Veröffentlicht: 05.12.2021
25. – 26.11. Huayana Potosi
Obschon wir heute unsere Bergtour starten, müssen wir nicht so früh aus den Federn. Erst um 9:00 werden wir beim Bergsportgeschäft erwartet. Juan, unser Guide nimmt uns in Empfang. Viel vom benötigten Material haben wir schon bei uns, wir brauchen nur die Überjacke und -hose, Helm, die groben Bergschuhe, Eispickel, Gschtältli und Steigeisen. Danach geht es los. Unterwegs merken wir dass wir unsere Stirnlampen vergessen haben. Juan holt uns welche im Lager. Nach ca. 1h Fahrt kommen wir am Cemeterio de Mineros vorbei, einem Friedhof der nahegelegenen Mine. Danach stoppen wir im unteren Basislager „Happy Day“. Nach dem Packen der Rucksäcke, essen wir und machen uns dann auf ins High Camp auf 5150 m, unser Stopp für die Nacht.
Den Huayana Potosi kann man das ganze Jahr über besteigen, wobei die beste Kletterzeit im Juni/Juli ist. Jetzt im November stehen die Chancen eher schlecht den Berg ohne Nebelschwaden zu sehen.
Aber wir wollen es trotzdem wagen.
Um 17:00 essen wir Abendessen und Juan instruiert uns für den Aufstieg: um 23:30 Uhr stehen wir auf und um 24:30 Uhr laufen wir los, damit wir zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel stehen können. Laut Wettervorhersage soll es ca. 2 cm Neuschnee geben, aber sonst sieht es vielversprechend aus.
Die paar Stunden Schlaf fallen total ins Wasser: wir können beide schlecht atmen. Mein Puls rast und immer wenn ich in Träume abdriften will, weckt mich mein Unterbewusstsein „ich kann nicht atmen!“ Keuchend erwache ich jeweils. Roman hat zusätzlich trotz Tabletten Kopfschmerzen. Nach 5 Stunden wälzen stehen wir also mehr gerädert als erholt auf und machen uns parat.
Es schneit immer noch leicht und wird leider auch nicht aufhören damit.
Der erste Abschnitt geht über Fels, bis wir zum Gletscher kommen und die Steigeisen montieren. Viel weiter oben am Berg sehen wir die Lichter einer weiteren Wandergruppe – überraschenderweise werden wir diese noch einholen.
Die gekauften Coca-Pastillen zeigen Wirkung und helfen bei der Konzentration und beim Atmen. Schritt für Schritt stapfen wir über den dunklen Gletscher. Das Schneegestöber ist mal stärker, mal schwächer, einfach permanent vorhanden. Als wir nach 3 Stunden die Gruppe überholen sind wir ca. in der Hälfte der Strecke. Bald merken wir, dass die anderen uns nicht folgen, sondern umgedreht sind. Wir gehen aber weiter – immer in der Hoffnung, es möge aufhören zu schneien.
Wir kommen an die erste Vertikale: zum 1. Mal klettern Roman und ich mit einem Eispickel in einer Eiswand. Es ist ziemlich anstrengend und gleichzeitig sind wir uns sehr dem Risiko dem wir uns aussetzen bewusst. Ohne Sicherung im Eis, nur untereinander verbunden. Fällt einer… Eindrücklich! Oben in der nächsten Fläche angekommen, sind wir erschöpft und müde. Der Schnee nimmt immer mehr zu und langsam sind die Reserven aufgebraucht.
Wir besprechen uns mit unserem Guide, da blitzt es ganz in der Nähe und donnert kurze Zeit später… na toll – bei Gewitter am Berg zu sein ist nun wirklich kein Vergnügen und saugefährlich. Juan meint, dass es mit dem Gipfel nix mehr werde, wir könnten aber noch 100 Höhenmeter mehr machen. Wir finden, dass es reicht und uns kein Zacken aus der Krone fällt, wenn wir jetzt umdrehen. So umarmen wir und gratulieren einander für 5850 geschaffte Höhenmeter bei unwirtlichem Wetter am Huayana Potosi. Nach dem Erinnerungsfoto geht es zackig an den Abstieg. Leider ist das Schneetreiben so stark, dass wir nach kürzester Zeit unsere Spuren vom Aufstieg nicht mehr sehen können!
Wenigstens dämmert es nun langsam, was den Blick frei auf eine Vielzahl Gletscherspalten gibt, das beruhigt auch nicht wirklich.
Nach dem Abseilmanöver über die vertikale Kletterstelle von vorhin geht es weiter talwärts. Auch unser Guide verliert den Überblick und weiss kurzzeitig nicht mehr wohin… Auch ist er im Clinch, da er zum Sichern zuhinterst sein sollte, gleichzeitig sieht Roman den Weg nicht mehr – es ist einfach alles nur noch weiss auf weiss.
Irgendwie, nach 6h30 Hardcore-wandern, sind wir zurück bei den Hütten!
Wir sind beide durchnässt, völlig erschöpft und legen uns erst einmal schlafen für 2 Stunden.
Danach gibt es eine wärmende Suppe, wir packen und machen uns bereits wieder auf um ins Basiscamp runter zu steigen. Auch dieser Weg hat etwa 20 cm Neuschnee abbekommen, ist aber immerhin noch einigermassen sichtbar.
Ab „Happy Camp“ sind es nur noch 2 Stunden mit dem Auto.
Zurück in La Paz verabschieden wir uns von Juan und schlurfen zurück zum Hotel. Eine heisse Dusche tut gut und weckt uns wieder nach den Strapazen. Wir essen etwas nebenan und legen uns dann ins Bett zum Nachschlafen.
Abends besuchen wir eine wunderbare Weinbar. Was als Apéro beginnt, endet damit das wir dort bleiben und den bolivianischen Wein und die hausgemachten Pickles geniessen. Es gibt sogar dreierlei Sorten Käse auf dem Plättchen, was bei uns sofort Heimweh auslöst. ;)
27.11. Nach dem Ausschlafen schreiben wir lange Tagebuch und kümmern uns um die Kontaktpflege mit unseren Liebsten zuhause. Danach erkunden wir nochmals La Paz – diesmal von oben: wir machen eine ausgedehnte Gondelfahrt über und durch La Paz. Das ist mit Abstand etwas vom Besten was man hier tun kann! Das Gondelnetz ist sehr gut ausgebaut und wie uns ein Bolivianer sagt, eines der besten Werke des Staats Bolivien. Wir verstehen. Kostengünstig und schnell kommt man auf diese Weise von A nach B und bekommt zusätzlich, einer Drohne ähnlich, die besten Einblicke in die Millionenmetropole. Wir sind hell begeistert!
Abends im indischen Restaurant erfreuen wir uns an den Bollywood-Hits aus den 90ern mit Heimwehfeeling als wir Gstaad und dergleichen in den Clips erkennen. Wir geniessen den kulinarischen Tapetenwechsel in vollen Zügen, da Bolivien eine nicht ganz so erstklassige Küche wie Peru vorweisen kann.