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Die Abtei der Abteien

Veröffentlicht: 24.07.2024

„Und im Jahr des Herrn 708 erschien Bischof Aubert von Avranches Erzengel Michael und trug ihm auf, auf dem nahen Berg in den tosendem Wellen des Atlantik eine Kirche zu erbauen.“

Da sich der Bischof aber beharrlich weigerte, erschien ihm der Erzengel erneut und brannt ihm mit seinem Zeigefinger ein Loch in den Schädel, so dass Dieser dann doch den Bau in Auftrag gab.

So oder so ähnlich MUSS es sich natürlich abgespielt haben, zumal der gelochte Schädel des gleichnamigen Bischofs ja auch in der Kirche St-Gervais-et-St-Protais in Avranches darnieder liegt!

Durch den brennenden Finger überzeugt, besorgte Aubert die nötigen Reliquien aus Monte Sant‘Angelo, weihte den Bau somit im Jahr 709 als christliche Kirche ein und nannte sie ganz kreativ Mont-Sant-Michel!

Heute befindet sich auf diesem Berg vor der Küste der Normandie (ob die Bretonen sich über die verpasste Sehenswürdigkeit ärgern, liegt die „Grenze“ doch nur fünf Kilometer entfernt) einer der imposantesten und besterhaltensten Bauten des Mittelalters und gehört völlig zurecht auf die UNESCO Weltkulturerbe-Liste!

Ein Besuch der Insel bedarf jedoch einiger Vorbereitungs- und Einlesezeit! Nicht wegen der Architektur oder der wechselhaften Geschichte und Nutzung (während der Franz. Revolution diente sie kurzzeitig sogar als Gefängnis), sondern wegen der unvorstellbaren Menschenmassen, die sich diesen Berg nicht entgehen lassen wollen.

Ein Sprichwort besagt nicht zu Unrecht, dass ein Besuch der Normandie/Bretagne ohne den Mont Sant Michel wie ein Paris-Trip ohne Eiffelturm sei!

Selbst die franz. Tourismusministerin empfiehlt den Besuch des Bergs entweder früh am Morgen oder spät am Abend. So habe man auch mehr von den phantastischen Lichtverhältnissen, die die Sonne auf den Bau zaubert.

In der Hochsaison pilgern täglich ca. 22.000 Menschen hierher, was bis 2011 ein gigantisches logistisches Problem war. Tummelten sich doch hunderte Autos und dutzende Busse auf den Salzwiesen und dem Damm zur Insel und belasteten das gesamte Ökosystem massiv! Nach einem gigantischen Umbauprojekt findet man nun einen überdimensional großen Parkplatz samt Touristenzentrum, Campingplatz und Souvenirshop! Wir sind begeistert, denn alles hier wirkt durchdacht, nichts ist versiegelt, überall sind dem klimatischen Raum angepasste Pflanzen gesetzt und trotz der irren Größe scheint alles reibungslos zu laufen.

Der Weg vom Parkplatz (übrigens 21€ pro 6h Parkzeit) bis zur neu installierten Brücke dauert gute 30 Minuten, was alternativ auch per Shuttlebus überbrückt werden kann.

Ich komme mir gerade vor wie ein Bewerber der ganzen Anlage…

Wie auch immer…bereits am Parkplatz, den wir nach vorheriger Recherche bewusst erst um 16 Uhr ansteuern, zeigt sich, WIESO man eben entweder sehr früh oder sehr spät anreisen sollte. Es ist echt irre voll. Sowohl auf dem Parkplatz selbst, als auch auf dem Weg Richtung Insel. Etwas leerer ist es dann auf dem Kilometer, der auch per Shuttlebus zurückgelegt werden kann, aber an entspannte und menschenfreie Insta-Selfies ist hier überhaupt nicht zu denken.

Der Blick auf die Klosterinsel ist aber dennoch omnipräsent und einfach absolut grandios.

Am Eingang angekommen schwanken wir vom Vergleich her zwischen Hogsmeade und Königsmund, führt doch der Hauptweg durch eine von Restaurants und Nippes-Läden gesäumte Gasse den Berg hinauf. Sämtliche Häuser sind entweder aus Fachwerk oder dem typisch bretonischen Steinwerk gebaut und alle paar Meter zweigt ein schmalstes Gässchen samt Treppen hoch zur Abtei ab.

Natürlich dürfen die im Vorhinein erwähnten grob 22.000 Menschen nicht unerwähnt bleiben, denn zumindest auf eben jener Hauptstraße ist es ein einziges Geschiebe.

Durch einen schulterbreiten Weg (unsere Schulterbreite…) flüchten wir vor der Menge und schrauben uns gemsengleich den Berg hinauf. Denn abseits dieser Hauptstraße ist es tatsächlich deutlich angemehmer und ruhiger. Gasse um Gasse kommen wir der Abtei oben auf dem Berg näher, machen kurz Rast auf dem winzigen Friedhof und landen endlich hoch oben am Eingang zur Abtei, wo uns freundliche Gendarme durchsuchen und zur Kasse bitten.

Der Weg durch die Abtei samt Rittersaal, Transkriptorium, Kapelle und Krypta lässt uns in einem dauerhaften Staunen zurück. Komplett verwinkelt, überall kleine Türchen, Treppen in sämtliche Richtungen, riesige Kamine, ein herrlicher Kreuzgang und mittendrin Schwestern der „Gemeinschaften von Jerusalem“, welche seit einigen Jahren die Abtei bewohnen und trotz der Touristenmassen ihrem Streben und Tun nachgehen.

Wir sind völlig hin und weg von den Eindrücken und der Tatsache, wie gut erhalten alles hier ist.

Nach einigen Stunden Aufenthalt steigen wir langsam wieder abwärts aus der Ruhe des Klosters hin auf die auch um 19 Uhr noch völlig überrannte Hauptgasse, kaufen uns (warum auch immer) ein mehr als enttäuschendes Eis, welches bei ungehemmtem Wind ähnlich schnell schmilzt wie in der Namib und machen uns langsam, alle 20 Meter umdrehend wieder auf den Rückweg.

Hier schlagen wir jedoch die Cross-Route ein und laufen durch die Salzwiesen und Schafherden zurück, nochmal das ein oder andere Foto knipsend.

Unseren eigentlichen Plan, die Insel, bzw die Umgebung bis zur Flut um 21:45 Uhr nicht zu verlassen, da an diesem Tag ein besonders hoher Tidenhub zu erwarten ist, der äußerst selten dazu führt, dass der Berg auch vollends zur Insel wird, werfen wir allerdings über den Haufen. Zu müde sibd die Beine im Wissen, dass noch 40 Minuten Fußweg zum Auto plus 1 1/2 Stunden Rückfahrt warten.

Wir sind trotzdem beseelt, hätten uns im Kreis in den Allerwertesten gebissen, den Ausflug nicht zu machen und sind dankbar für des Erzengels brennenden Finger, der nötig war, um Aubert vor mehr als 1000 Jahren vom Baubeginn auf dem Felsen zu überzeugen!

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