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Tag 111-120: Aller guten Dinge sind Drei - der letzte Staat, Washington

Veröffentlicht: 06.08.2022

Tag 111: Beim Packen im Hostel stelle ich fest, dass meine Daunenjacke weg ist. Ich bin mir absolut sicher, dass sie auf dem Zimmer war und ich sie nie irgendwo dabei hatte und im Hostel und auf dem ganzen Gelände ist sie nicht. Nach dem Trail wäre sie sowieso durch gewesen, dennoch ist es extrem ärgerlich, da ich sie wahrscheinlich noch gebraucht hätte und mir jetzt überlegen muss, sie noch auf dem Trail zu ersetzen. Jetzt fahren wir erstmal mit dem Bus nach Sisters. Dort gehen wir in einem Diner frühstücken, das wirklich gut ist und locker in den Top 5 der Breakfasts landet. Danach werden wir von Devilfish, einem Trailangel, eingesammelt, der uns und zwei andere Hiker, Crush und Lumos, nach Olallie Lake bringt. Die Fahrt dauert etwa drei Stunden und ich unterhalte mich viel mit Lumos und Devilfish. Als ich von meiner 24h Challenge erzähle, sind die beiden und Crush ziemlich beeindruckt, was tatsächlich ein sehr schönes Gefühl ist wie ich zugeben muss. Olallie Lake liegt direkt hinter dem Fireclosure. Damit überspringen wir insgesamt etwa 65 Meilen des Trails, von denen ca 20 gesperrt sind. Ich hoffe, dass das Closure im August geöffnet wird und ich dann zurück kommen und die komplette Lücke schließen kann. Wenn nicht hole ich zumindest alles nach, was geöffnet ist.

Da wir uns gut fühlen legen wir noch 19 Meilen zurück, bevor wir am Warm Springs River campen, der, anders als es der Name vermuten lässt, sehr kalt ist, was sowohl zum Trinken als auch um die Füße zu waschen sehr angenehm ist. Beim Abendessen spreche ich auch mit Hasbeen nochmal über die Situation am Sonntag, einfach um das komplett aus der Welt zu schaffen. Nachdem das geklärt ist, unterhalten wir uns noch ein wenig über alles mögliche. Da sich Hasbeen am Wochenende mit zwei alten Collegefreunden in Portland treffen will und er deshalb möglichst früh am Freitag in Cascade Locks sein will, wird er morgen früher starten und mehr Meilen machen. Wir werden uns wahrscheinlich in Washington wieder sehen. Erstmal bin ich also wieder alleine mit Warrior unterwegs.

Tag 112: Heute ist ein guter Tag. Wir kommen schnell voran und es gibt immer wieder tolle Aussichten auf Mount Jefferson und Mount Hood. Wir legen 32,2 Meilen zurück, was für Warrior ihre längste Strecke auf dem Trail bisher ist. Ich werde meinen Rekord wohl kaum nochmal übertreffen, wonach ich auch nicht das geringste Bedürfnis habe. 

Wir campen direkt über der Timberline Lodge, dem Hotel, bei dem die Außenaufnahmen für "The Shining" gemacht wurden. Das Frühstücksbuffet soll unglaublich gut sein, deshalb gehen wir ins Hotel, machen eine Reservierung für morgen früh und trinken dann noch eine Soda und ein Bier an der Bar, an der auch einige andere Hiker sitzen. Das Hotel ist wirklich schön und ich freue mich schon sehr auf das Frühstück am Morgen. Danach nehmen wir dann die letzten 50 Meilen in Oregon in Angriff.

Tag 113: Das Frühstück ist tatsächlich sehr gut und die Kellnerin unfassbar nett und aufmerksam. Wir sitzen mit einigen anderen Hikern an einem Tisch. Während dem Essen spricht kaum jemand ein Wort, erst als wir fertig sind kommt ein Gespräch zustande, das sehr nett ist. Tatsächlich fällt die anfängliche Stille auch der Kellnerin auf und sie fragt nach, ob das Essen denn so gut sei. Und genauso ist es, es herrscht gefräßige Stille. Im Hotel gibt es auch eine Replik der Axt aus "The Shining", also steht nach dem Frühstück noch eine kleine Fotosession an. 

Danach starte ich, während Warrior noch ein paar Telefonate führen muss wegen ihren zwei verschollenen Paketen. Aber da wir ja beschlossen haben, uns in den Städten zu treffen und dazwischen jeder sein Ding zu machen, passt das ja. Wegen eines blöden Denkfehlers habe ich mir ein viel zu großes Resuppliepaket in die Lodge geschickt und jetzt ist mein Rucksack viel zu schwer. Außerdem ist es heiß und der Trail den meisten Tag über sehr steil und es gibt immer wieder Blowdowns, bei einigen muss man sogar den Rucksack abnehmen um darunter durchkriechen zu können. Ich bin unfassbar langsam. Allerdings gibt es auch ein richtiges Highlight zu bewundern, die Ramona Falls. Die sind sehr beeindruckend und direkt davor ist es angenehm kühl. 

Und bei der nächsten Wasserquelle treffe ich eine Hikerin namens Boogie, mit der ich mich sehr gut verstehe und die ich heute und morgen früh noch mehrmals treffe. Doch im Laufe des Tages werde ich immer langsamer. Mein rechtes Bein macht wieder Probleme. Es tut nichts wirklich weh, es ist einfach, als ob der Knöchel nicht mehr richtig funktioniert und sich dadurch nur langsam bewegt. Ich werde zunehmend frustrierter. Gegen 19 Uhr überholt mich Warrior, die den Trail entlang rast. Ich freue mich für sie, dass es so gut läuft und beneide sie gleichzeitig darum. Irgendwann schaffe ich nicht einmal zwei Meilen mehr pro Stunde. Leider muss ich noch zur nächsten Wasserquelle. Als ich diese erreiche, beschließe ich, die nächste freie Campsite zu nehmen, die ich finde. Um 21:15 finde ich eine direkt neben dem Trail, die ich unter normalen Umständen vermeiden würde, aber jetzt ist mir das egal. Tatsächlich habe ich 27 Meilen zurückgelegt, was gut ist, allerdings habe ich dafür auch über 11 Stunden gebraucht, was nicht gut ist. Ich esse noch zu Abend und gehe dann gefrustet schlafen.

Tag 114: Als ich am Morgen aufwache, fühle ich mich wesentlich besser. Beim loslaufen ist mein rechter Knöchel sehr steif und ich humple eine Weile, bis er warm wird und ich vernünftig Laufen kann. Dann lege ich ein paar gute Meilen zurück, doch bald schon kehrt das Gefühl des nicht richtig funktionierens zurück. Dazu kommt noch, dass der Trail sehr steil bergab führt ins Tal des Eagle Creeks. Teilweise ist der Trail wieder so überwuchert, dass ich ihn kurz verliere und Bushwhacking betreiben muss. Außerdem ist es wieder heiß und durch die schweißnasse Hose scheuere ich mir die Oberschenkel und den Hintern wund. Im Tal selbst ist der Trail dann wieder gut in Schuss und das Tal selbst ein weiteres Highlight. Immer wieder gibt es spektakuläre Wasserfälle zu sehen, am herausragendsten sicher der Tunnel Falls, bei dem man tatsächlich durch einen Tunnel hinter dem Wasserfall läuft. 

Damit bin ich zumindest von meinem langsamen Tempo, meinem Bein und den wunden Stellen abgelenkt. Um 14 Uhr erreiche ich dann letztlich Cascade Locks, die Stadt an der Grenze zu Washington. Zuerst erledige ich das wichtigste und gehe zum Postoffice. Das ganze Essen, dass ich in der Timberline Lodge mitgenommen habe, schicke ich jetzt zum Soqualmie Pass, wo ich tatsächlich Essen für vier Tage brauche. Danach gehe ich resupplien für die kommende Etappe nach Trout Lake, brauche aber selbst dafür kaum etwas kaufen. Ein Teil meiner Probleme mit dem Bein kamen sicher vom ungewohnt schweren Rucksack. Der war zwar auch schon schwerer, aber das ist eine Weile her. 

Nachdem ich das alles erledigt habe treffe ich Warrior und ein paar andere in der Brauerei, die schon bei ihrem dritten Bier sind. Ich trinke nur eins, dann gehen wir Burger essen und dann zum Campground, auf dem wir übernachten wollen. Da die Camphostin nicht da ist gehen wir mit zwei anderen Hikern zu einem kleinen Strand am Columbia River, der Oregon und Washington voneinander trennt. Obwohl es schon spät am Nachmittag ist, ist es immer noch unfassbar heiß. Tatsächlich erleben wir hier gerade eine Hitzewelle und das Wasser ist sehr warm, aber immer noch erfrischend. Als wir zurück kommen können wir endlich einchecken und unsere Zelte aufbauen. Nach dem Abendessen unterhalte ich mich noch eine Weile mit Chef und einer weiteren Butterfly, die ich auf dem Campground kennen gelernt habe. Danach gehe ich ins Bett. Da das WiFi sehr gut ist streame ich noch eine Folge des ZDF Magazin Royale und gehe dann schlafen. 

Tag 115: Die Nacht auf dem Campingplatz war an sich nicht schlecht. Ab und zu ist direkt neben dem Platz ein Zug vorbei gefahren, dann bin ich immer kurz aufgewacht und direkt wieder eingeschlafen. Hier herrscht gerade eine Hitzewelle mit bis zu 40° und es steht ein steiler Anstieg bevor. Daher überlegen wir, ob wir noch den ganzen Tag in der Stadt bleiben und am frühen Morgen loswandern oder irgendwann am Nachmittag. Erstmal gehen wir jedenfalls frühstücken und dann nochmal Schwimmen im Fluss. Und da die Temperatur doch erträglich zu sein scheint, verlassen wir um 15 Uhr die Stadt Richtung Bridge of the Gods und damit Washington. Die Brücke zu überqueren ist ein großer Moment. Zum einen ist sie sehr beeindruckend. Da es aber keinen Gehweg gibt, läuft man auf der Fahrbahn. Und die Fahrbahn besteht aus einem engen Metallgitter, sodass man direkt hinab in den Columbia River blickt. Vor allem aber gab es bisher immer einen nächsten Meilenstein, auf den man zugelaufen ist und den man im Auge hatte. Für manche ist es zum Beispiel der Eagle Rock oder auch nur Lake Morena. Für mich war es Kennedy Meadows. Danach dann Mount Whitney, das Ende der Sierras am Lake Tahoe, die Grenze nach Oregon, die Timberline Lodge. Doch die Bridge of the Gods war der letzte Meilenstein. Jetzt gibt es nur noch das Ziel, die kanadische Grenze. Es fühlt sich an, als ob das Ziel zum greifen nahe ist und meine Zuversicht, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, steigt immens. Wenn alles gut läuft stehe ich in drei Wochen am Monument des Northern Terminus. Ein im Moment surreales Gefühl. Mit diesem überquere ich also die Brücke und mache meine ersten Meilen in Washington. 

Schnell lande ich aber wieder im hier und jetzt, denn es ist heiß. In kürzester Zeit bin ich klatschnass durchgeschwitzt. Und dann verliere ich auch noch meinen PCT Pin, den ich in Weightwood geschenkt bekommen habe und seit dem an meiner Kappe getragen habe. Als ich meine Kapuze aufsetze, bleibt diese am Pin hängen und reißt ihn ab. Ich höre ihn auf einem Stein aufkommen. Nach etwa 20 Minuten vergeblicher Suche gebe ich schlussendlich auf, auch wenn der Verlust schmerzt. Weightwood ist meine liebste Trailstadt und ich mochte dieses Souvenir und habe es gerne getragen. Aber da kann ich leider nichts machen, so etwas passiert wohl einfach. Zur Entschädigung bekomme ich vom Trail zumindest ein paar leckere Brombeeren. Nach 13 Meilen ist der erste Anstieg in Washington geschafft und ich schlage das erste Mal mein Zelt auf. Tatsächlich ist die Campsite sehr gut besucht, aber wir finden ein paar freie Plätze. Beim Abendessen unterhalten wir uns mit zwei Southboundern, die am Soqualmie Pass gestartet haben. An sich erzählen sie nur gutes, aber in zwei Tagen kommen wir wohl in ein übles Moskitogebiet. Darauf hätte ich gut verzichten können, aber da müssen wir eben wieder einmal durch. Meinem Bein ging es überraschend gut. Ich konnte ein schnelles Tempo laufen, habe aber auch das Gefühl, dass es immer noch schnell ermüdet. Ich hoffe die positive Entwicklung setzt sich fort.

Tag 116: Heute ist der letzte Tag der Hitzewelle. Insgesamt trinke ich heute an die 6 Liter Wasser und bin wieder durchgeschwitzt. Aber meinem Bein geht es sehr gut und ich bin wieder schnell unterwegs, was ein unfassbar gutes Gefühl ist. Schon um 13 Uhr habe ich 20 Meilen geschafft. Kurz darauf finde ich Trailmagic, die schon von den Southboundern angekündigt wurde. Leider ist die Auswahl nicht mehr so groß wie angekündigt. Dennoch ist es tolle Trailmagic, auch mit medizinischen Sachen und Snacks und Obst, die aber leider aus sind. Was es aber noch gibt sind ein paar wenige Sodas, von denen ich mir eine nehme, Kaffee in Einmachgläsern, von dem ich ein wenig trinke und selbstgemachtes Essen, das einvakuumiert ist. Gestern gab es wohl noch Cheeseburger. Ich finde ein Päckchen mit Kartoffeln, Rührei und Würstchen. Das ist schon sehr lecker. Danach gehe ich zwei Meilen weiter zum Panther Creek. Der ist leider zu kalt zum Baden, aber ich wasche mich und mache eine gut eineinhalb Stunden lange Mittagspause am Ufer, wo es angenehm kühl ist. Ich döse ein wenig vor mich hin und lasse meine Gedanken schweifen. Und falle ein paar Entscheidungen, die ich umsetzen will, wenn ich wieder in Deutschland bin. 

Um 16 Uhr nehme ich dann den nächsten großen Anstieg in Angriff, der direkt am anderen Ufer beginnt. Und auf dem es kein Wasser gibt, also nehme ich knapp 3,5 Liter mit. Teilweise ist der Anstieg tatsächlich sehr steil, aber der Trail ist in gutem Zustand und zumindest im Schatten. Um halb sieben erreiche ich mein heutiges Ziel. Ich habe insgesamt 30,5 Meilen gemacht, womit ich, vor allem aufgrund der langen Pausen, sehr zufrieden bin. Leider sind alle Zeltplätze auf Erde schon belegt. Da ich meine Heringe auf dem restlichen Schotterboden nicht in den Boden bekomme, entschließe ich mich, seit langem wieder einmal für cowboycampen. Bisher zumindest sind keine Moskitos unterwegs, ich hoffe, dass es dabei bleibt, denn dann ist das ein toller Platz für ein Cowboycamp. Auf einem freien Feld auf einem Kamm mit toller Aussicht. Ich lege jedenfalls mal meinen Tripod bereit, eventuell gibt es wieder einmal ein paar schöne Fotos vom Sternenhimmel zu schießen.

Tag 117: Heute ist ein verdammt guter Tag. Die Nacht cowboycampen war schön, auch wenn es kaum Sterne zu sehen gab. Am Morgen ist es leicht bewölkt und bei weitem nicht so heiß wie in den Tagen zuvor. Nach einem kleinen Aufstieg habe ich einen langen Abstieg vor mir und komme schnell voran. Auf einmal höre ich ein inzwischen bekanntes Knacken. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Es gibt kein dichtes Gestrüpp und tatsächlich entdecke ich einige Meter vor mir einen Bären, der sich mit einem Baumstamm beschäftigt. Scheinbar hat er mich bemerkt, denn er beachtet mich zwar nicht weiter, läuft aber den Hang hinab. Dieses Mal kann ich aber ein kurzes Video von ihm machen, was mich sehr freut. Danach laufe ich weiter. Kurz darauf komme ich an einen Trailhead. Ich habe zwar erst 7,5 Meilen, da aber in einer Meile das Moskitogebiet wieder beginnt und ich hier noch meine Ruhe habe, entschließe ich mich, hier zu frühstücken. Ich komme mit einer Familie ins Gespräch, die gerade dabei ist, zu einem Sectionhike aufzubrechen. Am Ende des Gesprächs bekomme ich ein Breakfastsandwich und zwei Mandarinen geschenkt. Es ist noch nicht einmal 9 Uhr und ich habe einen Bären gesehen und Trailmagic bekommen. Besser kann ein Tag gar nicht beginnen. Kurz nachdem ich weiterlaufe finde ich den 2200 Meilen Marker. 

Leider finde ich auch kurz darauf die Moskitos. Als ich Mittagspause machen möchte baue ich tatsächlich schnell mein Zelt auf, um meine Ruhe zu haben. Der Trail führt immer wieder an schönen Seen vorbei und ich unterhalte mich ab und zu mit anderen Hikern. Mein Camp schlage ich dann eine Viertel Meile abseits vom Trail am Steamboat Lake auf. Ich bin überrascht, denn wieder habe ich über 30 Meilen zurückgelegt und es ist gerade einmal 17:30. Alles in allem liefen die letzten beiden Tage verdammt gut, so kann es gerne weitergehen.

Tag 118: Heute geht es nach Trout Lake. Bis zur Straße habe ich nur 7,5 Meilen vor mir. Von der Straße fährt ein Shuttle von Trailangeln viermal pro Tag in den Ort. Ich habe gestern mit Warrior geschrieben, sie ist 7 Meilen hinter mir und will den Shuttle um 11 Uhr nehmen. Ich beschließe, den um 08:30 zu nehmen. Zumindest laut der Homepage der Stadt hätte dieser um 08:30 fahren sollen, das habe ich in Cascade Locks nachgeschaut. Als ich um 08:20 an der Straße ankomme muss ich feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben und der Shuttle schon um 8 Uhr gefahren ist. Also warte ich. Irgendwann kommt ein Hiker namens Noodles mit einem Van am Trailhead an. Ihn habe ich gestern am Steamboat Lake kennen gelernt. Er hikt mit seiner Frau, wobei er immer wieder mit dem Wohnmobil vorausfährt und ihr dann entgegenläuft. Von ihm bekomme ich eine Pepsi und einen Apfel. Damit ist das warten nicht mehr ganz so lange, allerdings ist es, wenn man still sitzt, ganz schön kalt. Zum Glück habe ich ja wieder eine Daunenjacke.

Nach über einer Stunde kommt endlich das erste Auto in die richtige Richtung und nimmt mich glücklicherweise mit. Ich unterhalte mich gut mit Steve über die Gegend und meine Erfahrungen in Amerika und auf dem Trail. Um 10 Uhr bin ich in Trout Lake und gehe frühstücken. Leider ist es eines der schlechtesten Frühstücks, die ich bisher hatte. Die Hashbrowns waren kalt, das Ei geschmacklos und der Kaffee schlecht. Das einzig gute waren die Würstchen, aber die Portion als solche auch zu klein. Danach gehe ich zum Store und mache meinen Resupplie für die nächsten zwei Tage. Später kommt Warrior an und wir verbringen den restlichen Tag zusammen. Wir gehen auf dem nahe gelegenen Campingplatz duschen und waschen danach. Beides habe ich seit Bend nicht mehr gemacht und ich genieße die Dusche und die sauberen Klamotten sehr. Dazwischen war ich nur ab und zu in Seen schwimmen und waschen. Danach gehen wir bei einem Tacotruck essen und die sind wirklich gut. Und dann kümmern wir uns um unsere letzten Resuppliepakete, die wir nach Stehekin schicken. Sie enthalten Essen für fünf Tage, unsere letzten fünf Tage auf dem Trail. Wieder ein merkwürdiges Gefühl, dass die Reise bald zu einem Ende kommt. Den restlichen Tag hängen wir am Store rum und unterhalten uns mit anderen Hikern. Zum ersten Mal treffen wir Southbounder, die auch tatsächlich an der kanadischen Grenze gestartet sind. Später am Abend kommt auch Hasbeen an, der von einer Straße 17 Meilen früher gehitcht ist. Für fünf Dollar können wir auf dem Rasen vor dem Store campen, was wir gerne machen. Wie fast alle Hiker, die hier bleiben, cowboycampen auch wir. Da das WiFi sehr gut ist schaue ich noch ein paar YouTube Videos, bevor ich dann schlafen gehe.

Tag 119: Wir haben uns für den Shuttle um 07:30 zurück zum Trail eingetragen. Nach einem kleinen Frühstück aus dem Store sitzen wir im Bus. Kurz bevor wir losfahren, steigt Warrior plötzlich aus und spricht kurz mit dem Fahrer. Danach kommt sie zu mir und sagt mir, dass sie einen Shuttle später nimmt. Wir verabreden uns noch, uns am Freitag in Packwood zu treffen, dann ist sie weg. Sie war vorher am Handy und auch beim losfahren sehe ich sie daran. Ich hoffe sehr, dass sie keine schlechten Nachrichten bekommen hat. Im Moment kann ich jedenfalls nichts für sie tun. Am Trailhead angekommen mache ich mich auf den Weg. Der Trail führt heute um Mount Adams herum und bietet zusätzlich immer wieder tolle Ausblicke auf Mount St Helens und Mount Rainier. Bei allen dreien handelt es sich um inaktive Vulkane. Der Hype um Washington und die Cascades scheint bisher definitiv gerechtfertigt zu sein.

 Heute kommen mir immer wieder Southbounder entgegen. Mit einigen von ihnen unterhalte ich mich kurz, was immer interessant ist. Was den Genuss des Trails etwas trübt sind wieder einmal Moskitos. Besonders am Abend, als ich mein Zelt aufbaue, mache ich das wieder einmal in Rekordzeit und werde anschließend belagert. Ich fürchte schon jetzt den Augenblick, wenn ich das Zelt morgen früh verlassen muss, aber das ist ein Problem für Zukunftsphoenix. Jetzt gehe ich erstmal schlafen, denn auch heute habe ich wieder knapp 28 Meilen zurückgelegt und bin entsprechend kaputt. 

Tag 120: Zukunftsphoenix schafft es tatsächlich, mit nur wenigen erlittenen Stichen, das Zelt zu verlassen und Insektenspray aufzutragen. Da es über Nacht deutlich abgekühlt hat, es hat unter 10°, trage ich meine Regenjacke, die mich gleichzeitig vor den Moskitos schützt. Es ist bewölkt und ab und zu nieselt es ein wenig. Gegen Mittag klart es aber auf und die Temperaturen sind sehr angenehm. Als ich zum Cispus Pass aufsteige und aus dem Wald herauskomme habe ich plötzlich eine unglaubliche Aussicht und bin überwältigt. Die Goat Rocks Wilderness ist fantastisch, es geht über die Knife's Edge und um mich herum ist nichts außer schneebedeckten Bergen. Mit so einer Aussicht habe ich so früh in Washington nicht gerechnet. Der Abschnitt gehört mit zu den schönsten auf dem Trail und erinnert mich sehr an die Alpen. 

Nach 28 Meilen schlage ich mein Zelt auf. Ich bekomme eine Nachricht von Warrior, die gestern einen Zero in Trout Lake eingelegt hat und morgen nicht nach Packwood kommen wird. Eigentlich wollten wir dort zusammen einen Zero einlegen. So wird es wohl für mich ein Double Nero werden, denn Warrior will nur für den Resupplie in die Stadt und ich will mir kein Zimmer alleine für zwei Nächte leisten. Ein Zimmer für mich zu haben für eine Nacht hat aber durchaus seinen Reiz und da ich nur noch 10 Meilen in die Stadt habe, habe ich auf jeden Fall eine Menge Zeit. Und irgendwelche Hiker werden sich schon in der Stadt herumtreiben.

Tag 121: Heute macht mein rechter Fuß wieder Probleme. Ich verstehe es nicht. Die letzten zwei Tage waren überhaupt kein Problem und heute komme ich wieder kaum voran. Es ist verdammt frustrierend. Zum Glück habe ich nur zehn Meilen vor mir, für die ich am Ende aber vier Stunden brauche. An der Straße angekommen gibt es zwar viel Verkehr, trotzdem dauert es eine gute halbe Stunde bis mich ein Feuerwehrmann namens Ron mitnimmt, der gerade von einem Waldbrand in der Nähe des PCT kommt. Im Moment ist der Trail aber noch nicht gesperrt und das wird er wohl auch nicht. In Packwood buche ich mir ein Zimmer im Packwood Inn das leider teurer ist als mir lieb ist. Aber es ist das letzte freie Zimmer, von daher habe ich keine Wahl. 

Danach gehe ich etwas essen und dann in ein Café mit WiFi. Und dort finde ich heraus, dass ich ein Problem habe. REI hat meine Bestellung in zwei Paketen geschickt. Meine Innensohlen sind angekommen, das wesentlich wichtigere Paket mit den Socken und Schuhen wurde vom Post Office aber nicht angenommen und ist auf dem Weg zurück zum Absender. Ich hatte gehofft, mit den neuen Schuhen endlich die wiederkehrenden Probleme mit dem rechten Fuß in den Griff zu bekommen. Jetzt muss ich mir überlegen, wo ich sie ansonsten hinbestellen könnte, dafür gibt es in Washington nämlich nicht all zu viele Möglichkeiten. Und dann muss ich da mit den alten Schuhen noch irgendwie hinkommen. Jedenfalls hole ich erstmal meine Sohlen ab und gehe dann einkaufen. Danach kann ich auf mein Zimmer und setze mich erstmal mit REI ein Verbindung. Zumindest bekomme ich schon mal ohne Probleme mein Geld zurück. Und dann bestelle ich die Schuhe zum Stevens Pass. Hoffentlich klappt das diesmal. Die 170 Meilen bis dahin werde ich schon irgendwie schaffen, bisher zumindest habe ich ja nur ab und zu einen schlechten Tag. Den Rest des Tages verbringe ich damit, wieder einmal meine Ausrüstung auf Vordermann zu bringen und fern zu sehen. Es liegt wohl daran, dass ich alleine bin, aber wahrscheinlich war das der erholsamste Stadtaufenthalt, den ich bisher hatte.


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