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Rurrenabaque

Veröffentlicht: 22.10.2024

Nach einer Woche La Paz wollte ich meinen immer noch im Kopf rumschwirrenden Plan realisieren und für ein paar Tag zurück nach Potosi fahren, um mir dort die Minen anzuschauen. Zwar logistisch ein absoluter Irrsinn, da ich dafür mit dem Nachtbus wieder fast zurück in Richtung chilenische Grenze musste aber wenn man sich etwas fest in den Kopf gesetzt hat, dann ist man nur schwer davon abzubringen, zumindest ist das bei mir so und außerdem hatte ich ja Zeit.

Früh am Morgen das Busticket gekauft, Gepäck für umgerechnet 25 Cent am Terminal eingeschlossen und den Tag in der Stadt verbummelt. Als ich eine halbe Stunde vor Abfahrt am Terminal ankam und mich bei der Company nach dem Abfahrtsgate erkundigte, nahm die Dame mein Ticket entgegen und drückte mir den bereits gezahlten Betrag wieder in die Hand. Recht verdutzt nahm ich den Betrag entgegen und erkundigte mich nach dem Grund. Straßenblockaden in Richtung aller großen Städte im Osten und Süden des Landes. Und da die Strecke La Paz – Potosi eine der Hauptmagistralen des Landes ist, war auch diese Verbindung betroffen. Zwar hatte die Logistik- und Transportbranche im Land einen Streik angekündigt, allerdings erst in ein paar Tagen und somit eigentlich für meine Reisepläne nicht relevant. Aber auch hier hatten sich wohl die Pläne geändert und es ging Nichts mehr auf den Verbindungsstraßen. Der Grund der Blockaden, die in Bolivien zum täglich Brot gehören: Treibstoffmangel im ganzen Land. Bereits die Tage zuvor hatte ich an Tankstellen lange Schlangen gesehen, Autos, LKW und Menschen mit Kanistern versuchten die letzten Reserven für sich in Anspruch zu nehmen. Das Problem scheint also ziemlich akut zu sein und die Branche versucht mit Straßenblockaden Druck auf die Regierung aufzubauen. Nun gut, also vorerst kein Potosi, aber was nun? Noch ein paar Tage in La Paz zu verbringen, dazu hatte ich im Moment keine Lust und somit wurde Plan B aktiviert, zumindest erstmal im Kopf, denn immerhin war das Land ja durch die Straßenblockaden lahmgelegt und ich hatte keine Ahnung ob überhaupt ein Bus irgendwo hin fährt. Plan B war die Ortschaft Rurrenabaque, gelegen im tropischen Regenwald Boliviens. Von da aus kann man diverse Touren mit dem Boot unternehmen und die ganze Vielfalt der Flora und Fauna des Waldes bestaunen. An der Busstation erkundigte ich mich nach der Lage und mir wurde mehrfach und von verschiedenen Personen versichert, dass die Passage nach Norden nicht von den Blockaden betroffen ist und die Busse in diesen Teil Boliviens problemlos verkehren. Perfekt! Also noch einen Tag in der Stadt ran gehangen und am Abend wieder dasselbe Spiel – ab zur Busstation, die sich für Busse nach Norden aber in einem anderen Teil von La Paz befindet. Kurz vor Abfahrt dann großes Chaos oder bolivianische Normalität: der Bus, für den ich das Ticket erstanden hatte, war bereits ausgebucht und somit wurde ich vor Ort 2 mal einem neuen Bus zugewiesen und stand ca. 2 Stunden nach regulärer Abfahrtszeit immer noch mit meinem Rucksack wie ein Trottel in der Gegend herum. Zwischen allerlei Straßenhändlern, streunenden Hunden und wildesten Gestalten hatte ich Zeit, die Transportmittel zu begutachten und nach kurzer Inspektion wusste ich, weshalb mir mehrere Einheimische auf meiner Reise gesagt hatten, dass die Busse von und nach Rurrenabaque die Schlimmsten in ganz Bolivien seien. Zwar ist der schlechte technische Allgemeinzustand der Fahrzeuge hier im Lande nichts unbedingt Neues für mich, aber dennoch war ich kurz erstaunt über die Dimension der Mängel. Reifen komplett ohne Profil, eingedrückte Fenster, fehlende Scheinwerfer und tiefe Schrammen überall an der Hülle des Busses. Perfekte Bedingungen für eine entspannte Busreise. Wenn es dann wieder mal in hoher Geschwindigkeit über allerfeinste Schotterpisten geht, kann man im Prinzip nur die Augen schließen und hoffen, dass das irgendwie gut geht. Hat auch wieder geklappt – zumindest bis irgendwann mitten in der Nacht. Aus nicht bekannten Gründen stoppte der Bus in Mitten der stockdunklen Landschaft und nichts ging mehr. Kurz gewartet und gewundert, wieso hier einige Leute den Bus verlassen, bevor sich die Kunde breit machte: Straßenblockade. Oh interessant, und dabei waren sich die Mitarbeiter der Busunternehmen in La Paz doch alle einig, dass das in diese Richtung kein Problem sei. Klassische Fehleinschätzung – haha. Und was nun? Erstmal raus aus dem Bus, Lage gecheckt und Plan geschmiedet. Es war kurz nach 4 Uhr und wir standen mit einer größeren Anzahl anderer Fahrzeuge mitten im Nirgendwo noch über 100 km vor dem eigentlichen Ziel entfernt an einer Straßenblockade. Ein Teil der Passagiere setzte sich in Bewegung und lief die Straße entlang in Fahrtrichtung. Ich folgte also den Einheimischen und machte vor mir 2 weitere Gringos aus, die wohl ebenfalls das Ziel Rurrenabaque hatten. Das Pärchen stammte aus Frankreich und zu Dritt marschierten wir durch die Nacht. Nach ca. 1 Stunde erreichten wir eine kleine Ortschaft und es gab ein paar Geschäfte und Fahrzeuge. Es war mittlerweile gegen 6 Uhr und der kleine Ort erweckte zum Leben. Das Problem war nur, dass es keine Personen gab, die uns für ein Entgelt weiter in Richtung unseres Ziels fahren wollten, da alle Transport- bzw. Taxigesellschaften ebenfalls am Streik und an den Blockaden teilnahmen. Gut irgendwie auch logisch aber natürlich für uns nicht optimal. Im Ort trafen wir auf 4 weitere Franzosen, 3 Mädels und ein Typ, die ebenfalls an der Blockade gestrandet waren und sich alle aber erst zufällig hier getroffen hatten. Witzige Nummer auf jeden Fall. Der Neue der Franzmänner erspähte in einiger Entfernung einen Einheimischen auf einer Art Dreirad mit Ladefläche. Interessant! Und praktisch! Also den Herren angequatscht, unsere Situation geschildert und für umgerechnet 1,20 Euro ging es weiter auf der Ladefläche dieses ungewöhnlichen Gefährts in Richtung Ziel. Die Fahrt dauerte leider nicht lang, denn nach ca. 15 Minuten standen wir an der nächsten Blockade. Und die Bolivianer machen hier keine halben Sachen. Blockade heißt, kein Durchkommen mehr, selbst für Mopeds und Fahrräder fast unmöglich, die Straßen sind teilweise so mit LKW und PKW zugestellt, dass es gerade so für Fußgänger möglich ist, diese zu passieren. Also an der Blockade vorbei und wieder eine gefühlte Ewigkeit gelaufen, bis wir einen größeren Van anhielten. Die Dame im Fahrzeug war sehr freundlich und meinte, dass Sie uns wohl im Normalfall ohne Probleme nach Rurrenabaque fahren könne aber eben nicht während des Streiks, denn Sie streikt mit und müsse auch in Kürze an der Blockade präsent sein. Aber sie hatte eine Idee und bat uns einzusteigen. Wir fuhren ein Stück zurück zu ihrem Haus und Sie meinte, dass ihr Sohn uns doch fahren könne. Kurz den Preis ausgehandelt, gewartet bis der Sohnemann, der im Übrigen 15 Jahre alt war (keine Ahnung wie das hier mit der Fahrerlaubnis läuft) die Mutti an der Blockade abgesetzt hatte und weiter ging die Reise. Kuriose Szene auf jeden Fall: im Radio bolivianischer Rap und am Steuer ein 15-jähriger, der insgesamt 6 Franzosen und einen Almann auf einer Landstraße durch den Dschungel kutschierte. Aber der junge Mann machte das hervorragend und nach ungefährt 1,5 Stunden kamen wir an der nächsten Blockade an. Wie schon erwähnt, die Bolivianer machen hier keine halben Sachen und wir mussten erneut zu Fuß auf die andere Seite der Sperre laufen und dann das Transportmittel wechseln. Das letzte Fahrzeug sollte dann ein klassisches Tuk-Tuk sein und die Gruppe teilte sich in 2 dieser Droschken auf. Kurz nach 10 erreichten wir dann schließlich Rurrenabaque und erfreuten uns, dass wir trotz aller Aufregung relativ entspannt das Ziel erreicht hatten. Danach ein gemeinsames Frühstück und dann ab ins Hostel. Überrascht über diesen sehr schönen Ort bezog ich mein Vierbettzimmer und bestaunte die Aussicht. Direkt am Beni-River gelegen trennte nur eine Holzkonstruktion mit Fenstern aus Fliegengitter das Zimmer von der Natur. Richtig schön, dazu entspannte Leute und ein Pool an dem man mit einem kühlen Bier den Tag ausklingen lassen kann. Oder so ähnlich, war ja erst Mittag. Bier gab es trotzdem und den Rest des Tages spielten wir Karten, quatschten über alles Mögliche und machten rein gar nichts Produktives mehr. Dasselbe praktizierte ich auch nochmal am darauf folgenden Tag und ich genoss vor allem die komfortable Situation, nicht mehr auf einer Höhe von knapp 4.000 m rumzustreunern. Man merkte spürbar den zusätzlichen Sauerstoff in der Luft und die damit verbundene Energie, die einen regelrecht übermannte. Voller Tatendrang buchte ich eine 3-tägige Tour in der Pampas des Beni-Rivers und war gespannt, was mich da so erwarten sollte. Mit dem Auto und 3 weiteren Franzosen (Überraschend) ging es am Vormittag des dritten Tages los in Richtung Beni-River. Auf dem Weg stoppten wir immer wieder am Straßenrand und beobachteten in der sumpfigen Landschaft Capybaras, die hier sichtlich entspannt ihrem Dasein frönten und sich an den sehr anstrengenden Aktivitäten, baden, schwimmen und im Schatten rumliegen, erfreuten. Schon possierliche Tierchen, und diese passen mit ihrer entspannten Art auch hervorragend auf diesen Kontinent. Für mich auch das erste Mal auf dieser Reise, dass ich Capybaras beobachten konnte. Nach einer Weile stoppten wir in einer Ortschaft und bekamen in einer Art Gasthaus ein ordentliches Mittag serviert. Das Business war fest in Familienhand, der Vater lag im Schatten, die Mutter kochte das wirklich hervorragende Mahl und der vielleicht 10-jährige Sohnemann servierte im feinen Zwirn die Speisen. Scheint hier alles ganz normal zu sein. Nach der Stärkung ging es noch ein kleines Stück weiter und wir erreichten schließlich den Fluss, an dessen Ufer wir gemeinsam mit unserm Guide Juan Carlos die Lebensmittel für die nächsten Tage in das Boot luden. Der hölzerne Kahn setzte sich schließlich in Bewegung und mit leicht tuckerndem Motor schipperten wir den Fluss hinunter. Schon nach wenigen Minuten konnten man an den Ufern beobachten, wer hier in der Gegend regiert – aller paar Meter lagen Krokodile, Kaimane oder Alligatoren am Rand und ließen sich die Sonne auf die Echsenhaut scheinen. Schon eine bizarre Szenerie, in der man sich hier bewegte und zwischen den Herrschern der Pampas machten sich allerlei verschiedene Vögel, hunderte Schildkröten, Affen in den Bäumen und immer wieder Capybaras breit, die die Anwesenheit der Raubtiere nicht zu stören schien. So ging es dann über 3 Stunden immer weiter den Fluss entlang und der Blick schweifte die ganze Zeit umher. Ganz schön exotisches Getier was es hier entlang der Fahrt zu entdecken gab. Und nebenbei strahlte die Umgebung eine angenehme Ruhe aus. Ein krasser und notwendiger Kontrast zum Chaos der Großstadt. Schließlich erreichten wir gegen späten Nachmittag das Camp und bezogen unsere zweckmäßige Behausung. Es gab einen Gemeinschaftsraum und 3 Hütten mit Betten und Hängematten – alles komplett aus Holz und auf Stelzen gebaut. Wohl auch notwendig bei den gefräßigen Mitbewohnern und das Wissen, dass Krokodile schlechte Kletterer sind, beruhigte ungemein. Im Anschluss ging es nochmal mit dem Kahn ein Stück weiter um an einem wunderschönen Plätzchen mitten in der Pampas den Sonnenuntergang zu beobachten. Eine herrliche Szenerie und dies Ruhe dazu – ein Ort zum Wohlfühlen. Bei der Rückfahrt im Dunkeln reflektierten die Augen der Reptilien im Licht unserer Taschenlampen, überall leuchteten diese wie Knöpfe und man nahm jetzt offensichtlich das Ausmaß der Kroko-Population wahr. Das hier war ganz eindeutig Krokodil-Land und das unbeabsichtigte Verlassen des Bootes keine allzu gute Idee. Zum Abschluss des Tages servierte uns eine ältere Dame noch ein ausgezeichnetes Abendessen und sehr zufrieden ging es ins Bett. Ich lauschte noch kurz den unzähligen Geräuschen der Natur bevor es mir recht schnell die Augen zuzog.

Abenddämmerung an Tag 1

Am nächsten Morgen wurden wir recht früh geweckt und nach einem ordentlichen Frühstück ging es wieder hinaus auf den Fluss. Piranha-Angeln stand auf der Agenda. Wir hielten nicht weit von unserem Hüttencamp an und mit einer Schnur an einem Stück Holz aufgefädelt und kleinen Fleischstücken versuchten wir unser Glück. Sobald man den Köder in unmittelbarer Nähe des Kahns ins Wasser hielt, hörte man direkt die Gebisse der Raubfische klappern und wenn man die Schnur nicht mit einem Ruck an sich zog und auch noch das Glück hatte, dass sich einer der Tierchen am Haken verschluckte, war das Fleisch auch schon verschwunden. Unglaublich mit was für einer Geschwindigkeit und Energie die Piranhas das Ködermahl vernichteten, Teilweise sprangen die Tiere in Gruppen aus dem Wasser während das Fleisch zwischen den messerscharfen Zähnen verschwand. Während ich Probleme hatte, die Fische zu überlisten, zog Juan Carlos einen Piranha nach dem Anderen aus dem Wasser, manchmal im Minutentakt. Übung macht den Meister, ich gab mich mit 2 gefangenen Fischen zufrieden. Danach ging es mit dem Boot etwas weiter den Fluss hinauf und hinein in die Pampas, die sumpfige und weitläufige Savannenlandschaft mit einer recht offenen Vegetation. Hier ist auch die Anakonda, die größte Würgeschlange der Erde beheimatet und mit Stöcken und Gummistiefeln bewaffnet, wollten wir diese heute finden. Wir wateten durch meterhohes Gras, Sümpfe und Tümpel und versuchten irgendeinen Anhaltspunkt auf den Aufenthaltsort der Schlange zu finden. Allerdings ohne Erfolg. Hier ging es wohl eher um das Event an sich, denn nach stundenlangem abstochern von allerlei vermeintlichen Verstecken und Tümpeln, verriet mir Juan Carlos, dass die Chance, eine Anakonda zu finden, doch recht gering sei.

Auf der Suche nach der Anakonda

Also ging es mit einer zumindest insgesamt akzeptablen Ausbeute an Raubfisch aber ohne Analondasichtung zurück zum Camp und die Fische wurden zubereitet. Glücklicherweise war dies nicht die einzige Mahlzeit, da der essbare Anteil doch recht überschaubar ist oder besser gesagt: Am Piranha ist fast gar nix essbares dran und der Geschmack ist zudem auch nicht sonderlich spektakulär. Der Rest des Mittagsmahls war allerdings hervorragend und nach der Stärkung wurden die 3 Franzosen verabschiedet und ich war nun der einzige Gast im Camp. Juan Carlos und ich entschieden uns für einen ausgiebigen Mittagsschlaf und nach der Erholung ging es wieder auf den Kutter. Herrlich diese Ruhe, allein mit Guide und inmitten dieser so abwechslungsreichen Flora und Fauna genoss ich den Blick vom Boot und ließ die Seele baumeln. Zum Sonnenuntergang stoppten wir an einem Anwesen mitten im Nichts und genossen bei einem Bierchen den Ausblick in die Weite der Steppe und eine wunderbare Färbung des Abendhimmels. Danach wieder dasselbe Spielchen: zurück mit dem Boot ins Camp und dabei erneutes Staunen über all die leuchtenden Punkte am Uferrand. Ich stellte mir mehrfach die Frage, ob es hier am Fluss an irgendeiner Stelle möglich wäre, die Breite des Wassers schwimmend zu überqueren, ohne dem gefräßigen Maul eines der Krokodile zum Opfer zu fallen. Wahrscheinlich eher schwierig, der Beweis für diese These blieb aber aus, schließlich gibt es noch mehr zu entdecken als das Innere einer Riesenechse. Im Camp war alles sehr entspannt und zu Dritt: Gringo, Guide und die wunderbare Köchin, ließen wir den Abend ausklingen und ich stieg zufrieden ins Bett. Der Schlaf in dieser Nacht wurde allerdings immer wieder unterbrochen, da es sich eine Horde Brüllaffen in unmittelbarer Nähe meiner Hütte bequem machte und mehrfach von den Baumwipfeln auf das blecherne Dach sprang. Da dies Kollegen recht stabil gebaut sind, scherbelt das ordentlich und ich schreckte nicht nur einmal aus der Tiefschlafphase hoch und brauchte kurz, um zu realisieren, was Phase war. Glücklicherweise wird auch irgendwann der wildeste Affe müde und im Laufe der Morgenstunden war der Spuk dann vorbei. Am nächsten Tag ging es dann nicht ganz so früh aber nach einem erneut richtig gutem Frühstück wieder los. Juan Carlos hatte die glorreiche Idee, nochmal nach der Anakonda zu suchen. Sein Gefühl sagte ihm wohl, dass dies heute ein guter Tag für die Sichtung der Schlange sei, vielleicht hatte er das aber auch nur geträumt. Egal – ich willigte ein und es ging nach gleichem Muster wie am Vortag wieder in die Savanne. Erneut wateten wir zu Zweit durch dichtes Gras, sichteten vermeintliche Nester oder Verstecke und stocherten mit unseren Stöcken wahllos in der Gegend herum, nur diesmal an einer anderen Stelle der Pampas. Irgendwann entdeckte ich im dichten Gras eine unnatürliche organische Erscheinung und inspizierte dies näher – Schlangenhaut! Und zwar von einer größeren Schlange. Juan Carlos zur Expertise herbeigerufen und tatsächlich – es war die abgestreifte Haut einer Anakonda. Keine Schlange zwar aber nach all dem Waten und Stochern zumindest ein Erfolgserlebnis. Zufrieden lag der Stock gleich etwas leichter in der Hand und kurze Zeit später dann die große Überraschung. Juan Carlos pfiff und zitierte mich in seine Richtung. „Anakonda“ schallte es durch die Steppe und nach schnellem Schritt traute ich meinen Augen kaum. Aus einem buschigen Versteck aus Gräsern schaute uns der geschmeidige Kopf einer Schlange an. Völlig ruhig und ohne Bewegung des Körpers lag der Kopf in der Luft und das einzige, was sich bewegte, war die Zunge des Reptils. Damit nimmt sie wohl alles mögliche wahr: Gerüche, Vibrationen und Geräusche. Fasziniert beobachtet ich die Schlange aus der Nahdistanz. Der ca. 3 Meter lange Körper war komplett im Dickicht verborgen nur an einzelnen Stellen nahm man die schwarzbraune Haut wahr. Eine perfekte Tarnung, das einzige, was sich von der Oberfläche der Landschaft abhob, war der Schlangenkopf. Ein schönes Tier und auch wenn es sich um eine eher kleine Anakonda handelte, war ich völlig euphorisch und freute mich über die Sichtung, wie ein kleines Kind. Noch einige Zeit inspizierte ich das Tier aus Nahdistanz allerdings ohne die Schlange anzufassen. Völlig ruhig ließ das Tier die Glotzerei über sich ergehen und es bewegte sich die ganze Zeit tatsächlich ausschließlich die Zunge. Faszinierend. Vollends zufrieden fuhren wir mit unserem Kahn zurück zur Behausung und verzerrten das bereits angerichtete Mittagessen. Über den kompletten Ausflug in die Pampas war das Essen wirklich herausragend, mein Dank dafür auch nochmal an die hervorragende Köchin. Im Anschluss verluden wir alles ins Boot und fuhren eine gefühlte Ewigkeit zurück zum Ausgangspunkt der Reise. Auf dem Weg dahin hielten wir noch in einer ausladenden Bucht des Flusses und machten das Boot fest, denn hier sollten sich noch ganz besondere Bewohner aufhalten. Mit klopfenden Geräuschen am Boot machten wir auf uns aufmerksam und es dauerte nicht lang, bevor der Hausherr sich das erste Mal zeigte: direkt neben unserem Boot tauchte der Kopf eines Amazonas-Flussdelfins auf. Wow – was für eine faszinierende Gestalt. Wir klopften immer mal wieder auf das Holz des Bootes und nach und nach sahen wir mehrfach die Delfine in ihrem auffällig rosafarbenen Gewand aus dem Wasser flippern. Insgesamt ist dies wohl eine Gruppe von insgesamt 5 oder 6 Delfinen, die hier in dieser Flussregion beheimatet sind und sich den Besuchern zeigen. Das possierliche Tierchen lebt im gesamten Amazonasbecken und kommt in allen Zuflüssen und Nebenflüssen des Amazonas vor. Gesehen hatte ich so eine sonderbare Gestalt mit ihrer rosa Färbung und der spitzen Schnauze vorher noch nicht. Theoretisch kann man hier auch mit den Delfinen baden gehen, mir reichte nach all den ereignisreichen Tagen jedoch die Beobachtung aus der Distanz. Die Tierchen drehten noch ein paar Runden im trüben Wasser um das Boot und verschwanden dann. Wir verschwanden auch und setzten die Fahrt fort. Am kleinen Hafen von Santa Rosa angekommen, wurde vom Boot aufs Auto umgesattelt und es ging zurück nach Rurrenabaque. Ich genoss eine gefühlte Ewigkeit die Dusche in den Räumlichkeiten der Tourist-Agentur und bereitete mich auf die Rückfahrt nach La Paz vor. Diese sollte es wieder mal in sich haben, ganz in der letzten Reihe des Busses platziert war das Problem diesmal lediglich der Fahrer. Völlig wild und viel zu schnell wurde das Fahrzeug über die Schotterpisten und durch die zahlreichen Schlaglöcher gejagt. An Schlaf war kaum zu denken, mehrfach wurden wir durch heftigste Einschläge auf der Hinterachse durch den halben Bus geworfen. Den Fahrer störte das allerdings wenig, anscheinend hatte er eine Mission und fast 2 Stunden früher als geplant erreichten wir völlig durchgepeitscht den Busbahnhof von La Paz. Völlig sinnfrei dieser wilde Ritt, da es für mich in der nächsten Nacht mit dem Bus direkt weiter gehen sollte und es bei Ankunft 6 Uhr am Morgen war, hieß es jetzt, warten bis irgendein Laden aufmacht, in dem ich ein Frühstück genießen konnte. Glücklicherweise war ich zum Thema „Busreisen in Bolivien“ bereits einiges gewohnt und diese Fahrt sollte lediglich ein weiteres Kapitel dazu sein.

Der Ausflug in die grüne Lunge Boliviens war auf jeden Fall ein Erlebnis und dazu eine sehr gelungene Abwechslung zum chaotischen Treiben in den Höhen des Altiplano.

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