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Tag 19 - Sorgenkinder

Veröffentlicht: 22.11.2017

Ich glaube, ich habe es schon gesagt. In zwei der vier Schulstunden gebe ich Einzelunterricht. Mein Gott, ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals quasi als Lehrerin betätigen würde. Das letzte Mal hatte ich diesen Berufswunsch mit 7. 

Als erstes ist Javier dran. Jetzt kommt es mir gerade so vor, als hätte ich ihn schon einmal erwähnt. Er ist ca. 11 - 12 Jahre alt. Vielleicht ist er aber auch ein klein gewachsener 14-Jähriger. Er kann sich nur schwer konzentrieren, sein Blick schweift häufig ab, wahrscheinlich ist ihm die Situation auch einfach unangenehm. Ich habe ihn zuallererst Silben lesen lassen mit Hilfe von vorbereiteten Kärtchen. Das ist ihm unglaublich schwer gefallen, oft hat er nur geraten. Ok, fangen wir bei den Buchstaben an. Das Alphabet klappt auch nicht so richtig. Er bekommt als Hausaufgabe das Alphabet auswendig zu lernen. Das hat er jetzt schon zweimal nicht gemacht. Was mache ich bloß mit ihm? Immer wieder kommen Kinder ins Projekt, die durch die permanente Fehl- bzw. Unterernährung physische und mentale, äh, Einschränkungen haben. Javier vielleicht auch? Jim erzählt gerne die Geschichte von dem kleinen Jimmy, der mit geschätzten drei Jahren kaum sprechen konnte. Seine Haare fielen ihm aus, seine Haut war weiß. Durch die regelmäßigen Mahlzeiten und die medizinische Betreuung besserte sich sein Zustand. Heute, nach gut drei Jahren, sieht er ganz normal aus und lernt Lesen und Schreiben. Wenn ich das so lese, hört es sich an wie aus einem Prospekt.

Wenn ich Luis, Javier's Klassenlehrer, von den fehlenden Hausaufgaben erzähle, gibt es Ärger. Apropos Luis, ich finde ihn super. Er ist streng, aber liebevoll mit den Kindern. Und super lustig. Manchmal streut er ein Spiel ein, oder etwas mit Musik. Dann tanzt er durchs Klassenzimmer. Kann gut erklären. Gut, dass ich früher nicht so tolle Lehrer gehabt habe, ich wäre womöglich Lehrerin geworden. 


Das andere Einzelkind heißt Osman, wir üben Mathe. Der Schlumpf macht seine Hausaufgaben auch nicht. Also, wenn ich eines hier lerne, dann ist es Geduld. Dann muss ich nur noch an meiner Autorität feilen...

Ich möchte mich hiermit ganz hochoffiziell bei allen im Schuldienst tätigen, diesen Blog lesenden Lehrkörpern für meine inkompetenten Unterrichtsmethoden entschuldigen. Ich gebe mir die grösste Mühe. Im Spanischen sagt man “Algo es algo“, was soviel heißt wie “Besser als nichts“. Damit tröste ich mich.

Das Foto ist ein Rätsel für Euch. Auflösung morgen.

Temperatur...ach, heute mal nicht.

Antworten (1)

Jutta
Hi Marion, mach dir doch nicht selbst so einen Druck. Für Deine Schützlinge ist das ja sicher auch eine neue und ungewohnte Situation, an die sie sich auch erst einmal gewöhnen müssen. Jeden Tag will die fremde Tante was...🙄. Die beiden müssen erst mal kapieren, dass du auf ihrer Seite bist. Hab Geduld. Schönes Thanksgiving-Fest. LG