Veröffentlicht: 06.11.2022
Das Weiterziehen von den Meteora Felsen fällt etwas schwer doch drängt die Reiseseele mit Neugier dazu in Neuland aufzubrechen.
Unsere Route soll uns in diesen Tagen auf meist wenig befahrenen Bundesstraßen über Trikala und Karditsa und Lamia quer durchs Land in Richtung Küste der Ägäis führen.
Reisekumpani Kévin, mit dem wir nach wie vor unterwegs sind und der ein recht feinfühliger Kerl ist, verbalisiert für uns die wehmütige und manchmal drückende Stimmung, die uns durch die kommenden Tage begleitet und die wir vorerst nicht greifen können.
Zu Beginn ist es noch eine rechte Freude durch Flachland zu sausen und dabei vom Wind angetaucht zu werden. Wie in so vielen Ebenen der Erde, prägen auch hier Landwirtschaft und Industrie das Bild. Das drückt irgendwann etwas aufs Gemüt. Nur gut, dass bald darauf wieder Hügelland Abwechslung bietet und wir unverhofft zu einer warmen Dusche im Wald kommen. Die Gegend hier ist gesprenkelt von warmen Quellen.
In diesen Tagen geht es mit unseren Gefühlen auf und ab. Das gemeinsame Reisen und Erleben bringt mit sich, dass das jeweilige Innere meist in ähnlichen Zuständen ist.
Der Parkplatz an den heissen Quellen bei Thermopylen, denen wir erst wieder entsteigen als die Haut aufgeweicht und runzelig ist, stellt sich als unglücklich gewählter Ort für unser Lager heraus. Wir ertappen schäbige Diebe dabei, wie sie eins unserer abgesperrten Räder nächtens auf ihren Pickup laden wollen. Nicht mit uns! Maik schlägt sie mit seiner hell leuchtenden Taschenlampe in die Flucht.
Dadurch etwas aufgewühlt und ich nicht in bester körperlicher Verfassung, machen wir uns auf, um ein paar Tage am nächsten Campingplatz zu rasten. Der hat geschlossen.
Wir sind im Dorf Agios Konstantinos. Die letzten Kilometer und die nächsten führen parallel zur Autobahn. Berge auf der einen Seite, das Meer auf der anderen.
Wir haben Griechenland an der Adria beginnend über die Berge zur Ägäis hin überquert.
Wie schon so oft auf dieser Reise, führt eins zum nächsten und wir finden uns für einige Tage mit unserem Lager im Gastgarten eines Strandwirtshauses wieder. Wir werden hier nicht nur geduldet, sondern richtiggehend hofiert.
Von Sulis dem Wirt - ein Lebemann sondergleichen - der die kleinen Dinge seiner Umgebung liebt und genießt. Der sich manchmal von Fisch und meistens von Früchten in destillierter und roher Form ernährt. Der mit kindlicher Freude Obst aus fremden Gärten stiehlt und von jeder Sorte die besten Bäume in seinem Dorf zu kennen scheint. Der es liebt zu fischen und ins Meer zu blicken. Und der die Philosophen und Dichter seines Landes verehrt. Ihre Lieder liebt und mit seine Freunden die Krisenzeiten mit Essen, lachen und saufen durchsteht. Ein Mann der uns jeden Tag erneut mit seiner Freude am Sein und mit Essen überhäuft.
Danke Sulis! Dafür, dass du uns an deiner Liebe zum Einfachen und Kleinen teilhaben lässt und uns zeigst wie Altern auch ausschauen kann.
Angefüllt mit vielen Eindrücken und Geschichten ist die Weiterfahrt nach einigen Tagen auch ein bissl die Flucht in die Ruhe. Alle drei haben wir Zeit am Rad und somit Zeit für uns selbst dringend nötig.
Eine kurze Strecke radeln wir an der Küste entlang um später dann die Region Attika im Landesinneren zu durchqueren. Ganz schön satt von all dem Gesehenen und Erlebten der letzten Wochen suchen wir eine Route, die uns unspektakulär erscheint. Es gibt keine imposanten Berge mehr zu bezwingen - wenngleich wir immer wieder Hügel rauf und runter fahren. Es kommt zu keinen intensiven Begegnungen mehr. Es werden auch alle antiken Steine und Ruinen links liegen gelassen. Wir sind recht zufrieden mit Radeln durch Ackerlandschaft und weite Ebenen. Selbst das Schieben auf Schotterpisten ist genussvoll. Es erfordert, sich auf den Moment, die Schritte, das Balancieren des Gewichts zu konzentrieren.
Wir lassen uns in diesen Tagen wieder einmal Zeit, kürzen die Tagesetappen - auch den immer kürzer werdenden Tagen entsprechend - auf sehr komfortable Streckenlängen.
Die Nächte verbringen wir oft in der Nähe von Kirchen. Sind dort die Böden meist nicht so verdistelt und zeigen sich eben.
Die Zeit vergeht langsam und schnell zugleich. Die Reisetage mit Kévin neigen sich dem Ende zu.
Kurz vor Korinth gibts einen Zwischenhalt an einem spärlich frequentierten Campingplatz. Durch den nahen EuroVelo 8, der hier vorbei führt, schneit es doch so einige andere Reiseradler:innen herein. Freudig tauschen wir uns über Routen, Equipment und alltägliche Vagabund:innen-Themen aus.
Danke Andi! Für Inspiration und euren Reiseblog.
Mit gemeinsamen Kochen und Essen und Kaffeetrinken nehmen wir schließlich nach fast zwei Monaten Abschied. Von Kévin, diesem neugierigen Abenteurer. Er macht sich auf den Weg zur Fähre nach Patras um nach Italien überzusetzen und über das Apenninen Gebirge nach Hause in die französischen Alpen zu radeln.
Danke Kévin! Für Kaffee am Morgen. Für Geduld mit unserem Pausenmanagement. Für deine Geschichten. Für den Neuseeland/TeAraroa Plan. Für deine Genussfähigkeit und dafür, dass wir mit dir Schweigen konnten!
Maik und ich machen uns nun zu zweit auf den Weg nach Methana. Aufgrund der Fülle an Erlebnissen, an wunderbaren, sich oftmals verändernden Landschaften und aufgrund der immer kürzer werdenden Tage, beschließen wir das Radreisen auf dieser klein Halbinsel der östlichen Peloponnes für heuer.
Die letzten 100km dahin fahren wir in drei kurzen Etappen. Kosten das Draußenschlafen in unserem gemütlichen Zelt nochmal so richtig aus.
Die Landschaft verändert sich ab dem Kanal von Korinth nochmal merklich. Mediterrane Berge mit Zedernbäumen stehen im Kontrast zum dunklen Blau des Meeres. Die Trockenheit, die von der Herbstsonne nach wie vor befeuert wird, lässt uns nochmal ordentlich ins Schwitzen kommen.
In dem verschlafenen, etwas abgeranzten Örtchen Methana mieten wir uns in einem Apartment ein. Für zwei Wochen darf hier gewandert und gelaufen werden bevor es in die Großstadt Athen geht und dann Ende des Monats in unser Winterquartier auf Kreta. Ab nun wird die Fähre für die Weiterfahrt genutzt.
Das vorläufige Resümee zu Griechenland? Ein wunderschönes Land mit Menschen, die während jahrelanger Krisenzeiten entdeckt haben, dass es einfacher mit Solidarität untereinander geht.
Das Resümee nach mehr als 4 Monaten auf dem Rad? Wir wollen weiter. Wir lieben diese Art des Reisens! In unserem Kopf gibt es Pläne und Ideen, die uns noch Jahre in die Pedale treten lassen können. Die Freude am Reiseradeln und die Neugier auf die Welt sind unser Motor.