Veröffentlicht: 29.06.2020
Ich war also zurück von der Insel am Festland, mein Insel-Hopping Plan zunichte und meine Motivation weiter an der tristen Wattenmeer-Küsten immer gerade aus am Deich entlang zu radeln, hielt sich in Grenzen ^^
Außerdem hatte ich ja von Anfang an überlegt, irgendwo eine Woche gegen Kost und Logis auf einer Farm mitzuhelfen. Dafür hatte ich auf der Wwoof-Plattform (https://wwoof.net) schon etliche Farmen angeschrieben, aber so gut wie keine Rückmeldungen bekommen.. Einige von ihnen lagen aber auch in der Nähe, also in Friesland, sodass einfach Weiterradeln gleichzeitig auch bedeutet hätte, mich ebenfalls ein Stück weit von dieser Idee zu verabschieden - was ich aber nur sehr ungern wollte, denn allmählich sehnte ich mich auch mal wieder nach längerem Kontakt mit den gleichen Menschen, statt ständigem neu Kennenlernen und Verabschieden. Ich war also super unschlüssig, was ich als nächstes machen sollte, wohin ich fahren und wo übernachten könnte...
Daher machte ich mich von meinem Schlafplatz nahe Harlingen erstmal auf in den Ort, um dort weiter zu überlegen und recherchieren, was ich als Nächstes machen könnte.
Eine Idee war einfach wieder auf die nächste Insel, Vlieland, zu fahren und von dort noch ein paar Tage zu versuchen eine Wwoofing-Stelle zu bekommen. Als ich allerdings am Fähren-Terminal nachfragte, waren die nächsten Tickets erst für den folgenden Tag und dann auch noch nicht gerade günstig zu bekommen. Damit verwarf ich diese Idee wieder.
Zurück also bei absoluter Planlosigkeit machte ich mich auf die Suche nach einem schönen Café, um dort mit WLAN weiterrecherchieren zu können.
Die Suche gestaltete sich in dem kleinen Ort und am Sonntagfrüh allerdings als relativ schwierig, was meine Stimmung in Kombination mit der Planlosigkeit nicht gerade verbesserte.. Schließlich bin ich doch fündig geworden, gönnte mir einen Kaffee und ein Stück Apfelkuchen und entdeckte auf Warmshowers, dass es im etwas im Landesinneren gelegenen Leeuwarden einige Hosts gab. Da wollte ich entsprechend des Nordseeradwegs eigentlich gar nicht hin. Aber die Lage der Stadt würde mir ermöglichen, immer noch zu den Wwoof-Plätzen zu radeln, ohne "zurück" zu müssen und gleichzeitig könnte ich von dort auch gut zur mir wärmstens empfohlenen Insel Schiermonnikoog weiterradeln. Außerdem musste ich nicht weiter kilometerlange, öde Deiche an der Küste entlang radeln :D
Froh über diese neue Idee, schrieb ich drei junge Frauen an, deren Profile sich super sympathisch lasen, und bekam prompt Antwort von einer, die allerdings leider selbst auf Reisen war. Trotzdem gab sie mir mega hilfreiche Tipps für sehenswerte Orte in der Umgebung und ließ meine Laune mit lieben Nachrichten schon wieder deutlich steigen ;) Dann meldete sich die zweite Frau zurück - eine Deutsche, die erst seit kurzem in Leeuwarden lebt - und meinte ich könne gerne übernachten, allerdings käme sie erst relativ spät am Abend heim. Super froh so schnell und spontan jemand gefunden zu haben, nahm ich ihr Angebot direkt an und machte mich allmählich schon mal auf den Weg Richtung Leeuwarden.
Unterwegs meldete sich dann auch noch die dritte Frau und meinte, dass ich gerne übernachten kann und sie abends zu einer kleinen, vom Women Circle organisierten Sonnwend-Zeremonie gehen würde, zu der ich sehr gerne mitkommen könnte. Da ich sowieso schon überlegt hatte, irgendwas Besonderes am längsten Tag des Jahres zu machen und von meinem Jahreswechsel-Zeremonie-Erlebnis zu Silvester in Barcelona so angetan gewesen bin, war ich auch dafür gleich Feuer und Flamme und beschloss diese Chance zu nutzen - auch wenn ich dadurch meine erste Zusage leider zurücknehmen musste, was zum Glück aber mit Verständnis aufgenommen wurde.
Ich hatte also mal wieder riesen Glück und radelte freudestrahlend durch die nicht unbedingt super reizvolle, flache Landschaft.
Im schönen Ort Franeker hielt ich kurz an um Fotos zu machen und wurde von einem vorbeiradelden Mann irgendwas auf niederländisch gefragt. Als er bemerkte, dass ich nicht verstand, drehte er um und begann ein Schwätzchen auf Englisch mit mir. Er fragte wo ich herkam, wo ich hinwill, ob ich alleine unterwegs bin etc (auch da kam wieder die mir mittlerweile gut bekannte 'Alleine? Als Frau? Ganz schön mutig!' Aussage... *grr*) und erzählte von seinem Abenteuer mit dem Motorrad durch Frankreich vor 3 Jahren. Dann wünschte er mir noch ne gute Reise und radelte weiter.
Solche kleinen Begegnungen gibt's tatsächlich echt ständig und sie sind so wunderbar und bereichernd! Seht's mir nach, dass ich hier nur diese exemplarisch beschreibe, sonst würde ich mehr Blog schreiben als tatsächlich am Rad zu sitzen :D
In Leeuwarden angekommen lernte ich, dass die Stadt 2018 europäische Kulturhauptstadt war, und schaute mich ein bisschen in der Innenstadt um. Leider gab es im Zentrum vor allem die üblichen Geschäfte von großen Ketten, aber glücklicherweise auch ein paar schöne Seitengassen mit hübschen Häusern und Läden.
Beim Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass sich meine Gastgeberin gemeldet hatte und mir mitteilte, dass es aufgrund von Corona leider doch nicht mehr spontan möglich ist, mich mit zur Veranstaltung zu nehmen... Ich könne mir aber gerne einfach in ihrer Wohnung einen schönen Abend machen. Das war zwar auch super lieb von ihr, aber in dem Moment war ich trotzdem wieder ganz schön geknickt, da ich mich schon so gefreut hatte und somit auch irgendwie dem ersten Übernachtungsangebot "umsonst" wieder abgesagt hatte.. Aber mein Schicksal belehrte mich später ebenfalls mal wieder eines Besseren ;)
Bei ihrer Wohnung angekommen wurde ich herzlich begrüßt und mein Fahrrad sicher im Keller untergebracht. Sie erklärte mir, dass das Gebäude eigentlich ein Altenheim ist, welches aber abgerissen werden soll, sobald alle Bewohner das zeitliche gesegnet hat. Zwischenzeitlich werden die freien Appartements sehr günstig an junge Leute vermietet - mit dem Zusatz im Mietvertrag, dass mit 3-monatiger Frist jederzeit das Abrissdatum bekannt gegeben werden kann... Interessantes Konzept, würde ich sagen^^
Ihre Wohnung war dann, anders als sich jetzt evtl vermuten lässt, super schön, hell und wunderbar minimalistisch eingerichtet! Sie zeigte mir alles, wir unterhielten uns noch kurz super nett und dann musste sie schon los und überließ mir, die sie nur wenige Minuten kannte, einfach Wohnung und Schlüssel. Wow!
Ich merkte, dass ich einiges an Schlaf aufzuholen hatte und war daher dann doch ziemlich froh einen ruhigen Abend am Sofa bzw beim Spaziergang durch die Nachbarschaft zu haben. Als bei Sonnenuntergang der ganze Himmel kurzzeitig in pink erstrahlte, war ich also doch wieder ganz glücklich mit meinem längsten Tag im Jahr ;)
Bei Rückkehr meiner Gastgeberin erzählte sie noch von der Zeremonie und meinte auch, dass es wohl sprach-technisch schwierig für mich geworden wäre, denn es gab doch viele Erklärungen auf Niederländisch. Was für ein Glück also, dass ich keinen Platz mehr bekommen habe, wo ich eh nichts verstanden hätte ;)
Der ganze Tag war wegen scheinbaren Nichtigkeiten eine wahre Gefühlsachterbahn für mich - und rückblickend trotzdem so gut und lehrreich!
Ich kann schwer einschätzen, wie gut das Alles aus der Ferne betrachtet nachvollziehbar ist, aber ich hoffe, dass zumindest ein bisschen deutlich wird, dass der Reisealltag, auch wenn er mich im Großen und Ganzen seeeehr glücklich macht, durchaus auch seine Schattenseiten hat und "einfaches" Entscheiden, wohin als nächstes, schon zur wahren Herausforderungen werden kann..
Aber das ist gleichzeitig auch das Wunderbare an dieser Art des Reisens, denn sich um sonst selbstverständliche Dinge, wie Trinkwasser, Essen, Schlafplatz oder Tagesablauf kümmern zu müssen ist schon absolut erdend und back to basics - mit allen Vor - und Nachteilen ;)