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Ushuaia

Veröffentlicht: 14.06.2024

Nach endlos langen und ereignisreichen Wochen im der Hauptstadt sollte es nun weitergehen. Der Kopf voller Erinnerungen, die man gar nicht so einfach mal verarbeitet bekommt und das Telefonbuch voller neuer Kontakte, die den ganzen Wahnsinn (im positiven Sinne) hier mit gestaltet haben. Allerdings war es jetzt an der Zeit für einen Tapetenwechsel, raus aus dem urbanen Raum, Natur und Wildnis riefen und das Ziel sollte die südlichste Stadt der Erde sein - Ushuaia, die Hauptstadt der Provinz Feuerland. Jeder Mensch hat wohl so Sehnsuchtsorte, aus den verschiedensten Gründen. Das kann jeder beliebige Ort auf der Erde sein, im eigenen Garten oder tausende Kilometer weit entfernt. Bei mir war Ushuaia schon immer einer davon, zumindest seit ich denken kann oder eben seit der Zeit, ab der mich irgendein innerer Drang in die Welt heraustreibt, um mir all das anzusehen, was unser Planet so an schönen oder auch weniger schönen Orten zu bieten hat. Warum Ushuaia? Gute Frage, kann ich nicht so aus dem Stehgreif beantworten, vielleicht weil es einfach etwas Magisches hat, das sprichwörtliche bewohnte sũdliche Ende der Welt zu sein. Weil danach einfach nix mehr kommt, außer raue Natur und es auch irgendwie die Grenzen des menschlichen Treibens auf unserem Planeten darstellt.

Am Hafen

Ursprünglich war der Plan, die Strecke von Buenos Aires aus mit dem Bus zurück zu legen, allerdings reitet man die über 3.500 km mal nicht einfach so an einem Tag ab. Beim Prüfen der Alternativen stieß ich auf einen unschlagbaren Preis für einen Direktflug und entschied mich für die logistisch sinnvollere Variante, Zeit- und Kostentechnisch war dies einfach Alternativlos.

Beim Abflug am innerstädtischen Aeropark nochmal die Blicke über die Stadt schweifen lassen, bevor man wieder einmal unsanft daran erinnert wurde, warum Flugreisen für mich nichts mehr als ein notwendiges Übel für den Weltenbummel sind: Die ersten fast 1,5 Stunden heftigste Turbulenzen, an Bordservice oder Toilettengang war nicht zu denken. Also Musik auf die Ohren, Augen zu und irgendwie versuchen ein Teil dieser Achterbahnfahrt zu werden. Als dies einigermaßen gelang, verbesserte sich die Situation glücklicherweise und man konnte sich schon mal seelisch und moralisch auf die veränderten Witterungsbedingungen vor Ort einstellen. Als dann der Eisenvogel kurz vor dem Aufsetzen aus der dichten Wolkendecke auftauchte, sah man auch endlich das Ziel dieser kurzen Reise, umringt von schneebedeckten Gipfeln grüßte verschlafen bei starkem Wind und Schneeregen, Ushuaia - die südlichste Stadt der Welt.

Nach Ankunft erstmal kurz die Nase in den Wind gehalten und dann per Uber zum Hostel. Hat irgendwas, das raue Wetterchen, setzt diesen Ort perfekt in Szene, finde ich. Und dabei bin ich eher kein Freund der kalten Jahreszeit und präferiere Sommer und Sonne. Das Hostel hier in Ushuaia hat mich im Übrigen vollends überzeugt: Anum-Hostel. Nix prinzipiell Besonderes aber mit unfassbar auskunftsfreundlichem und hilfsbereitem Personal, sehr bequemen Bett und einem urigen Gemeinschaftsraum, ganz in Holz eingekleidet, mit Blick in die Stadt. Nach kurzem Smalltalk dann in die Winterklamotten gestiegen, Kapuze übers Gesicht und durch den Ort geschlendert. Der Ortskern der 65.000-Einwohnerstadt besteht überwiegend aus Souvenirshops, Cafés und Läden mit sündhaft teurer Outdoorkleidung, man kann hier locker nochmal 50% auf die Preise in Europa draufschlagen. Die Kundschaft wird wohl ausschließlich aus wohlhabenden Touristengruppen bestehen, der durchschnittliche Argentinier wird sich den überteuerten Krempel wohl kaum leisten wollen.

Läuft man in Richtung Wasserfront, hat man eigen wunderbaren Blick über den Beagle-Kanal, die Wasserstraße, die hier auch die Staatsgrenze zwischen Argentinien und Chile abbildet.

Waterfront

Am Hafen von Ushuaia gibt es zahlreiche Buden, die alle möglichen Ausflüge um die Stadt herum anbietet. Beagle-Channel, Wanderungen in die Berge oder zu einem der Hausgletscher oder auch Bootsfahrten nach Puerto Williams, die kleine Siedlung auf chilenischer Seite des Kanals, die zwar noch etwas südlicher liegt, allerdings mit ihrer überschaubaren Einwohnerzahl nicht als Stadt anerkannt ist. Auch haben am Hafen ein paar Expeditionsschiffe festgemacht, man kann als Tourist auch mehrtägige Touren ins ewige Eis buchen. Die Günstigste für ungefähr 6.000 Euro. Dafür gibt es eine private Kabine und einen 9-tägigen Ausflug in die Antarktis. Vielleicht ein anderes Mal, diesmal sollte es für mich am nächsten Tag die etwas preiswertere Beagle-Channel-Tour werden (ca. 30 Euro). Auch schön - also ganz bestimmt sogar, so dachte ich mir.

Als ich am nächsten Morgen den Katamaran bestieg, zeigte sich Ushuaia von seiner besten Seite: kein Regen, nur leichter Wind und sogar die Sonne schob sich vereinzelt hinter den Wolken hervor und tauchte die Silhouette der Stadt in ein sonderbar melancholisches Licht. Richtig toll, der Katamaran nahm Kurs auf den Kanal und die Stadt mit den weißen Gipfeln im Hintergrund schob sich langsam von uns weg. Dazu eine dem Szenario perfekt zugeschnittene Stille, man hörte nichts als den Wind und das plätschernde Wasser am Bug des Katamaran. Ich verbrachte fast die komplette 3-stündige Fahrt im Außenbereich des Bootes, die Szenerie war einfach zu beeindruckend, um sie a die wohltemperierte Kabine zu verschwenden. Während der Exkursion machen wir in etwas Entfernung an mehreren Steininseln halt und beobachteten das rege und lautstarke animalische Treiben darauf. Unzählige Kormorane, andere Wasservögel, Seerobben und -löwen versuchten sich irgendwie ihren Platz auf einer der sehr gut bevölkerten Landmassen zu sichern. Eine bizarre Geräuschkulisse aus Brüllen und Kreischen sowie ein sehr starker Gestank lieferten hier ein Fest für alle Sinne. Ein kurzer Landgang auf einer der Kanalinseln, der sogenannten Feuerlandinseln und ein Abstecher zum Faro Les Éclaireurs, einem der südlichsten Leuchttürme der Erde und Wahrzeichen der Region Feuerland stand außerdem auf dem Programm. Alles in allem ein wirklich beeindruckender Ausflug mit viel Stille, dem Geschmack von Salzwasser auf den Lippen und dem Gefühl unendlicher Weite, die sich bei dem Blick in die Ferne nur ansatzweise erahnen lässt. Würde ich jederzeit wieder so machen und kann ich uneingeschränkt empfehlen, diese Art von Ausflug.

Faro Les Éclaireurs

Die restliche Zeit der insgesamt 4 Tage hier, verbrachte ich mit ausgiebigen Erkundungstouren ins Umfeld der Stadt. Dort wo die Bebauung lichter wird und sich die Siedlungen aus einfachsten Behausungen zerstreuen, hat man einen wunderbaren Blick auf die wilde und schöne Natur von der Ushuaia umgeben ist. Gerade jetzt während der letzten Herbsttage ein wunderschönes Zusammenspiel von allerlei Farben. Die Natur scheint wie ein buntes Gemälde und ist trotz dem Beginn der dunklen Jahreszeit hier unten alles andere als trist.

Besucht habe ich außerdem noch den Tren del Fin del Mundo, den Zug ans Ende der Welt. Allerdings ohne Mitfahrt, denn gute 40 Euro plus nochmal 15 Euro für den Eintritt in den Nationalpark (beides geht nur in Kombination) schienen mir irgendwie nicht angemessen für eine knapp 30-minütige Zugfahrt und einen Nationalpark, der zwar bestimmt wunderschön allerdings vom Erscheinungsbild her wohl auch ähnlich zum Rest der frei erwanderbaren Natur in der Umgebung der Stadt erschien. Zumal das Postamt am Ende der Welt, welches noch ein Grund mehr für die Fahrt gewesen wäre, wohl dauerhaft geschlossen ist. Der Betreiber in zweiter Generation nimmt es mit dem Betrieb leider nicht ganz so genau, wie der geschwätzige Carlos, der hier in Ushuaia eine Art Kultstatus genießt, nach der COVID-Pandemie aber beschloss, das Zepter weiterzureichen.

Erbaut wurde die Bahnstrecke der südlichsten Eisenbahn der Welt im Übrigen von ehemaligen Sträflingen. Die damals 25 km lange Strecke diente dem Materialtransport für ein Gefängnis sowie dem Transport des von Häftlingen geschlagenen Holzes von den Arbeitslagern im heutigen Nationalpark in die Stadt. Das Gefängnis im Westen der Stadt dient heute unter anderem als Museum und kann gegen Gebühr besichtigt werden.

Tren del Fin del Mundo

Genug nun vom Ende der Welt, hier hat’s mir richtig gut gefallen aber es gibt noch mehr zu entdecken, oder um es wie im Songtext von Keimzeit zu formulieren:

“Bloß von hier weg, so weit wie möglich

Bis du sagst, es ist Zeit, wir müssen

Aus Feuerland zurück, nach Hause

Im Wiener-Walzer-Schritt”

Nach Hause sollte es aber noch nicht gehen, sondern erstmal ein kleines Stück nach Norden. Aber dazu dann im nächsten Aufschrieb mehr. :)

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