Don Curry on Tour 4
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Don Curry läuft ein Chauffeur zu

Veröffentlicht: 27.06.2023

Don Curry erwachte noch bevor der Wecker um 6:30 Uhr loslegen würde. Das Licht der Sonne drang bereits durch das einzige winzige Fenster seines Wehrturmzimmers ein. Zugleich drang das fröhliche Gezwitscher der zahlreichen Singvögel Tuschetiens an sein Ohr. Sie freuten sich auf den Tag. Don Curry hatte eher zwiespältige Gefühle...

Nachdem er alles zusammengepackt hatte, machte er noch eine kurze Runde durchs Dorf, erschreckte etwas die Kühe, die gerade genüßlich auf dem Trampelpfad vor ihm die Wildkräuter und Blumen wegfraßen, und traf den Spanier, der auch schon auf den Beinen war. Gemeinsam gingen sie um 7:00 Uhr zum Frühstück. Don Curry hatte gestern um eine deutlich kleinere Portion gebeten und bekam sie auch. Der Spanier machte sich noch immer Sorgen wegen der Hirtenhunde. Am Ende wünschten beide einander "Good luck!"

So machte sich Don Curry wieder daran, den Todespass zu überwinden, über den Abano-Pass zu fahren. Einen Vorteil brachte der heutige Tag bereits mit: es herrschte strahlend blauer Himmel, von einer Wolke keine Spur. Nach Verlassen Omalos begann bald die matschige Strecke durch die Ausläufer Tuschetiens. Der gestrige Regen hatte die Situation nicht verbessert. Tapfer kämpfte sich Don Curry da durch. Bei der letzten Brücke im Tuschenland stand ein junger Mann an der Straße und zeigte auf die folgende Pistenstrecke. War irgendetwas nicht in Ordnung?, argwöhnte Don Curry und öffnete das Fenster. Doch der Mann wollte einfach nur fragen, ob Don Curry ihn mitnehmen könne über den Pass bis ins Winterdorf der Tuschen. Da Don Curry keine Ahnung hatte, wann das nächste Fahrzeug nach ihm die Strecke antreten würde, erbarmte er sich des Anhalters und bat ihn einzusteigen. Der stellte sich vor als Nika, ein junger Tusche aus dem Dorf Khakhabo, hoch über der Brücke gelegen. Da seine Englischkenntnisse allerdings ziemlich begrenzt waren, gestaltete sich die weitere Kommunikation recht schwierig.

Kurze Zeit später erreichten sie eine Stelle, wo die Route komplett gesperrt war. Ein frischer Erdrutsch hatte über Nacht die Piste unpassierbar gemacht. Doch ein Bagger arbeitete schon daran, die Geröllmassen von der Fahrtstrecke zu schaufeln. Rund 20 Minuten später konnte Don Curry wieder starten. Nach insgesamt 2 Stunden hatte er die Strecke von Alt-Omalo bis hoch zum Abano-Pass bewältigt. Der Pass zeigte sich heute bei strahlendem Sonnenschein und unter blauem Himmel von einer ganz anderen Seite. Grandiose Ausblicke in alle Richtungen waren möglich. Zum ersten Mal sah Don Curry eine ganze Kette schneebedeckter Gipfel im Norden. Er fragte Nika, ob das schon Russland sei. "Ja", bestätigte der, "das ist Dagestan." - Plötzlich kam Don Curry eine Idee. Ein Tusche muss doch mehrmals jährlich über den Abano-Pass und kennt daher vermutlich jede Kurve. Also fragte er Nika, ob er bereit wäre, den Rest dee Strecke zu fahren. Der reagierte sofort begeistert und setzte sich mit Freude hinter das Steuer. Schnell merkte Don Curry, dass Nika nicht nur jede Kurve, sondern auch jedes Schlagloch und jeden Felsbuckel auf der Piste persönlich kannte. Souverän nutzte er eine exzellente Mischung aus Fußbremse, Handbremse und Motorbremse. So hätte Don Curry das auf der langen Abwärtsstrecke auch gemacht, nur sehr viel vorsichtiger. Nika "sauste" mit 20 - 30 km/h die Piste hinunter, doppelt so schnell wie Don Currys Abano-Tempo. Trotzdem fühlte er sich gut aufgehoben bei seinem Fahrer, obwohl er befürchtete, irgendwann den Fußraum auf der Beifahrerseite durchgetreten zu haben, weil er instinktiv ständig mitzubremsen versuchte.

Auch wenn die Verständigung nach wie vor schwierig war, hatten beide viel Spaß auf der gemeinsamen Fahrt. Nachdem Don Curry zweimal um einen kurzen Stopp zum Fotografieren bat, hielt Nika künftig von selbst an Stellen, die er für besonders schön hielt. Er zeigte Don Curry eine Quelle, aus der fortwährend eiskaltes Bergwasser sprudelte; Don Curry füllte prompt eine leere Weinflasche mit dem erfrischenden Nass. Hier stand auch eine Gedenktafel für vier Männer, die vor einigen Jahren gemeinsam in ihrem Auto in die Tiefe gestürzt waren. "Zuviel Chacha", meinr Nika. Natürlich kannte er auch den "Autowasch"-Wasserfall und ließ Don Curry dort ein Insider-Video drehen. Bei einem späteren Wasserfall fuhr er mit Xerra im Flussbett bis direkt an das herabstürzende Wasser heran, so dass das Fahrzeug komplett im Wasser stand, was aber Xerra mit ihren High-Wheels nichts ausmachte.

Dann war endlich wieder Asphalt unter Xerras Reifen, und Nika drehte noch mal richtig auf. Als typisch georgischer Fahrer galt ihm Schnelligkeit mehr als Sicherheit. Er sauste mit gut 90 Stundenkilometern durch die Dörfer, bis ihn Don Curry zu etwas mehr Mäßigung ermahnte. In einem kleinen Laden kaufte er für Don Curry und sich 2 Dosen Coke, um damit anzustoßen. Dann hielt er beim zugegebenermaßen ruhigeren Weiterfahren in der linken Hand die offene Coladose und berührte noch etwas das Lenkrad, mit der rechten Hand startete er parallel einen Videoanruf mit seiner Schwester, um seine baldige Ankunft anzumelden. Die Schwester musste zwischendurch noch Don Curry zuwinken, der winkte freundlich zurück. Endlich erreichten die beiden Nikas Zuhause, das ganz am Rand des Winterdorfes der Tuschen liegt und wohl ein umgebauter Viehstall ist. Eigentlich wollte Don Curry gleich weiterfahren, aber Nika bat ihn so lange, bis er doch für ein paar Minuten mit hereinkam. Hier lernte der nun Nikas Schwester Buna und auch die Mutter leibhaftig kennen. Sofort wurde ein schneller Mittagsimbiss organisiert. Kaum hatte Don Curry Platz genommen standen auch schon frische Kräuter, Käse, Brot, Butter und zwei verschiedene Arten großer Fische auf dem Tisch, einer gekocht, der andere geräuchert. Dazu gab es rote Tkemali-Sauce, und Nikas Mutter freute sich, dass Don Curry Tkemali kannte. Als dann auch noch zwei Flaschen Bier, zwei Flaschen Wein und eine Flasche Chacha herbeigeholt wurden, drängte Don Curry endgültig zum Aufbruch. Ein halbes Glas Wein musste er trotzdem noch mittrinken; und Nika notierte ihm seine Telefonnummer. Wenn Don Curry in Georgien irgendein Problem habe, solle er sofort anrufen.

Herzlich verabschiedeten sich Don Curry und sein überraschender Chauffeur auf Zeit. Und irgendwie kam es Don Curry fast ein bisschen seltsam vor, wieder ganz allein mit Xerra unterwegs zu sein. Doch er hatte heute noch einiges vor. Er musste weiter...

Das erste Ziel lag gar nicht so fern. Wieder wollte Don Curry ein mittelalterliches Kloster anschauen, und wieder lag dieses Kloster hoch oben in einem Wald verborgen. Die neue Straße zum Kloster war gerade vollendet worden, aber noch nicht freigegeben. Ein großer Bagger stand so mittig auf dem neugepflasterten Stück, dass kein Auto sich vorbeizwängen konnte. Also blieb Don Curry die Wahl, entweder unverrichteter Dinger weiterzufahren oder zu Fuß zum Kloster hochzusteigen. 20 Minuten später kam er schweißgebadet oben an. Unterwegs begegnete ihm ein kleiner Hund, der ihm ein vorsichtiges "Wuff" entgegenbellte, doch als Don Curry unbeeindruckt weiter auf ihn zuging, flüchtete der Vierbeiner jaulend in den Wald. Don Curry hatte noch niemals Hunde in Panik versetzt und erklärte sich dieses eigenartige Verhalten mit dem Panamahut, den er heute als Schutz vor der brennenden Sonne trug. Mit soviel Eleganz konnte das Hundchen wohl nicht umgehen.

Das Kloster lag tatsächlich sehr idyllisch mit weitem Blick in die umliegenden Wälder. Imposante Reste mächtiger Mauern kündeten davon, dass Kwetera einst ein Wehrkloster gewesen ist, sicherlich auch zum Schutz der umliegenden Bevölkerung.

Zwei Stunden später kehrte Don Curry nach Tbilisi zurück. Die Hauptstadt Georgiens liegt so zentral und ist ein echter Verkehrsknotenpunkt, dass man immer mal wieder durch muss. Don Curry hatte sich sogar noch drei Sehenswürdigkeiten aufgespart, die alle deutlich außerhalb der Altstadt liegen, und die er ohne Auto in den ersten Reisetagen nur umständlich hätte erreichen können. Das erste Ziel erblickte er bereits von weitem. Ein georgischer Künstler schuf in jahrelanger Arbeit auf einem Hügel am Rand des Stadtgebietes ein gewaltiges Kunstwerk: die Chronik Georgiens; manchmal wird es auch als das "Stonehenge von Tbilisi" bezeichnet.  Aus mächtigen, bis zu 35 m hohen schwarzen Steinsäulen meißelte er unten Szenen aus dem Leben Jesu und darüber jeweils riesige Statuen von wichtigen Persönlichkeiten der georgischen Geschichte. Eine Kapelle und ein fantastischer Blick auf die Hochhauslandschaft von Tbilisi vervollständigen dieses am Sonntagnachmittag sehr gut besuchte Ausflugsziel. Direkt zu Füßen des Hügels breitet sich der Tbilisi-See aus, auch als "Meer von Tbilisi" bezeichnet, mit allen Aspekten kultivierten Strandlebens: vom Liegestuhlverleih am Sandstrand über Fischrestaurants, Speedboate und sogar kleine Yachten, die hier vor Anker lagen.

Don Curry zog es aber nicht zum Strand, sondern zum Straßenbauministerium Georgiens, obwohl das am Sonntag natürlich geschlossen ist. Dieses Ministerium residiert in einem der ungewöhnlichsten Beispiele des Brutalismus, einer Stilrichtung der Architektur, die vor allem in sozialistischen Staaten oft zum Einsatz kam. Das Ministerium wirkt wie ein lose aus gleichförmigen, länglichen Bauklötzen aufgestapeltes Gebilde. Don Curry stellt sich vor, dass es ziemlich schwierig sein wird, sich in dem Gebäude zurechtzufinden, weil stets nur wenige "Bauklötze" Verbindung zueinander haben. Doch das ist sicherlich nicht sein Problem.

Schließlich fuhr er noch zur Sameba-Kathedrale, der im Jahr 2004 eingeweihten größten georgischen Kirche der Welt. Vom Aussehen wirkt sie wie die meisten anderen georgischen Kirchen, nur das alles viel größer gestaltet ist. Sie will beeindrucken - und das spürt man auch. Ihr Inneres ähnelt mehr einem Ausstellungsraum großer kostbarer Ikonen, als einem Gottesdienstraum. Dennoch fand wohl gerade ein Gottesdienst statt, hinter der Ikonostase meinte Don Curry Bewegungen wahrzunehmen, von der Empore ließ ein kleiner Männerchor eindrucksvolle liturgische Gesänge erklingen. Das zumindest erfüllte die riesige Kathedrale doch noch mit spiritueller Atmosphäre.

Von dieser Kirche blieb nur noch ein kurzer Weg zu Don Currys vorgebuchten Hotel Siberia. Es liegt in einem typischen Wohnviertel, das keinerlei touristische Bedeutung besitzt. Wie so häufig wählte Don Curry diese Unterkunft, weil sie einen spektakulären Ausblick versprach. Von seinem Balkon konnte er nicht nur die gerade besuchte Kathedrale in aller Pracht betrachten, sondern auch die ganze Skyline Tbilisis. Ganz in der Ferne konnte er sogar sein allererstes Hotel in Georgien ausmachen, direkt neben der unteren Betlehemkirche.

Die Restaurantszene in diesem Viertel Tbilisis lässt sich ohne Übertreibung als bescheiden bezeichnen. Doch dank GoogleMaps fand Don Curry doch eine Lokalität in fußläufiger Nähe: Vakhtanguri's Chebureki. Auf dem Weg dorthin nahm er Teil am Sonntagabendleben georgischer Familien. Vieles fand draußen statt: Kinder spielten, Nachbarn unterhielten sich. Fast hatte Don Curry das Gefühl, durch mehrere Wohnzimmer zu spazieren. Doch das Restaurant lag ja nicht fern. Ehrlich gesagt hätte es Don Curry nach dem äußeren Erscheinungsbild wohl kaum betreten, vermutlich nicht einmal als Restaurant erkannt. Denn außer einem georgischen Namenszug an der Fassade, deutete nichts darauf hin. Dennoch zeigte es sich gut besucht, wohl ausschließlich von Gästen aus der Nachbarschaft. Man kannte sich.  Wie der Name schon verrät, spezialisiert sich das Lokal auf Chebureki, ursprünglich ein Gericht der Krimtataren, das sich im gesamten Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion verbteitet hat. Chebureki sind frittierte Teigtaschen, die es mit verschiedenen Füllungen gibt. Don Curry fragte angesichts des sehr günstigen Preises (1,80 €), wie viele er bestellen müsse, um satt zu werden. Ein Chebureki ist eine Portion, sagte der Kellner. So bestellte Don Curry ein Chebureki mit Hackfleischfüllung, eine Portion Tkemali und dazu einen Tomaten-Gurken-Salat, diesmal ohne Walnussdressing. Als Getränk wählte er einen Weißwein, den es glasweise geben sollte, Der Kellner erklärte, heute gäbe es nur Flaschen, keine Gläser. Also änderte Don Curry seinen Plan und bestellte ein "Black Lion"-Bier vom Fass, das wurde tatsächlich glasweise ausgeschenkt. Es wurde eine der leckersten und zugleich günstigsten Mahlzeiten in Georgien; Don Curry bestellte nicht nur ein Bier nach, sondern auch einen Chebureki. Nach dem fettigen Gebäck musste ein Chacha bei der Verdauungsarbeit dringende Unterstützung leisten. Sicherheitshalber fragte Don Curry, ob es den denn heute glasweise oder auch nur als Flasche gäbe. Der kellner grinste.

Was hatte sich wieder einmal für ein wundersamer Tag ergeben. Don Curry fiel eine ungemein elegante Lösung für ein belastendes Problem zu. Und er erfuhr zugleich, dass eine gute Tat sich manchmal unmittelbar auszahlt. Nika hatte einen kostenlosen Transport zu seinem Zuhause gefunden und Don Curry einen kostenlosen versierten Chauffeur durch die Gefahren des Abano-Passes. Und er hatte nun einen Freund im Volk der Tuschen...

"Es gibt noch einen Chacha auf Kosten des Hauses", sagte der Kellner. Und Don Curry saß später auf seinem Balkon, bestaunte die hell angestrahlte Kathedrale und den Rest Tbilisis und freute sich seinen Lebens.



 

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