee laufen konnte, sinken wir ein. Wir sind ganz offensichtlich schwerer als sie. Irgendwann kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir es zeitlich nicht zum Gipfel und zurück schaffen werden. Wir besteigen daher einen vorgelagerten Kamm und genießen die Aussicht dort. Obwohl wir es nicht zum Gipfel geschafft hat der Trip sich absolut gelohnt und hat riesigen Spaß gemacht. Manchmal muss man einfach einsehen, wenn man aufgeben muss, vor allem in den Bergen. Ich ärgere mich kein bisschen über den verpassten Gipfel. 

Dumb-Side-Trip-Adventure-Bois

Zurück im Camp ist es bald Zeit fürs Abendessen. Es ist schon wieder windig und wir müssen aufpassen, dass nichts verloren geht. Ich esse heute meine erste "Ramen-Bomb". Man kocht eine Portion Ramen und gibt dann Kartoffelpüreepulver dazu, bis eine cremige Konsistenz entsteht. Außerdem gebe ich noch Bacon und Käse dazu. Das Ergebnis ist tatsächlich überraschend lecker und wird wohl öfter auf dem Speiseplan landen. Durch den Wind geht es dann nach dem Essen schnell wieder in die Schlafsäcke. Ärgerlicherweise hat meine neue Isomatte schon wieder ein Loch. Vielleicht durch einen Stein, den ich zum Beschweren verwendet habe, damit sie nicht fortgeweht wird. Aber ich vermute, dass ein kleiner Stein darunter geweht wurde, der mir jetzt ein Loch gemacht hat. Ich hoffe, dass ich morgen die Gelegenheit habe, danach zu suchen und sie dann auch reparieren kann. Heute Nacht zumindest werde ich wieder einige Male pusten müssen.

Tag 51: Als ich aufwache ist, genau wie letzte Nacht, mein Schlafsack und meine Ausrüstung von Reif und Eis bedeckt. Cowboycampen hat eben nicht nur Vorteile. Wir beginnen unseren Aufstieg zum Mather Pass. Mit Microspikes geht es hinauf. Der Aufstieg ist sicher nicht ungefährlich, da es bei einem Sturz steil bergab geht, aber er ist nicht schwierig und nach einer guten Stunde haben wir es geschafft. Die Stimmung auf dem Pass unter uns und den anderen Hikern ist ausgelassen, denken wir doch, wir hätten das schlimmste überstanden. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass der Abstieg seinen Tribut fordern würde.

Mather Pass

Diesen beginnen wir nach einer kleinen Verschnaufpause und ein paar Snacks. Da es zunächst über Geröll geht habe ich meine Microspikes ausgezogen. Und auch für das erste Schneefeld ziehe ich sie nicht an, da es klar ausgetretene Fußspuren gibt und der Schnee hart und griffig ist. Ich komme an eine Stelle, an der es eine alte Spur zum glicaden gibt. Da keine Steine zu sehen sind und die Spur flach ausläuft, entscheide ich mich, sie zu nutzen. Als ich mich oben in die Spur setze, auf einen kleinen Stein, und nach meinen Microspikes greifen will, um diese anzuziehen und besser bremsen zu können, rutsche ich mit einem Bein ab und plötzlich und unvorbereitet rausche ich den Abhang hinab. Als ich wieder stehen bleibe, fallen meine beiden Wasserflaschen aus meinem Rucksack und rollen etwas weiter, bis sie von ein paar Felsen aufgehalten werden. Ich wurde, da ich nicht richtig bremsen konnte, viel schneller als erwartet. Ich bemerke Blut an meiner rechten Hand. Ich habe mir die obere Hautschicht der Fingeroberseite abgeschürft. Das sieht übel aus und blutet, tut aber überraschenderweise nicht weh. Was weh tut ist, dass einer meiner Trekkingpoles zerbrochen und der andere verbogen ist. Ich ziehe meine Microspikes an, hole meine Flaschen, biege den einen Pole so zurecht, dass ich ihn weiter nutzen kann und sammle die Bruchstücke des anderen ein. Dann geht es erstmal weiter. 

Die anderen haben einen etwas anderen Weg genommen und sind erschrocken, als sie meine Hand sehen. Ich versichere ihnen, dass alles in Ordnung ist und wir gehen weiter. Kurz darauf kommen wir an einen steilen Abhang mit nur schwach ausgetretenen Spuren im Schnee. Als Hasbeen ohne Spikes hinüber will, rutscht er ab, kann aber nach wenigen Metern anhalten. Als ich schon hinüber und etwas weiter bin, höre ich Gumby rufen. Er steht in der Mitte des Abhangs und kommt weder vor noch zurück. Auch er trägt keine Spikes. Sorry ist am nächsten und will zurück, um ihm zu helfen. Ich drehe mich kurz nach vorne, höre einen Schrei und als ich mich zurückdrehe, kann ich von meiner Position nur Gumbys Rucksack sehen, der schnell den Berg hinabrutscht. Geschockt und mit dem schlimmsten rechnend laufe ich so schnell ich kann zurück. Da sehe ich Gumby auf der anderen Seite und deutlich tiefer im Geröll sitzen. Irgendwie hat er es geschafft, abzuhalten und zur Seite zu kommen. Der Schock ist ihm deutlich anzusehen. Diese Situation hätte ganz anders ausgehen können und Gumby sagt später selbst, dass er überzeugt war, dass es das war. Nach diesem Schock beenden wir den ersten Abstieg bis zum letzten der Palisade Lakes und frühstücken. Außerdem verarzte ich mit Ninjas Hilfe meine Hand mit antiseptischer Salbe und antiseptischen Pflastern. Sie tut nach wie vor nicht weh, aber es nervt, dass ich sie nicht mehr richtig bewegen kann, da Ninja einige Gelenke umkleben muss. Das wird mich wohl noch einige Tage beschäftigen. 

Wir haben Mather Pass also geschafft, aber es ist definitiv keine reine Panikmache, was man von ihm hört. Der Rest des Tages ist der Trail so schön wie bisher noch nicht. Zunächst geht es in engen Serpentinen hinab ins schmale Tal des Palisade Creek. Diesem folgen wir. Es ist bewaldet und wird von hohen Bergen eingerahmt. Ab und zu sind kleine Bäche und Flüsse zu überqueren, aber nichts wildes, ein wenig Rock-Hopping und balancieren über Baumstämme. Der Pass ist bald schon fast vergessen. 

Später beginnt dann der Aufstieg entlang des Middle Fork Kings River, der uns morgen früh zum Muir Pass führen wird. Die Landschaft bleibt unverändert atemberaubend. Nach einer Flussüberquerung zwei Meilen vor unserem wahrscheinlichen Camp bleiben Warrior und ich zurück, um auf Metrics zu warten, während die anderen voraus gehen. Metrics ist ein Engländer, den wir vor einer Weile kennengelernt haben und der seit unserer Rückkehr auf den Trail nach Bishop mit uns unterwegs ist. Es ist schön, Mal wieder etwas Zeit mit Warrior zu verbringen. Nachdem Metrics aufgeschlossen hat stoßen wir zu den anderen. Die Campsite ist eine der schönsten, die wir bisher hatten. Bald ist es Zeit fürs Abendessen. Ich bewundere Gumby, der die Erlebnisse des Tages scheinbar gut überwunden hat und bester Laune ist. An sich war es wieder ein super Trailtag. Aber ich ärgere mich über mich selbst, dass ich meine Trekkingpoles so unnötigerweise kaputt gemacht habe. An dem Glicade war nichts auszusetzen und ich habe mich keiner Gefahr ausgesetzt, mich schwer zu verletzen und am Ende war auch einfach Pech dabei. Aber notwendig war er eben auch nicht. Und da ich die Poles vor ein paar Jahren von Freunden geschenkt bekommen habe, schmerzt es mich, dass ich mich bald von ihnen trennen muss. Es war ein gutes Gefühl, sie bei mir zu haben.

Tag 52: Um nicht wieder alsm enschliches Eis am Stiel aufzuwachen, haben wir letzte Nacht die Zelte aufgebaut. Das war eine gute Entscheidung, denn am frühen Morgen fängt es an zu winden. Und gerade als wir fertig sind mit packen fängt es an zu schneien. Wir machen uns an den Aufstieg des Muir Pass. 

Kurz nach dem Start kommen wir an einen kleinen Fluss. Ich weiß nicht warum aber gestern und heute sind nicht meine Tage. Während ich den zweiten Schritt zum nächsten Stein mache, kommt eine Böe. Nicht stark, aber genug, um mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich mache einen Schritt ins Wasser und muss mich mit dem rechten Arm im Wasser abstützen, wobei auch mein rechtes Hosenbein teilweise nass wird. Ich stehe auf, gehe ans andere Ufer und ziehe schnell meine nasse Daunenjacke aus. Stattdessen ziehe ich meine Regenjacke und -hose an, dann geht es weiter. Kalt wird mir zum Glück nicht und mein Hemd und die Hose trocknen während des Aufstiegs. Dieser ist eine tolle Abwechslung. Sowohl der Aufstieg als auch der Abstieg zum Muir Pass ist nicht sehr steil, aber man wandert über Meilen durch eine Schneelandschaft mit zugefrorenen Seen. Und mit Microspikes ist es zwar trotzdem anstrengend auf dem Schnee zu laufen, aber man kommt schnell voran. Auf dem Pass ist eine kleine Nothütte, in der es überraschend warm ist und in der wir frühstücken. 

Muir Pass

Während des Abstiegs wird der Schnee langsam weich und langsam beginnt das Post-holing. Mehrmals sinke ich plötzlich bis zu den Knien oder Oberschenkeln ein. Zweimal muss ich mich nach vorne abstützen, wobei mein Bearcan, der ganz oben in meinem Rucksack ist, gegen meinen Hinterkopf knallt. Dann folgen wir dem Evolution Creek durch sein Tal, welches genauso spektakulär ist wie das des Palisade Creeks gestern. Bei der Mittagspause bemerke ich, dass ich mein Sitzkissen verloren habe. Ich habe keine Idee, wann das passiert ist. Wirklich schlimm ist es aber auch nicht, da ich ja inzwischen Warriors Yogamatte habe. 

Nach der Mittagspause kommen wir dann zum größten Rivercrossing des PCT. In Hochschneejahren muss man hier sogar schwimmen. Uns reicht das Wasser gerade einmal bis zu den Knien. Ein Zeichen dafür, wie wenig Schnee dieses Jahr liegt. 

Wir haben heute 24 Meilen geschafft, unser bisher längster Tag in den Sierras. Es ist ein gutes Gefühl, gestern und heute mal wieder richtig Strecke gemacht zu haben. Wir campen in einer Campsite mit vielen anderen Hikern. Die Zeltplätze sind verteilt in niedrigem Strauchwerk, daher liegen wir recht weit auseinander. Wir essen zusammen zu Abend. Monarch hat uns von einem AT-Hiker erzählt, der wohl regelmäßig butterfried Pop-Tarts gegessen hat und laut eigener Aussage auf dem Trail sogar zugenommen hat. Ich habe zwar nicht genug Butter, um tatsächlich zu fritieren, aber ich habe zwei Päckchen und eine Packung Pop-Tarts zu viel. Daher nutze ich die Gelegenheit und schwenke die Pop-Tarts in der Butter. Im Endeffekt mache ich etwas ungesundes noch ungesünder, aber das Ergebnis ist wirklich lecker und mir ist jeder Weg recht, mehr Kalorien zu mir zu nehmen. Nach dem Essen geht jeder früh in sein Zelt. Ich nutze die Gelegenheit und suche erneut nach Löchern in meiner Isomatte. Tatsächlich finde ich eines und flicke es. Hoffentlich war es dieses Mal das einzige, aber das werde ich heute Nacht herausfinden.

Tag 53: Es war nicht das einzige Loch. Aber es ist wesentlich besser und vielleicht finde ich das andere in den nächsten Tagen, wenn nicht geht es auf jeden Fall bis zu unserem nächsten Zero. Heute überqueren wir Selden Pass. Über diesen wird überraschend wenig gesprochen, wahrscheinlich weil er nicht sehr schwierig und auch nicht so hoch wie die anderen Pässe ist. Aber er hat meiner Meinung nach eine der schönsten Aussichten. 

Ausblick von Selden Pass

Danach folgen wir mal wieder einem Flusstal, dieses Mal dem Bear Creek. Da wir resupplien müssen, müssen wir einen acht Meilen Umweg auf uns nehmen, um zum Vermillion Valley Resort zu gelangen, einer kleinen Backcountry Ferienanlage, in der es einige Hütten und Zimmer gibt und wir umsonst campen dürfen. 

Bis vor ein paar Jahren fuhr eine Fähre über den Lake Thomas A Edison, aber aufgrund niedriger Wasserstände kann diese nicht mehr fahren und wir müssen den See zu Fuß umrunden, um zum VVR zu gelangen. Als wir zum Damm des Sees kommen, steht auf einem Schild, wir sollen dem Damm folgen. Auf dem Damm ist ein verschlossenes, etwa hüfthohes Tor mit einem Schild, die Straße sei gesperrt. Da es aber der kürzeste Weg ist glauben wir lieber dem ersten Schild, steigen über das Tor und nehmen den direkten Weg. 

Unsere Erwartungen ans VVR sind nicht hoch. Wir erwarten einen teuren Resupplie und teures Essen, aber es geht nicht anders und Burger und Bier sind immer noch Burger und Bier, auf das wir uns schon seit Tagen freuen. Am Ende werden wir aber sehr positiv überrascht und VVR katapultiert sich in die Top Drei meiner liebsten Trailaufenthalte bisher. Bei unserer Ankunft werden wir von einer älteren Dame herzlich empfangen und das erste Getränk geht aufs Haus. Dann suchen wir uns unsere Zeltplätze in der "Mushroom City". Zu Abend gibt es für 35 Dollar ein All you can eat BBQ. Ich esse zwei Teller Salat und drei Teller mit Kartoffelbrei, Bohnen, Hühnchensteak, Spareribs und Steak. Das Essen ist unfassbar gut. Danach sitzen wir mit anderen Hikern und einem Paar, das ab und zu VVR besucht und die uns Hiker sehr bewundern, am Feuer und trinken Bier. Da kommt einer der Besitzer zu uns, denn seine Frau und Tochter haben Erdbeertarteletts gebacken, um uns Hikern eine Freude zu machen. Auch diese sind sehr gut. So einen herzlichen Aufenthalt hat niemand erwartet und es ist einer der schönsten Abenden auf dem Trail bisher.

Tag 54: Wir schlafen für Trailverhältnisse aus, ich bin um 06:00 wach. Auch das Frühstück ist zwar teuer, aber sehr gut. Wir haben beschlossen, noch hier zu Mittag zu essen und dann die andere Seehälfte zu umrunden, um zurück auf den Trail zu gelangen. Dadurch überspringen wir 4,1 offizielle Trailmeilen, aber für uns zählt der continous Footpath, also die komplette Strecke nach Kanada gelaufen zu sein, auch wenn wir ein paar Detouren nehmen, da einige davon sehr sehenswert sind. Nach dem Frühstück duschen und Waschen wir für je 10 Dollar, kaufen ein und spielen Karten. Zu Mittag gibt es dann einen Double Cheeseburger mit Avocado und Nudelsalat. Wieder teuer, aber verdammt gut. Auch der Einkauf war wie zu erwarten teuer. Am Ende gebe ich in VVR mehr Geld aus als bei kaum einem anderen Stopp, aber es war das Geld definitiv Wert, denn das komplette Personal ist unheimlich freundlich und der Unterhalt der Anlage hier draußen im Nirgendwo eben auch nicht günstig. Als wir aufbrechen und den See umrunden laufen wir durch ein Burnt-Area von einem Brand, der letztes Jahr VVR beinahe zerstört hätte. Tatsächlich mussten aufgrund dieses Feuers letztes Jahr einige Hiker per Hubschrauber vom Trail evakuiert werden. Später kommen wir an der Stelle vorbei, an der eigentlich die Fähre anlegt. Das Ufer des Sees liegt da schon einige hundert Meter hinter uns. Ein weiteres erschreckendes Zeichen dafür, wie es um die Sierras bestellt ist. Nachdem wir zurück auf dem Trail sind legen wir noch zwei Meilen zurück und campen auf einer eindrucksvollen Felsformation. Damit haben wir heute acht Meilen und 6,1 offizielle Trailmeilen zurückgelegt. Da es kalt ist und wir weit auseinander zelten, gehen wir nach dem Essen wieder früh ins Bett. Wieder nutze ich die Gelegenheit und flicke ein weiteres Loch in meiner Isomatte. Hoffentlich ist es das letzte auf dem Trail.

Tag 55: Und es gibt immer noch mindestens eins. Wie viel Pech kann man haben, sich an einem Tag wenigstens drei Löcher zu holen? Und obwohl ich gut geschlafen habe, bin ich heute sehr müde. Zum ersten Mal frage ich mich, während ich packe, was ich hier eigentlich mache. Jeden Morgen in die Kälte starten, mit Eis auf dem Zelt und heute auch noch mit klammen Schuhen, da diese noch von der letzten Flussüberquerung gestern feucht waren. Beim Aufstieg zum Silver Pass kommt dann nach kurzer Zeit direkt die nächste Flussüberquerung und aufgrund der Temperatur sind die Steine im Fluss vereist, also keine Chance, mit trockenen Füßen auf die andere Seite zu gelangen. Und Silver Pass ist auch nicht besser, gerade denkt man, man hat es geschafft, stellt man fest, dass man nochmal 100 Meter rauf muss. Doch dann weiß ich wieder, wofür ich das mache, denn die Aussicht vom Pass lohnt sich wieder allemal.

Lake Virgina 

Genauso wie der Rest des Tages. Zunächst geht es am wunderschönen Lake Virgina entlang und danach geht es heute nicht in ein Tal, sondern an Höhenzügen entlang und darüber. Dadurch haben wir die ganze Zeit tolle Ausblicke. Und wir überqueren die 900 Meilen und haben damit etwas mehr als ein Drittel des Trails geschafft. Und mit 22 Meilen war der Tag alles in allem sehr erfolgreich.

Tag 56: Heute Morgen hat es seit längerem mal wieder keine Minusgrade, was das Aufstehen deutlich angenehmer macht. Kurz nach dem Start machen wir eine Detour, die genauso lange ist, wie der Trail, uns aber direkt an den Devils Postpile vorbei führt. Dabei handelt es sich um eine eindrucksvolle Felsformation von hexagonalen Basaltsäulen. Die ganze Wand sieht künstlich geschaffen aus und manche der Säulen, die abgebrochen sind, haben eine perfekte Form. 
Devils Postpile

Danach geht es wieder an Berghängen entlang. Am Nachmittag erreichen wir den 1000 Island Lake. 1000 ist zwar weit übertrieben, trotzdem ist der See wunderschön. Danach geht es zum Island Pass, der eigentlich kein richtiger Pass ist. Dieser Teil des Trails ist extrem zeitraubend, denn hier fließt überall Wasser. Teilweise hat man die Wahl zwischen drei Bächen, einer davon ist der Trail. Es ist also wieder das GPS zu Rate zu ziehen. Dass ich mir irgendwann früher am Tag den vorderen Schienbeinmuskel gezerrt habe, ist in dem Gelände nicht hilfreich. Irgendwann ist aber auch das geschafft und wir finden tatsächlich trockene Zeltplätze 2,6 Meilen vor Donohue Pass. Hier campen noch einige andere Hiker. Den Pass wollen wir morgen zum Sonnenaufgang besteigen und dann geht es nach Lee Vining. Dort werden wir unseren nächsten Zero verbringen, den wir uns mehr als verdient haben, denn auch heute war mit 24,4 Meilen ein langer und anstrengender, aber auch sehr schöner Tag.

1000 Island Lake

Tag 57: Wie geplant starten Sorry, Butterfly, Ninja, Hasbeen und ich um 04:45, um zum Sonnenaufgang auf dem Donohue Pass zu sein. Gumby und Warrior schlafen lieber länger und kommen später nach. 

Aufbruch in der Nacht

Der Aufstieg zum Pass ist nicht schwierig und so erleben wir dort einen tollen Sonnenaufgang. Und tatsächlich betreten wir über diesen Pass den Yosemite National Park. 

Donohue Pass

Der Abstieg ist dann schon schwieriger, denn es gibt ein paar Flüsse zu queren und die Steine darin sind wieder einmal vereist. Bei einer dieser Überquerungen stürzt Butterfly, verletzt sich aber zum Glück nicht, auch wenn es sie ganz schön runterzieht. Nach dem kurzen und recht steilen Abstieg geht es dann etwa 11 Meilen durch ein langes weites Tal. In diesem sind sehr viele Rehe unterwegs, die Menschen offensichtlich gewohnt sind, denn teilweise laufen sie keine fünf Meter an mir vorbei. Wann immer ich um eine Biegung komme und plötzlich wieder einem Reh gegenüber stehe denke ich mir: "Zum Glück ist es kein Bär". 

Auf diesem Abschnitt beginnt mein linkes Schienbein zu schmerzen. Das ging gestern schon los, ist heute aber noch etwas schlimmer. Ich hoffe, mit dem Zero morgen richtige Shinsplints vermeiden zu können. Als wir Highway 120 erreichen, die erste geteerte Straße auf dem Trail seit Kennedy Meadows, erwartet uns eine Überraschung. Der Highway wird saniert, was das Hitchen wesentlich schwieriger macht. Die Autos können immer nur in eine Richtung passieren, also laufen wir etwa zwei Meilen bis zu der Stelle, an der die Autos in unsere Richtung angehalten werden und laufen die wartenden Autos ab. An einer Stelle bleiben Butterfly und ich stehen, während die anderen weiter laufen. Kurz darauf kommt ein Mann zu uns und fragt, ob wir einen Hitch brauchen, er könne zwei Leute mitnehmen. Das hat er nicht mitbekommen, als wir vorbei gelaufen sind. Dankbar nehmen wir Scotts Angebot, so ist sein Name, an. In Lee Vining geht es dann zum Woah Nellie Deli, einer Tankstelle mit Supermarkt und gutem Essen. Kurz nach uns treffen auch Ninja und Sorry ein. Lustigerweise kommen Hasbeen, Gumby und Warrior zeitgleich an, obwohl letztere deutlich später als wir gestartet sind. Aber so ist das nun mal beim Hitchen, manchmal dauert es ewig und manchmal geht es super schnell, bis man eine Fahrt bekommt. Das Essen jedenfalls ist wirklich gut. Ich esse einen Cheeseburger, ein Stück Schokokuchen und ein Stück Cheesecake. Das selbe bestellt Butterfly, allerdings wird ihr vom vielen Kuchen schlecht. Ich esse also auch die Reste ihrer Stücke und noch ein wenig mehr von den anderen. Dann können wir auch bald unsere Unterkunft beziehen, eine kleine Lodge mit genügend Schlafplätzen. Dort relaxen wir, holen später Abendessen in einem nahem Café ab und machen ansonsten nicht mehr viel. Ich kann gar nicht glauben, wie viel ich heute gegessen habe, normalerweise würde ich das nicht einmal annähernd schaffen. Aber das ist eben der sogenannte "Hiker-Hunger".

Tag 58: Heute war der entspannteste Zero, den wir bisher hatten. Da Lee Vining nicht so groß ist mussten wir nicht so viel herumlaufen, wie sonst. Zum Frühstück waren wir im Latte Da Café, dort hatte ich das beste Sandwiche meines Lebens. Danach Wäsche waschen auf dem hiesigen Campingplatz und dann zum Mittagessen. Danach habe ich mich um meine sonstige Ausrüstung gekümmert, vor allem meine Isomatte, die jetzt hoffentlich endlich repariert ist. Außerdem habe ich mir viel Zeit für mein Schienbein genommen. Eigentlich wollen wir in vier Tagen Kennedy Meadows North erreichen. Da ich aber nicht weiß, ob ich das mit meinem Schienbein schaffen werde, habe ich vorsichtshalber für sechs Tage eingekauft. Die anderen sollte ich im Zweifelsfall früher oder später wieder einholen können. 

6 Tage Proviant

Ansonsten wurde über den Tag verteilt mal wieder viel Bier getrunken und es war ein super Tag. Zu Abend hat Ben Fried Rice gemacht und jetzt wird gepackt und dann entspannt. Was tatsächlich ein großes Thema heute war, dass und beschäftigt hat, ist, dass scheinbar vir ein paar Tagen eine Frau auf Forester Pass gestorben ist. Wir wissen nichts genaues, aber sie hatte wohl schon seit mehreren Tagen Höhenkrankheit. Wieder einmal eine Erinnerung, das wir hier wachsam bleiben müssen und keine unnötigen Risiken eingehen sollten. Denn an sich ist der Trail sicher, aber Unfälle und Unglücke passieren schneller, als man denkt.

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