Veröffentlicht: 02.06.2024
Von unserer Autobahnraststätte sind wir gleich auf der N 120 und werden bei der kühlen Temperatur am Morgen durch einen langen Anstieg schnell warm.Bei Navarette endet die Hauptstraße und die weitere Wegführung ist etwas schwierig, auch weil wegen des Autobahnbaus vieles neu und noch unvollendet ist. An einem Kreisverkehr nehmen wir die falsche Abfahrt und finden uns plötzlich auf der Auffahrt zur Autobahn wieder. Zu spät um umzukehren. Wir fahren mit etwas mulmigem Gefühl auf dem breiten Seitenstreifen zum Glück bergab. Die spanischen Autofahrer nehmen das offensichtlich gelassen, keiner hupt oder macht Zeichen. Nach 1,5 km ist es überstanden, und auf guten Radwegen erreichen wir Logroño, die Hauptstadt des Rioja. Wir machen zufällig Halt in einem Café, das ein Kölner betreibt, der vor 20 Jahren als Monteur von Siemens hierher kam und geblieben ist. Bei ihm gibt es nun spanisches Bier in Kölsch-Gläsern!
Wir fühlen uns inzwischen fit, so dass wir auch den steilen Anstieg in das Dorf Viana mitnehmen, obwohl die Hauptstraße seitlich vorbeiführt. In den schönen Gassen sitzen viele Pilger, die die Atmosphäre nach den Anstrengungen des Caminos genießen. Auf uns warten noch einige Höhenmeter bis zum Übergang des Rioja ins Navarra. Bei wolkenverhangenem Himmel ist das Tal des Ebro nur schwer zu erkennen. Die Landschaft bleibt hügelig und anstrengend. Die letzten Kilometer nach Estella-Lizarra geht es bergab. Trotz der Temperatur und eines kräftigen Windes entscheiden wir uns wie geplant fürs Zelten. Dominique bemerkt sofort, dass wir bei unserem (fehlgeschlagenen) Versuch mit dem Wohnmobil zu reisen, vor sechs Jahren auch schon auf diesem Campingplatz waren. Im Ort hat es viele Pilger und dementsprechend viele Albergues und Restaurants. In einem genießen auch wir einen gutes Essen und einen sehr guten Navarra.
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Der Mai geht zu Ende und auch der spanische Teil unserer Radreise. Heute erwartet uns nochmals ein hartes Stück Arbeit, geht es doch in die Pyrenäen. Der härteste Teil kommt aber schon früher. Von Puenta de la Reina müssen wir 300 um überwinden, und das heute bei kühlen 15 Grad und heftigem Gegenwind. Der El Perdon (so heißt der Übergang) kennt kein Pardon. Nachdem dies geschafft ist, ist es nicht mehr weit bis Pamplona, wo wir einen Cortado am Plaza de Castilla genießen bevor es Richtung Pyrenäen geht. Die ersten 15 km steigt es leicht an, dann biegen wir auf eine Bergstraße nach Eugi ab. Noch 10 km und ein paar Anstiege und wir sitzen auf der Terrasse des Hostal Exteberri beim verdienten Bier (Dominique beim Paulaner!)
Es ist bewölkt und kühl in den Bergen, und wir hoffen, dass wir trocken über den Pass kommen. Nach 5 km biegen wir auf eine Seitenstraße ab, auf der fast kein Verkehr ist. Es nieselt leicht, wird immer kühler und je höher wir kommen desto dichter wird der Nebel. Dominique ist nicht nur wegen des Nebels nicht mehr zu sehen. Es wird zunehmend steiler, der Anstieg auf dem letzten Kilometer ist zwischen 12 und 15%. An der Passhöhe auf fast 1000 m ist von der Umgebung leider nicht viel zu sehen. Unser persönlicher Tourmalet! Die Hirten weisen mich (Dominique) ziemlich streng hinter sich, da eine Kuhherde auf die obere Alp getrieben wird. Ein Hirte macht das Passfoto! 16 km ( 30min) Abfahrt erwarten uns und wir müssen uns dick einpacken, um nicht total auszukühlen. Im Tal hat es dann Dörfer, mehrere Straßen und Verkehr sowie ein Café. Zeit für ein zweites Frühstück. Danach finden wir mit etwas Mühe die alte Bahntrasse Via Verde del Bisoca, auf der wir 36 km bis Irun fahren. Gut die Hälfte ist asphaltiert, der Rest ist größtenteils gut befahrbar. Ein Abschnitt ist wegen einer Baustelle gesperrt, doch mit dem Tragen der Räder und des Gepäcks können wir an einem Samstag, wo die Bauarbeiten ruhen, ganz gut durchgekommen. Wenig später stehen wir vor einem gesperrten Tunnel, eine Alternative ist mit großem Umweg verbunden. Also die Sperre ignorieren und sich langsam vortasten. In der Mitte des Tunnels hat es einen Steinschlag gegeben, an dem wir gefahrlos vorbeikommen und auf der anderen Seite unsere Fahrt nach Plan fortsetzen können. Sicher erreichen wir Irun, die Grenzstadt zu Frankreich und Spanien. Über eine Fahrradbrücke erreichen wir Hendaye in Frankreich. Wenig später, nach einem Umweg mit einer 16% Rampe (😉) sind wir in St Jean de Luz, wo wir wegen möglicher Regenfälle in der Nacht ins Hotel gehen.
Mehr als zwei Wochen sind wir nun von der Atlantikküste an der portugiesischen Grenze ganz im Süden bis zum Atlantik an der französischen Grenze geradelt. 1300 km, vor allem in nördlicher Richtung. Dieses Land hat so viele kulturelle Sehenswürdigkeiten, Kirchen, Burgen, Klöster, dass man es nach einer gewissen Zeit kaum noch aufnehmen und verarbeiten kann, auch wenn das Tempo mit dem Rad dafür Zeit gibt. Am Ende jeder Etappe erwartete uns ein wunderschöner Ort mit Kathedrale, mehreren anderen Kirchen, Plaza Mayor oder España und Palacios. An die späte spanische Essenszeit konnten wir uns gut gewöhnen, da dadurch fast immer genügend Zeit für einen Rundgang durch die Stadt blieb. Die bekannte Siestazeit zwischen 14h und 18h und das pulsierende und laute Leben am Abend haben mich immer wieder staunen lassen.
Mit dem Wetter hatten wir Glück, die befürchteten Hitzetage in der Extremadura gab es nicht und auch die vorhergesagte Einsamkeit haben wir nicht empfunden. Die Natur hat sich in dieser Jahreszeit von seiner schönsten Seite präsentiert: üppige Wiesen, blühende Blumen und Büsche aller Art, die ihren Duft verströmten. Auf den Bahntrassen konnten wir teilweise gar nicht zwischen den Blumen hindurch fahren.
Es gab größere Distanzen zwischen einzelnen Dörfern, und wir konnten uns gut vorstellen, dass links und rechts der Straßen 'España vacia' (ganz leer) ist. Wir fragen uns, wer diese Gegenden wie bewirtschaftet.
Wir sind durch die besten Weinanbaugebiete Spaniens geradelt, angefangen von Ribera del Guadiana über Toro, Ribera del Duero, Cigales, Rioja und Navarra. Sehr gut kannten wir schon bisher Ribera del Duero, mit Toro und Navarra werden wir uns zu Hause nochmals beschäftigen.
Die Wege waren viel besser als erwartet, was auch daran lag, dass wir vorgeschlagene Schotterwege durch Straßen ersetzt haben. ( Danke Harald 💕) Durch den Ausbau der Autobahnen sind viele Nationalstraßen kaum noch befahren. Spanien ist einfach so gross und hat so viel Platz, dass die Straßen meistens breit und die Anstiege sich meistens über mehrere Kilometer ziehen und dadurch weniger steil sind. Einzig östlich von Burgos gab es viel Fernlastverkehr, doch dank einem durchgehenden Seitenstreifen und rücksichtsvoller Fahrweise fühlten wir uns sicher. In den Städten wurde in den vergangenen Jahren viel in Radwege investiert, so dass man sicher durch die Stadtzentren fahren kann. Da könnten sich die Schweiz und Deutschland ein Vorbild nehmen!
Spanier sind nach unseren Erfahrungen rücksichtsvolle Autofahrer, Radfahrer überholen sie mit deutlichem Abstand, auch LKW bremsen dafür ab. An Fußgängerüberwegen wird immer angehalten.
Spanier sind freundlich und hilfsbereit. Ein 'Hola' oder 'Buenos dias' ist selbstverständlich. Bleiben wir suchend an einer Ecke stehen, fragt bestimmt gleich jemand nach und weist den Weg. Auf Spanisch! Englisch ist nicht beliebt. Falls jemand Englisch kann, ist er oder sie nicht einfach zu verstehen. Der Unterschied zwischen first und third floor ist kaum herauszuhören.
Ein absoluter Höhepunkt hinsichtlich Gastfreundschaft und Herzlichkeit war unser Besuch bei Magdalena und Martin im Bergdorf La Garganta in 1100 m Höhe in der Extremadura. Dieser Besuch wird unvergesslich bleiben.
Wir bedauern etwas, dass der spanische Teil nun zu Ende geht. Doch der EV 1 geht weiter in Frankreich, worauf ich mich ( Dominique) freue . Und irgendwann wollen wir auch wieder nach Hause.