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Tag 51 bis 53 Abenteuer auf einer alten Eisenbahntrasse und Pausentag in Sarajevo

Veröffentlicht: 01.10.2022

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10.9. bis 12.9.

Morgens am Hotel bekam ich den Tipp, nicht die Straße richtig Sarajevo zu nehmen, sondern eine alte Eisenbahntrasse. Das wäre viel flacher, der Weg sei geschottert aber akzeptabel und es gäbe viele Tunnel ohne Licht. Das stimmte auch alles, allerdings wusste er nicht, dass auf der Hälfte die entscheidene Brücke durch Holztransporter vor einigen Jahren eingestürzt ist... Also machte ich mich auf den Weg in ein Abenteuer, von dem ich noch nichts ahnte. 

Zuerst fuhr ich über eine Brücke zu einer alten Straße, umging dadurch für 10 km die weitere Straße an der Drina entlang mit den vielen Tunnels, musste meine erste Panne flicken (der Mantel hatte an der Seite einen Schnitt. Ich hoffte und hoffe immer noch, dass der Mantel nicht kaputt reißt und habe ihn zusätzlich auch mit Flicken gesichert), und arbeitete mich dann in einem Tal bis zu der Bahntrasse vor. 

Die Strecke war zuerst gut zu fahren, nur wenige Schlaglöcher, passable Steigung, immer wieder begegnete mir auch ein Auto, die Tunnels waren teilweise sehr lang und sehr dunkel 😨 aber alles in allem doch ganz okay. Irgendwann traf ich auf das erste Minenwarnschild. Jetzt wurde mir mulmig. Zusätzlich wuchert der Weg immer stärker zu. Das fand ich sehr unpassend, fuhr aber weiter. Die dunklen Tunnels wirkten gruselige und ich überlegte immer wieder, ob das Warnschild für das gesamte Gebiet gilt, ob der Weg sicher ist aber ich entschied, dass der Weg sicher sein muss, denn sonst wäre er nicht in dem Zustand, auch wenn er stärker zugewachsen war. Und dann kam ich an einen Steinhaufen auf dem Weg, der jedem Auto die Weiferfahrt unmöglich machte. Ich stellte mein Rad ab. Dachte scharf nach. Warum wird der Weg blockiert? Minen? Ist eine Mine unter den Steinen? Quatsch. Wirklich? Hinter dem Steinhaufen sah der Weg so aus wie davor. Ich ging vorsichtig zu Fuß weiter. Beobachtete den Boden ganz genau. Und dann sah ich die Brücke... Der Steinhaufen sollte nur verhindern, dass man über die zerstörte Brücke fährt. Alles klar, aber wie komme ich jetzt rüber? Ein Weg führt runter zum Bach. Doch nicht bis ganz unten. Er hört zwei Meter oberhalb auf und es geht eine steile Böschung direkt an den Bach hinunter. Ich bin völlig von den Socken. Hatte schon die letzten Kilometer bis zum nächsten Ort gezählt, wo ich übernachten wollte. Es waren keine fünf mehr. Ich aß erst mal einen Müsliriegel, dachte nach, überlegte, ob man nicht doch über die Brücke konnte - no way! Ich kletterte die Böschung zum Bach hinunter. Der Bach war breit, die Strömung deutlich vorhandene. Überall Trümmer vom Brückenpfeiler, den es mal in der Mitte gegeben haben muss. Am Sockel lehnte ein dicker Ast. Hier muss jemand regelmäßig durchwaten. Ich überlegt, ob nicht gerade im Flussbett eine Mine durch einen Erdrutsch unvorhersehbar irgendwohin getrieben wurde. Doch die vielen Spuren und Dosen von Leuten, die hier doch ab und zu vorbei kamen bewegten mich, es zu probieren. Ich zog meine Schuhe und Sachen aus, nahm den dicken Ast, und wartete vorsichtig in den Bach hinein. Das Wasser war nicht besonders kalt und etwa knietief. Die Strömung war nicht sehr stark und ich entdeckte Steine im Wasser, die anscheinend einen sicheren Weg auf die andere Seite markierten. Auf der anderen Seite schaute ich mich um und war immer noch fassungslos über die Situation. Diese Böschung komme ich doch niemals mit dem Rad hinunter. Ich ärgerte mich über meinen Tippgeber von heute morgen. Hatte er nicht gesagt dass er hier selber schon mit dem Auto lang gefahren sei?! Hier kommt doch nicht einmal ein Panzer durch, ohne vorher Pionierarbeit zu leisten. Irgendwie reifte in mir die Idee, ist doch zu probieren, denn den ganzen Weg durch die vielen Tunnel zurück wollte ich nicht fahren. Und so schob ich mein Fahrrad bis an die Böschung heran, nahm alle Sachen herunter, und hilft zuerst das Fahrrad die Böschung hinunter. Ohne Gepäck war das Rad total leicht und es ging ziemlich gut. Halb schob ich halb trug ich das Rad durch den Bach. Drüben angekommen dachte ich, na geht doch. Dann jetzt aber hop, nicht zu viel Zeit verlieren, es ist schon spät und ich will nicht erst im Dunkeln ankommen. Nach mehreren Bachdurchwatungen hatte ich endlich alles drüben, trocknete meine Füße, bepackte das Rad wieder, verlor noch einen Ortlieb Klipsdingsbums (verringert den Durchmesser für die Klemme, wo die Tasche am Gepäckträger befestigt ist), fand es erstaunlicherweise zwischen all den Steinen am Bach wieder und weiter ging es. Auf dieser Seite war der Weg wieder viel besser und der Weg bis zur Brücke war überhaupt nicht blockiert, so dass ein unaufmerksamer Fahrer, der nichts von der zerstörten Brücke weiß einfach hinunterstürzen würde. Kurze Zeit kam ich am nächsten Ort an, durchquerte ihn, fand am Ende des zweiten Ortes einen schönen Platz der leider völlig vermüllt war, räumte den Müll auf eine Stelle, so sah der Platz schon viel schöner aus, baute mein Zelt auf, kochte, bewunderte den Mondaufgang und ging ins Bett. Was für ein Tag... 

Nächsten Tag frühstückte ich in Ruhe, und fragte mich wann wohl die ersten Kugel vorbeikommen und ihre Kühe hier entlang zu treiben. Denn hier waren offensichtlich Spuren davon zu sehen. Um 8 Uhr sah ich einige Rinder und einen Kuhhirten auf der Straße entlang gehen. Doch dann kamen auch eine alte Frau mit einem kleinen Mädchen, beide mit einer Weidenrute zum Vietreiben auf mich zu. Sie leiteten eine Kuh, die sofort kehrt machte, als sie mich und das komische kuppelartige Ding am Ende des Weges sah. Mit Mühe schafften die beiden es, die Kuh wieder in meine Richtung zu bewegen, doch die Kuh sprang einfach in ein Gebüsch und kreuchte quer durchs Unterholz um mich möglichst gut zu umgehen, kam an der Straße heraus und die beiden beeilen sich, hinter der Kuh hinterher zu kommen. Für mich war das eine lustige Begegnung und nach dem Wortlaut der Frau zu dem anderen Kuhhirten auf der Straße sagte sie so etwas wie " die olle Emma hatte Angst vor dem Typen da hinten mit dem Zelt und ist einfach ins Gebüsch gesprungen" dabei rollte sie bestimmt genervt mit den Augen 🙄😑😒

Der kommende Tag war regnerisch, ich musste noch gut bergauf, machte danach in einem Ort vor Sarajevo eine gute Pause in einem Café und fuhr dann durch das schmale Tal bergab nach Sarajevo hinein. Hier hatte ich vor, eine zweite Nacht zu bleiben und mir bereits eine Airbnb in Innenstadtnähe und mit Blick über die Stadt gesucht (ich musste erst mal das Internet wälzen, um den Aufbau von Sarajevo überhaupt zu verstehen) wo ich dann auch relativ direkt hinfuhr. Der Ausblick hatte natürlich einen Preis. Es ging mächtig steil nach oben. Der Ruf des Muezzin drang fremsländisch in mein Ohr. Der Ausblick über die Stadt war überwältigend. Meine Wohnung super groß für mich und mein Gastgeber Sanin, ein sehr junger Kerl, echt nett und entspannt, empfang mich, zeigte mir alles und ich richtete mich ein. 

Abends ging ich zu Fuß quer durch die Stadt, entlang des Flusses bis zu einem indischen Restaurant. Dort war niemand, doch ich bekam sehr leckeres Essen 😋 und unterhielt mich noch lange mit den Besitzern über das Land, die politische Situation, über Deutschland und die Gasprobleme, Flüchtlingsströme aber auch über Tourismus, die eigene Arbeit, Lebenseinstellung, wie viel Geld man braucht und dass keiner mehr Postkarten schreibt. Das bedauerte er und ich bot ihm an, ihm eine Karte zu schreiben. Er fand das sehr gut und hatte auch eine sehr genaue Vorstellung, von wo sie kommen sollte: "You said Tunesia? Tunesia would be nice!" Gebongt, ich habe es mir in den Kalender eingetragen 😊

Den nächsten Tag besuchte ich zwei Museen (das zum Attentat von Sarajevo und der Zeit davor und ein Museum zur Zeit bis zum Ende des Mittelalters in Sarajevo und BiH), so dass ich die gesamte Geschichte der Stadt abdeckte. Den Rest des Tages tingelte ich durch die Altstadt, kaufte tatsächlich etwas Touristentingel (Einen Kugelschreiber aus Patronenhülsen und eine Mini Kupferkanne zur Zubereitung von Kaffee inkl. bosnischen Kaffee), ging abends noch mal lecker essen, besuchte bestimmt 4x die gleiche öffentliche Toilette (mit der Reinigungskraft bin ich jetzt quasi per Du 😂), kaufte Postkarten und Briefmarken, schaute alten Männern beim Schach spielen zu, chille mit einer Katze an einer Straßenecke, besuchte den alten Brunnen mit hunderten Tauben. Nachhaltig beeindruckt und bedrückt haben mich die vielen zerschossenen Häuserfassaden, die das Stadtbild prägen und an die Schrecken der Belagerung von Sarajevo erinnern. Auf einem Platz fand ich eine Rose von Sarajevo, von denen es mehrere in der Stadt gibt: Die Beschädigungen im Steinboden, die durch eine Splittergranate hervorgerufen wurden, wurden mit rotem Kunstharz aufgefüllt und erinnern an den Tod einer oder mehrerer Personen an dieser Stelle. Ich habe viel zusätzlich nachgelesen und so die Zusammenhänge im Bosnienkrieg, die aktuelle politische Lage, die Zeit der beiden Weltkriege, die Zeit des Osmanischen Reichs und die vielen Zusammenhänge für mich intensiv aufarbeiten können und insgesamt viel über Krieg, Konflikte, Zusammenleben von Menschen und die Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben nachgedacht. Das war für mich sehr wertvoll. 

Abends bin ich dann noch lecker essen gegangen und am nächsten Tag ging es dann schon weiter Richtung Montenegro, aber das würde noch ein paar Tage dauern. 


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