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Tag 18 - 23: Von Brücken, heißen Quellen und der Grinsekatze

Veröffentlicht: 30.04.2022

Tag 18: Da wir nicht genug Schlafplätze haben, schlafe ich auf meiner Isomatte, was sich als Glück erweisen wird. Die letzten paar Nächte musste ich meine Isomatte jeweils einmal pro Nacht neu aufpusten, da sie Luft verlor. Da es nie zu schlimm war dachte ich, es läge am abkühlen der Luft. Da es sich diese Nacht wiederholte war klar, dass sie ein Loch hat, welches ich am Morgen finden und flicken konnte. Da ich mir aber zusätzlich eine leichte Erkältung eingefangen habe, konnte ich diese Nacht nicht wirklich gut schlafen. Einmal bin ich aufgewacht, musste mehrmals stark Niesen, meine Nase wollte nicht aufhören zu laufen und mein linkes Auge tränte ohne Ende. Zum Frühstück gab es French Toast und Rührei mit den Resten von gestern Abend, zubereitet von Beans und wirklich gut. Danach sind wir in die Stadt zum Einkaufen. Natalie, Beans und ich werden von Beans Freund Doug durch die Stadt chauffiert. Doug ist ein cooler Typ und es ist großartig, dass er extra aus Los Angeles gekommen ist, um mit Beans und uns Zeit zu verbringen, obwohl er keinen von uns kannte. Und uns dann auch noch fährt und zum Trail zurück bringt.Bei einem Outfitter bekomme ich endlich ein paar Sonnenschutzhandschuhe. Inzwischen habe ich einen Bräunungsstreifen auf den Handrücken von den Riemen meiner Trekkingpoles und egal wie viel Sonnencreme ich verwende, ich bin immer kurz vor einem Sonnenbrand. Zumindest dieses Problem konnte ich also lösen. Danach geht es noch zu Subway und wir nehmen uns Sandwiches mit auf den Trail. Wir legen entspannt knapp neun Meilen zurück und schlagen unser Camp auf. Ich habe in den letzten eineinhalb Tagen so viel gegessen, dass mein Abendessen aus einem Apfel und einem Snickers besteht. Es ist kalt und mit meiner Erkältung werde ich wohl bald ins Bett gehen. Es wird aber wohl keine Minusgrade geben.
Tag 19: Tja, es hatte doch Minusgrade. Und scheinbar hat meine Isomatte ein weiteres Loch, denn wieder musste ich zweimal meine Matte neu aufpusten. Trotzdem habe ich nicht zu schlecht geschlafen. Der Trail führt heute größtenteils bergab durch lichte Kiefernwälder. Die meiste Zeit folgen wir einem Fluss und können das Frühstück und Mittagessen am Fluss genießen. Beim Mittagessen nutze ich die Gelegenheit und suche nochmal nach einem Loch in meiner Isomatte, kann aber keines finden. Falls ich die nächsten Nächte weiter Probleme habe werde ich sie in Wrightwood ersetzen müssen. Am Nachmittag finde ich dann den größten Kiefernzapfen, den ich je gesehen habe. Ich vermute, dass "erschlagen von einem Kiefernzapfen" als mögliche Todesursache auf dem PCT gelistet werden sollte. 
Definitiv tödlich

Am Nachmittag finden wir kurz vor unserem Lagerplatz für die Nacht einen tollen Platz am Fluss, an dem schon viele Hiker sind. Hier verbringen wir nochmal zwei Stunden. Dann geht's zum Nachtlager, einem ehemaligen Campplatz mit Grillhütte und Toilettenhäuschen. Da der Platz in der Vergangenheit aber so zugemüllt wurde und die Umgebung darunter gelitten hat, wurden die Toiletten abgesperrt und abgesehen von PCT-Hikern das Campen verboten. Trotzdem ist es ein schöner Platz und ich cowboycampe vor der Grillhütte. Heute Nacht soll es tatsächlich nicht kälter als 12 Grad werden.

Tag 20: Heute war ein recht ereignisreicher Tag für Trailverhältnisse. Zuerst möchte ich aber einen Einblick geben, womit Thruhiker sich so die Zeit vertreiben. So gut wie jeder Hiker verwendet die App "FarOut", in der man sich das Kartenmaterial des PCT downloaden kann und dann auch navigieren. In den Karten sind auch wichtige Punkte wie gute Zeltplätze, Einkaufsmöglichkeiten oder Wasserquellen verzeichnet. Aber auch Punkte, die der Orientierung dienen, wie zum Beispiel Weidetore oder Brücken. Jeden dieser Punkte kann nun jeder Hiker kommentieren. Im Fall der erstgenannten sind das meist Infos darüber, wie windgeschützt ein Zeltplatz ist, Öffnungszeiten oder ob eine Quelle Wasser führt oder trocken ist. Das ist sehr nützlich und wichtig. Die Kommentare der zweitgenannten sind aber wesentlich witziger. So findet man für Gatter zum Beispiel Kommentare wie: "Awesome gate! Would highly recommend; it's a must see. 9/10" (satchi13). Und heute überquerten wir diese Brücke. 
Die EINE Brücke

Mir fehlen die Worte, um die Großartigkeit dieser Brücke zu beschreiben, daher zitiere ich einige Hikerkollegen:- This bridge isn't too short as not to span the creek, nor too long so that it blocks off the trail. I believe it's size is very fair. 10/10 - Too Clean- Aesthetically one of the best bridges in this region. Well-appointed and finely crafted using material of high quality. Matched in grandeur only by the chasm which it spans. - alpinemermaid- Sick bridge. 10/10 would chill here again. Also, nice little bench in the shade. Perfect height. Obvi a 10/10..... - akerr315- This bridge gives me wood. - lost&founddAllerdings hat die Brücke nicht nur Fans: "There is nothing fair about the size of this bridge..." (Catchup)Dieses Meisterwerk hatten wir heute also die Ehre, überqueren zu dürfen. Kurz vorher überquerten wir übrigens auch den 300 Meilen Marker. Und kurz danach erreichten wir ein Highlight des Trails, die Hot Springs. Diese liegen direkt neben dem Deep Creek. Es war eine wahre Wohltat, in dem heißen Wasser zu baden und direkt aus dem Becken heraus in den kalten Deep Creek zu springen. So verbrachten wir hier gut eine Stunde und unterhielten uns mit anderen Hikern. 

Hot Springs

Danach folgten wir weiter dem Deep Creek und mussten dadurch nicht zu viel Wasser tragen. Unsere Mittagspause machten wir an der letzten Überquerung des Creeks. Kurz danach kreuzte der Trail eine Straße an einem kleinen Parkplatz. Gerade als wir diesen erreichten, bog ein kleines buntes Auto ein und ein Mann sprang heraus. "Coming from Mexico?" "Yes" "Going to Canada?" "At least that's the plan." "Wanna have some fruit? Apples, peers, banana, pineapple?" Es handelte sich um einen sehr aufgedrehten, aber lustigen und netten Trailangel namens "Cheshire Cat" (die Grinsekatze aus Alice im Wunderland). Die zitierte Unterhaltung spielte sich in etwa zehn Sekunden ab, maximal. Während wir die Früchte von ihm essen und uns mit ihm unterhalten, rennt sein Hund Stellar um uns herum. Nach einer Weile verabschieden wir uns und kommen schließlich an unserem heutigen Lagerplatz an. Neben einem trockenen Bachbett finden wir ein ebenes Stück Wiese. Da es nicht regnen wird, entschließen ich mich erneut für Cowboycamping. Leider scheint es heute Nacht aber auch wieder windiger zu werden. Und im Laufe des Tages fing das Grundgelenk meines linken großen Zehs zu schmerzen an. Ich hoffe, das legt sich in den nächsten Tagen, wenn nicht werde ich wohl einen außerplanmäßigen Zero in Wrightwood einlegen müssen, wo wir am Freitag ankommen sollten. 

Tag 21: Heute stand Cajon Pass auf dem Plan, bekannt für den berühmten, weil einzigen, McDonald's auf dem PCT. 22 Meilen hatten wir zurück zu legen. Wir starteten um 6 Uhr. Nach acht Meilen legten wir eine Frühstückspause ein am Silberwood Lake. Noch 14 Meilen und es war gerade einmal 09:30. Wir beschlossen, keinen Stopp mehr bis zum McDonald's einzulegen. Mein Fuß war nach ein wenig Arnikasalbe und einer Ibuprofen am Abend vorher wieder wie neu, meine Erkältung war abgeklungen und als wir uns auf den Weg machten, überkam mich der Ehrgeiz und ich wollte wissen, wie schnell ich die 14 Meilen (22,5 km) schaffen könnte. Am Ende schaffte ich es in vier Stunden. Mit dieser Leistung bin ich zu diesem Zeitpunkt mehr als zufrieden, da es zwar anstrengend war, ich mich aber nicht komplett fertig fühle. Gerade als ich in die Straße, die zum McDonald's führt, einbog, kamen mir Barry und Butterfly entgegen. Ich unterhielt mich kurz mit ihnen, dann ging es weiter. Am McDonald's waren schon wieder sehr viele Hiker. Es ist interessant zu beobachten, dass man auf dem Trail selbst gar nicht so viele Leute sieht, und dann gibt es immer wieder diese Orte, wo plötzlich Hiker in Scharen auftreten. Ich war schon seit vermutlich zehn Jahren nicht mehr bei einem McDonald's, aber in diesem Moment war das Essen perfekt. Aber schon kurz danach stellte sich das bekannte Gefühl ein, man ist irgendwie voll, könnte aber auch noch essen. Auf dem Trail perfekt, reicht aber auch wieder für die nächsten 10 Jahre. Da es am Pass mit dem Highway und der Eisenbahnlinie sehr viel Verkehr gibt beschlossen wir, noch fünf Meilen weiter zu wandern. Damit können wir Wrightwood morgen schon erreichen, ich brauche also kaum Proviant nachkaufen. Die letzten fünf Meilen über eine kleine Hügelkette sind während des Sonnenuntergangs sehr schön. 

Eigentlich wollten Barry und Butterfly auch hier irgendwo campen, wir finden sie aber nicht. Ich bin sehr froh, dass wir diese fünf Meilen gemacht haben, denn selbst hier hört man noch die Signalpfeifen der Züge. Außerdem haben wir damit 27 Meilen und unseren ersten Marathontag auf dem Trail geschafft. Ich bin sehr stolz auf unsere kleine Gruppe, bisher harmonieren wir unheimlich gut und ich genieße die Zeit mit ihnen sehr. Da wir Wrightwood morgen am späten Nachmittag erreichen werden ist der Plan, am Freitag einen Zero einzulegen und am Samstag auf den Trail zurückzukehren. Die Auszeit haben wir uns definitiv verdient.

Tag 22: Wir stehen wieder früh auf und starten um 06:00. Wir stehen quasi in einer Wolke, aber zumindest war die Nacht dadurch nicht zu kalt. Der Trail führt heute stetig bergauf, wir steigen in die San Gabriel Mountains auf. Da der Trail nicht anspruchsvoll ist und durch den Nebel nichts zu sehen ist, gibt es keine wirkliche Ablenkung und ich fange an, über mich selbst nachzudenken, was mich, wie meistens, nicht in die beste Stimmung versetzt. Kurz überlege ich, einen Podcast oder ein Hörbuch zu hören, entschließe mich dann aber dagegen. Immerhin bin ich auch hier, um mir über einige Dinge klar zu werden. 

Nach etwa neun Meilen dann durchstoßen wir die Wolkendecke und haben eine tolle Aussicht. Da Cheese und Gumby vor mir sind, nach 11 Meilen um 10 Uhr aber wohl immer noch keine Frühstückspause einlegen wollen, beschließe ich auf Natalie und Beans zu warten. Beans ist direkt hinter mir und wir rasten zusammen. Natalie hat den selben Entschluss gefasst, allerdings drei Minuten vor uns. Als sie schließlich zu uns stößt, laufen wir zu dritt weiter. 

Ich werde verfolgt...

Der Trail führt weiter leicht bergauf, bis wir Highway 2 erreichen, von wo aus wir nach Wrightwood gelangen. Am Trailhead stehen zwei Poserkarren. Beans quatscht die Besitzer an und fragt sie, ob sie uns in die Stadt bringen. Nach kurzer Beratung willigen sie ein. Dieser Hitch war vermutlich die bisher gefährlichste Situation auf dem ganzen Trail. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 45 Meilen pro Stunde rasen wir mit 80 den Berg hinab. Definitiv keine Fahrt, die ich ein zweites Mal machen würde, aber in dem Moment durchaus aufregend und spaßig. In Wrightwood angekommen treffen wir uns mit Butterfly und Barry (inzwischen Sorry. Aufgrund seines schottischen Akzents muss jeder, der ihn neu trifft, mindestens einmal nachfragen, was er gesagt hat). Die beiden haben ein Airbnb für alle gemietet. Auch Wrightwood ist unfassbar hikerfreundlich. Die Vermieterin des Airbnb kommt vorbei, um unsere Wäsche abzuholen und zu waschen. In der Zwischenzeit können wir Pyjamas tragen, die sie zur Verfügung stellt. Nach einem Bier und einer Dusche geht es dann im Pyjama zum Mexikaner. Nach dem Essen hängen wir noch ein wenig rum und gehen schlafen. Ich schlafe mit Beans, Natalie und Sorry in einem Raum mit vier Betten. Bevor wir einschlafen führen wir noch eine spannende Unterhaltung über Beziehungen und die Vorzüge, beim Kuscheln der kleine Löffel zu sein.

Tramily: Cheese, Sorry, Ich, Beans, Butterfly, Gumby, Natalie
Tag 23: Wir verbringen einen üblichen Tag in einer Trailtown. Wir gehen zusammen frühstücken, danach verabschieden sich Butterfly und Sorry und starten wieder auf den Trail. Der Rest von uns verbringt den Tag mit einkaufen, Meditation, Yoga und allgemein rumhängen. Wie bereits erwähnt ist auch Wrightwood eine tolle Trailstadt. In der hiesigen Gasstation bekommen PCT-Hiker einen gratis Hot Dog und im örtlichen Outfitter bekommt jeder Hiker einen Pin mit dem erstmaligen PCT-Logo. 

Und auch heute führen wir wieder ziemlich persönliche und tiefgründige Gespräche und uns, Politik und alle möglichen anderen gesellschaftlichen Themen. Unsere ganze Gruppe ist einfach auf einer Wellenlänge und es fühlt sich so an, als würden wir uns schon weitaus länger als drei Wochen kennen. Zu Abend machen wir Spaghetti mit Meatballs, da uns allen nicht nach ausgehen zumute ist. Morgen geht es wieder früh auf den Trail und dann besteigen wir Mount Baden Powell, auf den ich, als ehemaliger Pfadfinder, schon gespannt bin. Auch dieses Mal hat der Zero unheimlich gut getan und ich fühle mich absolut bereit, die nächsten Etappen des Trails in Angriff zu nehmen.

God bless America


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