Veröffentlicht: 30.05.2024
Da wir heute nur eine kurze Etappe haben, lassen wir es gemütlich angehen. Kaum sind wir raus aus Valladolid, befinden wir uns schon beim Canal de Castillo. Der 200 km lange Kanal, der im Wesentlichen parallel zum Rio Pisuerga verläuft, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut und war damals eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Spaniens. Er diente vor allem dem Getreidetransport von Kastilien in die Hafenstädte. Außerdem ließen sich Getreidemühlen antreiben und die landwirtschaftlichen Flächen bewässern. Mit dem Bau der Eisenbahn wurde der Transport auf die Schiene verlegt. Wir radeln auf dem geschotterten, zumeist gut befahrbaren Weg 40 km weit bis kurz vor Palencia. Es hat einige Schleusen, sonst gibt es wenig Abwechslung, mit der Zeit ist es etwas eintönig.
Palencia ist eine Kleinstadt mit 75.000 Einwohnern, die in ihrer Blütezeit vom 13. bis zum 16. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Städten Spaniens gehörte. Sichtbar ist das heute noch vor allem an der riesigen, gotischen Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert, die in ihrer Ausdehnung die drittgrößte Kathedrale Spaniens ist.
Wir brauchen ein paar Abbiegungen bis wir auf der Carrera de Santander und schließlich auf der N 611 sind. Wir hatten nach der gestrigen Schütteltour auf Schotter beschlossen, die ersten rund 30 km auf der Straße zu fahren und dann auf den Camino zu wechseln. Eine gute Entscheidung, denn auf der Straße kommen wir bei wenig Verkehr trotz Gegenwind gut voran und treffen kurz vor Fromista auf den Canal de Castillo. Dort sind wir auch gleich bei der vierfachen Schleuse, die 15 Höhenmeter ausgleicht. Und dort treffen wir auch auf die ersten 'peregrinos' - Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Wir sind überrascht wie vielen wir auf den nächsten Kilometern begegnen - Jung und Alt aus aller Herren Länder, viele Asiaten und Amerikaner, mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen. Alle eint das Ziel, irgendwann in Santiago anzukommen und dort die berühmte Urkunde, die Compostela, zu bekommen. Erstaunlich, wie viele mit Blasen an den Füßen humpeln, in kleinsten Schritten vorangehen, die schmerzende Hüfte zur Seite schieben, ein Bein stärker belasten oder im Abstieg rückwärts gehen. Aber fast alle sind guter Stimmung, freundlich und unterhaltsam. Auch wir sind bestet Stimmung, haben wir doch die 2000-km-Marke geknackt. Die Anstiege im Schotter sind teils heftig und gerade noch schiebbar. Am späten Nachmittag erreichen wir Burgos, wo wir heute wieder einmal campen. In der Stadt zieht uns trotz eines Besuchs vor sechs Jahren wieder die Kathedrale in den Bann. Ein überwältigendes und nicht zu beschreibendes Bauwerk. Es ist die erste gotische Kathedrale Spaniens, erbaut im.13. Jahrhundert. Der Aus- und Weiterbau durch Johannes von Köln im 15. Jahrhundert war übrigens stark beeinflusst durch das Basler Münster, das den Bischof von Burgos bei seinem beim Konzil von Basel sehr beeindruckte. Er ließ nach seiner Rückkehr die Kathedraltürme mit offenen Steinmetzarbeiten beenden. Bis heute äußerst beeindruckend - und wir fragen uns, wie viele Steinmetze damals zu welchem Lohn an der Kathedrale beschäftigt waren.
Es dauert eine Weile bis es los gehen kann. Zwei Franzosen, die auf dem Weg nach Portugal sind, geht es ähnlich.Wir warten bis das Zelt trocken ist und die beiden bis der Fahrradmonteur in der Stadt, sein Geschäft geöffnet hat. Sie waren gestern auf dem Camino mit dem Rad unterwegs und hatten zwei größere Pannen. Der Weg war so schlecht, voller Schlaglöcher und mit grobem Schotter und z.T. extremen Steigungen, dass Pilger sie im Laufe des Tages überholt haben. Sie warnen uns vor dem Weg und empfehlen uns dringend, diesen Teil irgendwie zu meiden. Bei Dominique klingeln alle Alarmglocken, und ich überarbeite unsere Planung.. Wahrscheinlich hatten wir für den schlimmsten Teil bereits die N 122 gewählt. So fahren wir also die ersten 60 km auf der Straße und kommen dabei sehr gut voran. Es hat hier in Ermangelung einer Autobahn relativ viel Fernlastverkehr, doch der breite Seitenstreifen und die rücksichtsvolle Fahrweise der Spanier ermöglichen ein sicheres Vorankommen. Nach 60 km wechseln wir auf einsame Landstraßen im Rioja zum Kloster San Millàn de la Congolla. Es besteht aus den beiden Klöstern Yuso und Suso. Da sie ein gutes Stück auseinander liegen und die Besichtigung einige Zeit in Anspruch nimmt, entscheiden wir uns für das größere Gebäude Yuso - wohl ein Fehler. Außer der Kopie des Buches mit den ersten schriftlichen Worten in kastilisch, gibt es nichts Besonderes zu sehen. Wegen des Schriftstücks gilt das Kloster als Geburtsort der spanischen Sprache. Leider kann man das Kloster nur mit einer langatmigen Führung auf Spanisch besuchen. Ziemlich enttäuscht radeln wir zurück - wir haben immerhin einen Umweg von 40 km gemacht. Die Landschaft entschädigt ein wenig, es ist saftig grün und schön hügelig. Wir fahren durch die Weinberge des Rioja und übernachten heute mitten im Weingebiet an einer Autobahnraststätte. Mal was anderes.