Veröffentlicht: 05.11.2021
Don Curry weiß, dass man Kappadokien in all seiner mannigfachen Schönheit nur erfassen kann, wenn man es auch von oben gesehen hat, den Überblick bekommt. Darum starten auch fast jeden Morgen dutzende von Heißluftballons, um hunderte Touristen über die kappadokische Landschaft schweben zu lassen. Die letzten beiden Tage hatte das schlechte Wetter morgens keine Starts zugelassen, doch heute konnte es wieder losgehen - und Don Curry war dabei...
Bereits um 5:00 Uhr schrillte sein Wecker. Um 5:45 Uhr stand der Abholservice vor seinem Hotel, um ihn zur Zentrale von Voyager Tours zu bringen, bei denen er über sein Hotel die Ballontour gebucht hatte. Der Kleinbus war randvoll, Don Curry würde heute nicht der einzige Ballonfahrer sein. Die Zentrale lag 20 km von Göreme entfernt. Dort wurde bezahlt und anschließend ein kleines Frühstück gereicht: ein Kaffee und ein süßes Brötchen. Dann wurden die einzelnen Gruppen auf Kleinbusse verteilt. Don Curry hatte sich für den längsten Flug entschieden, der 75 Minuten dauern sollte. Für diese Tour gab es nur 6 andere Passagiere, während bei den kürzeren (und günstigeren) Flügen bis zu 24 Personen in eine Gondel gestopft werden mussten. Die Kleinbusse mit den jeweils für einen Ballon bestimmten Passagiere fuhren los - nach Göreme. Dort wurde auf einem weiten Feld bereits emsig gearbeitet. Es musste buchstäblich ganz viel heiße Luft produziert werden, damit sich die riesigen Ballonhüllen allmählich aufrichteten. In dem Korb für 20 Personen bekamen die 7 Passagiere und 2 Piloten mehr als genug Platz, um sich während der Fahrt gut bewegen und fotografieren zu können. Denn ein Ballon fliegt nicht, er fährt - so die offizielle deutsche Sprachregelung.
Zunächst fuhr er nach oben. Als die Hülle prall gefüllt war, bekam Don Curry noch drei 20 kg - Säcke in sein Korbviertel geworfen, um die fehlende Partnerin auszugleichen; dann hob der Ballon auch schon ab, ganz langsam und fast unmerklich. Im Halbdunkel der beginnenden Morgendämmerung konnte Don Curry immer mehr Ballons sehen, die sich vorsichtig vom Erdboden lösten. Rund 80 Ballons würden es heute sein, die am Himmel über Göreme schwebten; bis zu 150 Ballons sind an dieser Stelle gleichzeitig erlaubt.
Aber auch 80 Ballons in unterschiedlichsten Farben und Designs bringen den Himmel zum Aufblühen, erzeugen eine derart zauberhafte Atmosphäre, als ob eine riesige Pusteblume all ihre Samen zugleich dem Wind anvertraut hätte. Ballonfahren ist eine sehr sanfte Art der Fortbewegung, sinnierte Don Curry. Gäbe es nicht regelmäßig das Brüllen der Propangasflammen, um Auftrieb zu erzeugen, so wäre es ein bedächtiges, stilles Hineingleiten in tatsächlich himmlische Sphären. Don Curry bemerkte nicht nur bei sich, sondern bei fast allen anderen Mitpassagieren ein seliges Dauergrinsen. Nur einer wollte ständig, dass der Pilot noch viel höher steigen sollte. Doch der musste das wegen starker Winde in größerer Höhe ablehnen.
Aber warum möglichst hoch fliegen? Wieviel mehr Freude brachte es, den Spitzen der Felstürme im Liebestal fast zum Greifen nahe zu sein, sie sogar umrunden zu können. Don Curry erlebte viele Bereiche seiner gestrigen Wanderung noch einmal, auch die Weinberge - nur diesmal aus der Vogelperspektive und ganz ohne Anstrengung.
Allmählich lichtete sich der ballongesättigte Himmel, die günstigeren Normaltouren endeten nach 60 Minuten. Don Currys Ballon fuhr und schwebte weiter, zum Schluss nur noch einen Meter über einem Feld, bis endlich das Fahrzeug mit dem Spezialanhänger an Ort und Stelle war, damit der Korb direkt auf dem Anhänger aufsetzen konnte. Ohne entflammtes Propangas erschlaffte der Ballon schnell, Don Curry und seine Mitreisenden durften sich ein Gläschen kappadokischen Rosêsekt gönnen und auf die erfolgreiche Fahrt und Landung anstoßen. Jeder erhielt sogar noch eine Urkunde über das absolvierte Erlebnis.
Direkt vom Feld wurde Don Curry ins Hotel zurücktransportiert, frühstückte, packte und checkte aus diesem überaus angenehmen Hotel Anatolian Houses aus. Den prallen Sonnenschein des Vormittags nutzte er, um noch einmal zum Devrent-Tal zu fahren, und die bizarren Felsungetüme in voller Pracht ablichten zu können.
Bereits im Süden Kappadokiens liegt das Soganli-Tal, ein wenig bekannter, aber überaus sehenswerter Kulturschatz in atemberaubender Landschaft. Bereits beim Einfahren in das Tal muss man ein Ticket lösen, und Don Curry bekam sogar einige Hinweise in gutem Deutsch. Anschließend solle er zurückkehren und sein Mittagessen im hiesigen Restaurant einnehmen. Don Curry lehnte dankend ab, er würde heute von reinem Kirchengenuss leben. Im abgelegenen Soganli-Tal haben ähnlich wie bei Göreme erstaunlich viele Kirchen existiert, die in Felsen geschlagen wurden; allerdings fehlen ihnen die im Göreme-Tal so wunderbar gut erhaltenen Fresken. Außerdem sind sie deutlich mühsamer zu erreichen, weil sie nicht am Talboden, sondern teils in großer Höhe ihren Platz fanden, noch sicherer vor möglichen Feinden. Insgesamt 5 Kirchen erkletterte oder erwanderte Don Curry, die alle ihre Besonderheiten aufwiesen: Die eine war dreistöckig angelegt, eine andere verfügte über einen unförmigen Felsbuckel als Kuppelersatz, andere wiesen zumindest Reste einst prachtvoller Wandmalereien auf. Bevor er sich zu zwei besonders hoch gelegenen Felskirchen auf den Weg machte, kam der Besitzer des Restaurants am Parkplatz auf ihn zu, gab ihm in gutem Englisch ein paar wertvolle Hinweise und meinte, anschließend solle er zurückkehren und das Mittagessen in seinem Restaurant einnehmen. Don Curry lehnte auch hier dankend ab.
Noch weiter im Süden liegt in der Nähe der Großstadt Nigde das Gümüsler-Kloster. Von außen wirkt es wie ein Loch in der Felswand, doch tritt man durch dieses Loch, steht man plötzlich in einem kreuzgangähnlichem doppelstöckigem Innenhof, der zu allen Seiten mit Räumlichkeiten versehen ist. Auf einer Seite betritt man eine zweistöckige Kirche. Vor allem der untere Teil kann mit nahezu unzerstörten Fresken aufwarten, selbst die Säulen sind zur Gänze mit geometrischen Mustern bemalt. Eine apokalyptische Darstellung im oberen Teil ist dagegen sehr verblasst und nur noch unzureichend erkennbar.
Neben den Feenkaminen, Felsformationen und Höhlenkirchen bietet Kappadokien noch eine weitere, sehr spezielle Eigenart: unterirdische Städte, die z.T. über 10 Stockwerke in die Tiefe gehen und hunderte Menschen aufnehmen konnten. Alles ist hier vorhanden, Wohn- und Lagerräume, Werkstätten und Kirchen, Ställe und Zisternen, dazu ein ausgeklügeltes System der Frischluftversorgung - und all das wurde mühsam in den Felsboden hineingemeißelt. Das war zwar durchaus spannend, doch Don Curry bemerkte schnell, dass die Menschen damals erheblich kleiner gewesen sein müssen. Nur in den wenigsten Räumen konnte er aufrecht stehen, besonders die unzähligen Treppen zwangen ihn in eine extrem gebeugte Haltung, die kaum noch einen Blick nach vorn ermöglichte. Selten hat er sich so sehr auf das Ende eines Besichtigungswegs gefreut.
Das nächste Ziel bot zu seiner Freude ganz viel frische Luft in unbeschränkter Natur. Das Ihlara-Tal gehört ebenfalls zu diesen unzugänglichen Refugien christlicher Architektur in einer zunehmend feindlicher werdenden Umgebung. Auch in diesem Tal haben sich einige gut versteckte Höhlenkirchen erhalten. Wie unzugänglich das Tal ist, macht schon der Zugang deutlich: fast 400 Treppenstufen sind zu bewältigen, um von der oberen Felswand, wo der Parkplatz liegt, bis in das canyonartige Tal hinabzusteigen. Selbige Treppen bilden allerdings auch den Rückweg, und Don Curry kamen zahlreiche schwer atmende Aufsteiger entgegen, während er leichten Schrittes die Treppen hinabeilte. Drei der schönsten Kirchen würden in 30 Minuten schließen, hatte ihm der Kassierer noch gesagt, daher beeilte sich Don Curry besonders. Die erste der Kirchen fand er sofort am Ende des Treppenwegs, doch dann schlug er die falsche Richtung ein. Er entdeckte zwar nach 500 m eine weitere Kirche, zu der er viele Treppenstufen hinaufstieg, doch das war keine von den besonders schönen. Nun wechselte er die Richtung, stieg zur nächsten Kirche auf - und fand sie verschlossen. Zu spät! Trotzdem genoss Don Curry die herrliche Landschaft des Tal mit dem munter dahinfließenden Flüsschen und der reichen Vegetation inmitten eines felsigen Tals. Don Curry beschloss, keinesfalls die 400 treppenstufen hinaufzusteigen, er wanderte lieber die 4 km durch das Ihlara-Tal bis zum Dorf Belisirma, wo der andere Talausgang lag. Dort stand ein Taxi bereits, ein uralter Fiat aus den 80er Jahren, mit dem sich Don Curry die 20 km bis zu seinem Parkplatz zurückchauffieren ließ - für umgerechnet knapp 5 €.
Nur 10 km vom Ihlara-Tal entfernt liegt der kleine Ort Güzelyurt, der ebenfalls für seine felsenreiche Umgebung, zahlreiche Kirchen im benachbarten Klöster-Tal und für Hühlenwohnungen bekannt ist. In einer davon hatte sich Don Curry für die Nacht eingemietet. Da diese Wohnungen über die Stadt verteilt sind, wurde er von der zentralen Rezeption rund 100 m weiter geführt, bis er ein höhlenartiges Zimmer mit Ausblick auf die einst bewohnte Felswand gegenüber bekam. Gut, dieses Zimmer war deutlich mehr gemauert als in den Fels geschlagen, besaß aber dennoch rustikalen Charme. Rustikal wurde auch das Abendessen, das im Zimmerpreis inkludiert war und als Buffet angeboten wurde. Neben verschiedenen Vorspeisensalaten gab es auch ene Art kalte Kartoffelpuffer, die man vorweg essen konnte. Beim Hauptgericht entschied sich Don Curry für eine sehr würzige Hühnerpfanne mit Reis und einer Gemüsemischung. Nur die Getränkeauswahl zeigte sich arg beschränkt. Wasser oder Ayran. Mehr gab es nicht. Don Curry blieb trotzdem zufrieden und freute sich, dass er morgen keinen wecker um 5:00 Uhr hören würde...