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Tag 100-110: Die 24 Stunden Challenge

Veröffentlicht: 26.07.2022

Tag 100: Da man das Hotelzimmer sehr gut abdunkeln konnte habe ich unheimlich gut und lange geschlafen und fühle mich seit langem wieder fast ausgeschlafen. Nach dem Frühstück im Hotel geht es dann zurück auf den Trail. Nach fünf Minuten werden wir von Dick eingesammelt. Als wir unsere Rucksäcke in den Kofferraum packen bemerke ich eine Menge Sodadosen. Bei der Fahrt erzählt uns Dick, dass er 1979 den PCT gehiket ist und es ist sehr interessant, sich über die Unterschiede zwischen damals und heute zu unterhalten. Er weiß zum Beispiel gerade einmal von fünf anderen Hikern im selben Jahr, während inzwischen jedes Jahr alleine an die 5000 Permits vergeben werden. Außerdem erzählt er uns, dass er der Trailangel ist, der die Kühltruhen mit den Sodas unterhält, die wir vorgestern gesehen haben und was ich beim Blick in den Kofferraum schon vermutet habe. Und sein Trailname ist inzwischen "Magic Dick". Jedenfalls ein unfassbar netter Typ. Der Trail ist heute einfach und schnell. Wenn das so weitergeht, verstehe ich, warum man so schnell durch Oregon kommt. An die neuen Schuhe muss ich mich allerdings erst noch gewöhnen. An sich sind sie mir zu weich und die Sohlen zu dick, aber mal sehen, in wie weit ich mich noch daran gewöhne.

Wir legen heute 22,3 Meilen zurück, was für einen Towntag wirklich gut ist. Und wir sind heute den 100. Tag auf dem Trail! Das ist schwer vorstellbar und wenn ich daran denke, was ich in diesen 100 Tagen alles erlebt habe, kann ich es kaum glauben. Obwohl immer noch knapp ein Drittel des Weges vor uns liegt fühlt es sich doch so an, als ob langsam das Ende in Sicht kommt. 

Tag 101: Tja, die neuen Schuhe sind so Lala. An sich schon in Ordnung, aber ich habe inzwischen spiegelbildlich Blasen an beiden Füßen. Mein letztes Paar für den Trail, die ich sicher brauchen werde, werden also wieder Altras sein. Der Trail heute ist wieder recht flach und schnell. Bisher scheint zu stimmen, was man von Oregon hört. Allerdings gibt es auch kaum Aussichten, da man die meiste Zeit durch Wald läuft. Ab und zu geht es dann noch über ein Feld von Lavagestein. 

Zur Mittagszeit treffen wir auf Trailmagic. Es gibt Sodas und Snacks von zwei Locals, die gerade in die Gegend gezogen sind und selbst schon ein paar Trails gemacht haben. Wir haben eine gute Zeit mit den beiden und ein paar anderen Hikern. Ansonsten passiert heute nichts aufregendes.

Tag 102: Heute lernten wir ein anderes typisches Oregon Phänomen kennen und zwar Moskitos. Während bisher die Moskitos zumindest kein Problem waren, so lange man lief, ist das hier komplett egal. Auch beim Laufen wird man komplett zerstochen. Zum ersten Mal nutze ich mein Bugnet und habe am Abend locker 50 Stiche. Zum Glück bekommen wir von ein paar Dayhikern Mückenspray, das tatsächlich gut funktioniert und das bei nächster Gelegenheit gekauft wird. Und wenn man die Stellen für Pausen wohl überlegt aussucht kann man sich irgendwie arrangieren. Ansonsten geht es wieder viel durch Wald, doch am Abend kommen wir auf einen Kamm mit schöner Aussicht, was mal wieder eine willkommene Abwechslung ist.
Tag 103: Gestern Abend war es auf dem Kamm etwas windig, weshalb kaum Moskitos unterwegs waren. Heute morgen aber ist es windstill, daher sitzen sie schon auf meinem Zelt und warten. Also schnell packen und weiter. Die meiste Zeit geht es wieder durch Wald und es gibt wenig zu sehen. Das Ziel für heute ist das 26 Meilen entfernte Mazama Village im Crater Lake National Park. Hier haben wir uns Resupplieboxen hergeschickt. An der Straße zum Village bekommen wir noch ein wenig Trailmagic von ehemaligen Thruhikern, Hot Dogs und einen Apfel. Danach geht es weiter ins Village, ein Campingplatz mit kleinem Laden und einem Restaurant. Es gibt einen extra Bereich für PCT Hiker, in dem wir kostenlos zelten dürfen. Meine Resuppliebox ist angekommen, Warriors allerdings nicht. Genausowenig wie ihre Schuhe, die sie sich hier her bestellt hat, da sie mit den neuen überhaupt nicht zufrieden ist. Das ist wirklich ein Problem und wir hoffen, dass die Sachen morgen ankommen. Am Abend sitzen wir mit anderen Hikern vor der Charging Station und essen Pizza und trinken Bier. Vor allem über Double T, Momma Cow und 9 Lives freue ich mich sehr, denn ich mag alle drei sehr und sie sind sehr lustig. Als wir erwähnen, dass wir in unserer Zeit in Amerika gerne schießen würden, meint 9 Lives, dass sich das arrangieren ließe. Er bekommt nächsten Montag in Bent besuch von seiner Schwester und bittet sie, seine Shotgun mitzubringen. Es wäre unfassbar, wenn das tatsächlich klappen sollte. 

Später am Abend kommt auch Hasbeen ins Village, der vorgestern von seiner Tante und seinem Onkel abgeholt wurde und mit den beiden einen Zero in Bent verbracht hat. Wieder einmal wird es für uns viel zu spät, aber der Shop und damit die Post machen sowieso erst um 9 Uhr auf.

Tag 104: Warriors Sachen sind tatsächlich nicht angekommen. Die Resuppliebox wurde in ein falsches Postoffice geschickt und die Schuhe sind noch unterwegs. Sie entschließt sich, beides nach Bend zu bouncen und resuppliet im Shop so gut es geht. Dann machen wir uns zusammen mit Hasbeen, der die nächsten Tage wieder mit uns hiken will, auf den Weg und nehem eine Detour zum Crater Lake. Crater Lake ist der tiefste See der USA und der tiefste Kratersee der Welt. Es ist unfassbar beeindruckend und ich kann mich nicht daran erinnern, schon einmal so blaues Wasser gesehen zu haben. 

Bevor wir uns daran machen, den See zum Teil zu umrunden, gehen wir noch im Cafe hier Mittagessen. Der ganze See ist natürlich von Touristen umschwärmt, was uns schon zu viel Trubel ist. Als wir uns auf den Weg machen sind unsere Rucksäcke so schwer wie schon lange nicht mehr. Neben Essen für an die sechs Tage müssen wir fünf Liter Wasser mitnehmen, denn zur nächsten Quelle sind es 25 Meilen. Dazwischen könnte es einen Wassercache geben, aber darauf sollte man sich nicht verlassen. Zum Glück lenkt die Aussicht auf den See sehr gut vom schweren Rucksack ab. Abends im Camp gehe ich meine Vorräte durch und sortiere aus, was ich Warrior abgeben kann, die ohne ihre Box zu wenig zu essen hat. Da ich vor Bent eine 24 Stunden Challenge starten möchte, bei der man innerhalb von 24 Stunden so viel Strecke macht wie möglich, kann ich ein bisschen was entbehren. Vielleicht sogar etwas mehr, das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Auf dem Weg nach Bent gibt es nochmal eine kleine Resuppliemöglichkeit in einem Resort, damit sollte Warrior es einigermaßen gut nach Bend schaffen können. 

Tag 105: Heute gibt es wieder einmal kaum berichtenswertes. Der Trail war schnell und einfach und ohne größere Anstrengung legten wir 30,4 Meilen zurück und überquerten den offiziell höchsten Punkt auf dem PCT in Oregon, auch wenn wir bei der Timberline Lodge nochmal auf der selben Höhe sind. 

Immer wieder habe ich das Tempo möglichst lange hoch gehalten, um mich auf meine Challenge einzustimmen. Am Nachmittag kam mir eine Gruppe Reiter entgegen, die jedem Hiker eine Packung Nussmischung gaben. Und am Abend campten wir an einem Wassercache mit vielen anderen Hikern, was wieder viel Spaß gemacht hat. 

Tag 106: Morgen steht meine 24 Stunden Challenge an. Daher mache ich heute nur 22 Meilen und verabschiede mich dann vorerst von Warrior und Hasbeen, direkt nachdem wir 1900 Meilen überschritten haben. Ich baue mein Zelt neben einem kleinen Teich auf, der sich später als der am schlimmsten von Moskitos verseuchte Ort auf dem Trail herausstellen wird. Während die anderen beiden sich bei einem Resort mit anderen Hikern treffen, dort Duschen und Bier trinken, verbringe ich den Nachmittag und Abend in Einsamkeit und plane meine Challenge. Mein Minimalziel sind 62,2 Meilen beziehungsweise 100 Kilometer. Dafür muss ich 2,6 Meilen pro Stunde laufen. An sich sollte das gut machbar sein. Aber ich weiß, dass die körperliche, aber mehr noch die mentale Herausforderung sehr groß sein wird. Ich frage mich, warum ich mir das antun werde. Ist der Trail nicht Herausforderung genug? Möchte ich nur meine Grenzen kennen lernen? Oder möchte ich mir und anderen etwas beweisen? Irgendjemanden, oder jemanden bestimmten, beeindrucken? Wahrscheinlich spielt alles eine Rolle, wobei ich hoffe, dass die des ersten Punktes die größte ist. Vielleicht finde ich es innerhalb der 24 Stunden morgen heraus. Jetzt sollte ich jedenfalls schlafen.
Tag 107: 24 hour Challenge... so viele Meilen wie möglich laufen innerhalb von 24 Stunden. Was für eine dumme Idee. Und natürlich muss ich es versuchen. Ursprünglich wollte ich um Mitternacht starten. Da ich aber lange nicht einschlafen kann, stelle ich meinen Wecker auf 01:30 Uhr, um 02 Uhr möchte ich spätestens starten, um die Nacht in zwei zu teilen. Gegen 22 Uhr schlafe ich ein. Und wache um kurz vor 01 Uhr wieder auf. Da ich sowieso nicht mehr einschlafen kann, stehe ich auf und packe meine Sachen. Um 01:33 stehe ich auf dem Trail und starte einen 24 Stunden Countdown auf meinem Handy. So beginnt es also. 

Gerade als ich loslaufe sehe ich eine Sternschnuppe. Ich nehme das mal als gutes Omen. Ich bin sehr schnell unterwegs, körperlich habe ich keine Probleme, aber ich bin verdammt müde und eine Stimme in meinem Kopf lässt mich ununterbrochen wissen, dass ich gerade eigentlich schlafen sollte. In der Nacht auf dem Trail zu sein ist eine spannende Erfahrung. Außerhalb des Scheins meiner Taschenlampe kann ich nichts erkennen, über mir scheinen die Sterne und es ist absolut still. Einmal erkenne ich, dass ich an einem kleinen See oder Teich vorbeilaufe, denn ich sehe die Spiegelung des Mondes. Um 05:10 höre ich den ersten Vogel und mit zunehmender Helligkeit verschwindet meine Müdigkeit langsam. Nach 8 Stunden habe ich bereits 26,6 Meilen geschafft und mache eine kleine Frühstückspause. 

Ich bin gerade in einem Burnt-Area und daher gibt es keine Moskitos, was sehr angenehm ist. Nach einer halben Stunde laufe ich weiter. Einige Blowdowns liegen im Weg, die aber einfach zu überlaufen sind und tatsächlich Spaß machen. Den ganzen Tag über geht es durch den Wald, ab und zu vorbei an einem See. Heute morgen habe ich ein paar Hiker auf dem Trail überholt, jetzt habe ich seit Stunden niemanden mehr gesehen. Langsam fangen meine Füße an weh zu tun, aber ich kann weiter ein hohes Tempo halten. Nach 16 Stunden und 50,8 Meilen will ich eigentlich eine weitere Pause machen, aber es ist so schlimm mit den Moskitos, dass ich nur schnell die Riegel in der Seitentasche meines Rucksacks nachfülle und schnell weiterlaufe, damit ich im Gehen essen kann. 

Als ich weiterlaufe wird mir klar, dass ich noch weitere 8 Stunden vor mir habe. Auf der einen Seite ist das super, denn ich könnte tatsächlich mehr als 70 Meilen schaffen. Auf der anderen Seite bin ich inzwischen wirklich erschöpft und die Aussicht auf 20 weitere Meilen ist nicht sehr verlockend. Aber ich laufe weiter und halte das Tempo so gut ich kann. Ich habe einen letzten Anstieg vor mir, der mich auf ein schönes Plateau bringt, auf dem es schöne Aussichten gibt und über offene Felder geht. Davor wird es aber noch einmal so schlimm mit den Moskitos, dass ich meine Regenjacke anziehen muss.

Inzwischen wird es langsam dunkel, was die umliegenden Berge in ein interessantes Licht taucht. Aber so richtig genießen kann ich das an diesem Punkt nicht mehr. Nach 20 Stunden setze ich mich kurz an einer Wasserquelle, um die letzte Etappe zu planen. Oder besser gesagt um zu entscheiden, ob ich überhaupt weiter machen möchte. Ich bin unendlich müde und meine Füße schmerzen. Zwei Blasen, die eigentlich abgeheilt waren, sind wieder da. Ich habe bereits 61,8 Meilen. Mein Mindestziel waren 62,2 Meilen, 100 Kilometer. Ich könnte noch 0,4 Meilen laufen und einfach aufhören. Es ist egal wie viele Meilen ich am Ende laufe, es macht mich nicht zu einem besseren Menschen, interessanter oder liebenswerter. Also warum sollte ich mich weiter quälen? Aber irgendetwas in mir lässt mich nicht aufgeben und treibt mich weiter.

Während der nächsten 4 Stunden setze ich mich immer wieder kurz, bemitleide mich selbst, um dann doch wieder aufzustehen und mich weiter zu schleppen. Inzwischen gibt es immer wieder kleine Schneefelder, die ich überqueren muss und die mich langsam machen. Gegen Mitternacht, ich laufe gerade über ein freies Feld, halte ich kurz inne um in die Sterne zu schauen. Und sehe eine der schönsten Sternschnuppen meines Lebens. Sie hat einen langen Schweif, schimmert in mehreren Farben und bevor sie verglüht zerfällt sie in mehrere Einzelteile. Dieser Anblick gibt mir tatsächlich nochmal einen Motivationsschub. Ich habe noch eineinhalb Stunden. In 3 Meilen komme ich an ein für Camping gesperrtes Gebiet, aber direkt an der Grenze gibt es gute Zeltmöglichkeiten. Das ist mein Ziel. In der Dunkelheit laufe ich immer wieder an Zelten vorbei. Ich bin so leise wie möglich und beneide jeden einzelnen von ihnen. Um 01:23, 10 Minuten vor Ablauf meiner 24 Stunden, komme ich tatsächlich an meinem selbst gesetzten Ziel an. Ich habe 71,2 Meilen, 114,5 Kilometer und 2700 Höhenmeter zurückgelegt. In dem Moment interessiert mich das aber herzlich wenig. Ich finde einen Zeltplatz und baue so schnell und leise wie möglich mein Zelt auf. Kaum habe ich mich hingelegt, bin ich auch schon eingeschlafen.

Tag 108: Ich wache um 09:30 auf. Mein rechter Fuß ist definitiv wieder überlastet, aber ansonsten fühle ich mich überraschend gut. Ich inspiziere meine Füße und sehe die neuen Blasen unter den alten, die mir gestern Probleme gemacht haben. Ich steche sie auf, esse etwas und fange an zu packen. 12,3 Meilen liegen vor mir bis zum McKenzie Pass, von wo aus ich nach Bend hitchen will. Als ich loslaufe, dauert es eine ganze Weile, bis mein rechter Fuß wieder richtig funktioniert. Und immer wieder fühle ich mich plötzlich unfassbar erschöpft, sodass ich immer wieder kleine fünf bis zehn Minuten Pausen einlegen muss. Der Trail ist aber sehr schön und seit langem gibt es mal wieder lange und schöne Aussichten, zum Beispiel auf die "Three Sisters". 

Und es geht über große Lavafelder, die auch sehr beeindruckend sind. Am Ende brauche ich sechs Stunden für die zwölf Meilen zum Pass und komme dort gegen 16:30 an. Aber direkt vor dem Pass finde ich eine Kühltruhe, die gerade erst aufgefüllt worden sein muss. Ich nehme mir einen Apfel, eine Soda und einen Candybar und setze mich damit an die Straße. Es kommen nicht zu viele Autos durch, aber nach einer Viertel Stunde und vielleicht einem knappen Dutzend Autos werde ich von zwei älteren Paaren mitgenommen. Drei von den Vieren haben noch nie vom Trail gehört und es macht mir großen Spaß, ihnen vom Trail zu erzählen. Da die Vier aber nur nach Sisters fahren, muss ich mich dort erneut um einen Hitch bemühen, den ich aber auch schnell bekomme. 

In Bend angekommen gehe ich ins Bunk & Brew Hostel. Ich bekomme zwar kein Bett, kann aber für 30 Dollar im Hof in einer Hängematte übernachten. Das Hostel ist wirklich schön, es gibt einen Food- und einen Biertruck im Hof und eine sehr schöne Küche mit selfprepare Breakfast. Im Hostel lerne ich Yo-Yo und Gogart kennen, mit denen ich Abendessen gehe. Danach trinken wir noch ein Bier zusammen im Hostel, bevor es dann in die Hängematte geht. Diese verlasse ich gegen 01 Uhr und lege mich auf meine Isomatte, da ich einfach nicht so lange auf dem Rücken schlafen kann. Bis dahin war es aber durchaus gemütlich.

Tag 109: Den ganzen Morgen hänge ich faul im Hostel herum. Am Mittag bekomme ich eine Nachricht von Hasbeen und Warrior, die auf dem Weg in die Stadt sind und wir verabreden uns in einer Brewery. Ich freue mich darauf, die beiden wiederzusehen und ihnen von meiner Challenge zu erzählen. Dazu kommt es aber nicht wirklich. Denn in der Brewery sind auch ein paar Hiker, die Hasbeen kennen gelernt hat und zu denen wir uns nach kurzer Zeit dazu setzen, gerade als wir soweit Ruhe hatten, dass ich von der Challenge hätte erzählen können. Die anderen Vier sind aber cool und es macht Spaß mit ihnen. Wir verabreden uns mit ihnen, am Abend zu einem Highschoolbaseballspiel zu gehen. Davor gehen wir noch ins Hostel zurück, damit die anderen beiden einchecken können. Ich hätte erwartet, dass die anderen auf dem Weg nach der Challenge fragen. Stattdessen geht es den ganzen Weg über darum, wie toll und interessant doch die anderen sind. Ich bin ziemlich verstimmt und nehme hin, dass wohl kein Interesse daran besteht, wie es mir ergangen ist. Die Atmosphäre beim Spiel ist tatsächlich sehr interessant und es macht Spaß, sich das Spiel erklären zu lassen und anzuschauen, auch wenn ich nicht glaube, dass ich mir ein weiteres anschauen würde, denn zum Zuschauen ist es nicht wirklich interessant. Aber selbst die Amerikaner sagen, dass man eigentlich nur für die Atmosphäre ins Stadion geht. Nach dem Spiel lassen wir den Tag in einer Sportsbar ausklingen und spielen ein wenig Billiard und Darts, bevor es ins Hostel geht, in dem ich inzwischen auch ein Bett habe.
Tag 110: Ich muss sagen, dass ich in der Nacht im Hof besser geschlafen habe als heute Nacht im Zimmer. Einer unserer Zimmergenossen redet, bzw schreit beinahe immer mal wieder im Schlaf. Trotzdem bin ich recht erholt, als ich endgültig aufstehe und Duschen gehe. Wir gehen in einem nahen Café frühstücken und erledigen während dessen unsere Wäsche. Nach dem Frühstück habe ich eine kleine Aussprache mit Warrior, da ich schon länger das Gefühl hatte, dass sie nicht mehr mit mir hiken wolle und auch über die Situation gestern. Danach gehen wir resupplien. Vorher teilen wir aber noch den Inhalt eines tollen Care-Pakets unter uns auf, dass ich von meinen Eltern bekommen habe mit Pumpernickel und vielen tollen Snacks und Süßigkeiten. Vielen Dank dafür auch nochmal an dieser Stelle. 

Leider liegt ein altes Fireclosure vor uns und wir werden etwa 65 Meilen des Trails skippen müssen. Ich hoffe, dass das Closure wieder öffnet und ich am Ende genug Zeit habe, zurück zu kommen und diese Lücke zu schließen. Nach dem Resupplie treffen Warrior und ich uns mit 9 Lives und seiner Schwester, die ihn hier auf dem Trail besuchen kommt. Wir haben ihm im Mazama Village erzählt, dass wir gerne schießen würden, solange wir in den USA sind. Also hat seine Schwester tatsächlich seine Shotgun mitgebracht und wir fahren in einen nahen Wald. Dort verbringen wir den Nachmittag damit, auf Tonscheiben zu schießen, die wir in den Büschen platzieren. Das macht tatsächlich unfassbar viel Spaß und ich kann die Faszination für Waffen durchaus nachvollziehen, vor allem wenn man es als Sport betrachtet. Aber man muss sich bewusst sein, dass man mit einer gefährlichen Waffe hantiert und dass man diese hier einfach kaufen kann, oft ohne einen richtigen Sicherheitscheck und ohne eine Sicherheitseinweisung oder Training, ist einfach falsch. Der Nachmittag ist jedenfalls toll und ich bin den beiden sehr dankbar, dass sie uns das ermöglicht haben. Da sie kein Geld annehmen wollen für die Munition, die wir verschossen haben, wollen wir sie zum Abendessen einladen. Im Hostel treffen wir uns dann noch mit Sorry, der auch in der Stadt ist. Er geht mit ein paar anderen Hikern Abendessen und ins Kino, kommt aber später vielleicht nochmal vorbei. Wir verbringen den Abend mit Double T, 9 Lives und seiner Schwester Jessica im Hostel, essen zusammen, trinken Bier und spielen Brettspiele. Alles in allem war die Zeit in Bend verdammt schön, aber wieder freue ich mich auf den Trail. 


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