Veröffentlicht: 04.09.2022
In diesem Eintrag berichte ich euch von meinen ersten Eindrücken und Erlebnissen hier in Mexiko. Viel Spaß beim lesen :)
03.09.2022
Am Samstag vor einer Woche saß ich jetzt gerade in dem Flieger nach Mexiko, mit 13 anderen Freiwilligen. Ich hatte mir vorher ehrlich gesagt noch gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was mich hier erwarten wird (zum Teil auch weil die Zeit dafür gar nicht da war), aber ich kann sagen, dass ich hier bisher sehr gut aufgenommen wurde.
Die Ankunft
Bis auf eine Stunde Verspätung ist unser Hinflug ohne Probleme verlaufen und gegen 22 Uhr Ortszeit sind wir in Mexiko-Stadt gelandet. Dort hat uns Alejandro in Empfang genommen, unser Betreuer hier in Mexiko. Zusammen ging es dann mit dem Bus für knapp zweieinhalb Stunden durch die Dunkelheit von Mexiko-Stadt bis Puebla, das im Landesinneren, südlich der Hauptstadt von Mexiko liegt. Hier haben uns unsere Gastfamilien abgeholt. Mich haben Carmen und ihr 21-jähriger Sohn Fernando aufgeregt begrüßt. Bei ihnen werde ich in diesem Jahr wohnen. Mit dem Auto sind wir nach Cholula gefahren, eine kleine Stadt mit 105.000 Einwohnern, in der sich mein neues zu Hause befindet. Ich bin hier in einem Zimmer mit eigenem Bad untergebracht, das zwar zum Haus gehört, aber etwas abgetrennt liegt. Eigentlich vermietet es Carmen sonst als AirBnB, aber jetzt ist es für ein Jahr mein Reich, mit einem Bett, das dreimal so groß ist wie das Bett, das ich aus dem Studentenwohnheim gewöhnt bin. Die Unterkunft hier ist für mich also fast schon Luxus. Wir wohnen hier etwas außerhalb der Stadt und von unserem Grundstück aus habe ich einen Ausblick auf den zweitgrößten Vulkan Mexikos, den Popocatépetl.
Der erste Tag
Nach ein wenig Schlaf und Erholung von dem Flug hat mich Carmen am Sonntag direkt morgens um 9 Uhr auf eine Fahrradtour mit ihrer Freundin Ingrid mitgenommen. Unsere Tour ging entlang einer Hauptstraße, die Cholula mit dem Zentrum von Puebla verbindet. Die Straße wird jeden letzten Sonntag im Monat für Autos gesperrt und Familien und sportlich Aktive nutzen diesen Tag, um auf der Strecke spazieren zu gehen, Inliner zu fahren oder, wie wir, ein bisschen auf dem Fahrrad mit den Beinen zu strampeln. An den Straßenrändern gibt es an diesem Tag Stände, an denen Werbung für Veranstaltungen oder Institutionen gemacht wird, oder kleine Snacks und Erfrischungen für zwischendurch angeboten werden. Die Idee, eine Hauptstraße einmal im Monat für Fußgänger und Fahrradfahrer freizugegeben ist für mich gänzlich neu, aber bei den Menschen hier vor Ort kommt sie gut an.
Ingrid, Carmens Freundin, die uns auf der Fahrradtour begleitet hat, lebt schon ihr ganzes Leben lang in Mexiko, ist aber Deutsche. Die Verständigung mit ihr stellte somit kein Problem dar. Generell gibt es hier in Puebla eine relativ große deutsche Community, unter anderem aufgrund des Volkswagenwerkes, das hier vor Ort ist. Aber auch Ende des 19. Jahrhunderts gab es bereits eine industriell bedingte Einwanderungswelle von Deutschland nach Mexiko. Mein Gastbruder kann tatsächlich auch Deutsch sprechen und war bereits für 6 Monate in Deutschland, da er hier in Puebla auf eine Deutsche Schule gegangen ist, die 1911 von deutschen Familien gegründet wurde. Abgesehen von den Deutschstunden findet der Unterricht dort heute aber ganz normal auf Spanisch statt. (Wie ihr schon merkt, begegnet mir Deutsch und Deutschland hier mehr als gedacht xD)
Das Vorbereitungsseminar
Nach dem ich mich am Sonntagnachmittag nach der Fahrradtour ein wenig an meine neue Umgebung gewöhnen konnte, hatten wir von Montag bis Mittwoch noch drei Tage Vorbereitungsseminar, um uns, wie der Name schon sagt, auf unseren Aufenthalt hier in Mexiko vorzubereiten. Stattgefunden hat das Seminar in dem Seminarraum eines hübschen Hotels mit Swimmingpool. Während des Seminars haben wir uns zum Beispiel darüber unterhalten, wo es überall in Mexiko gefährlich ist, welche Regeln für uns gelten und welche Unterschiede zwischen den Deutschen und den Mexikaner*innen und unseren Kulturen existieren. Hierzu zählen, dass Mexikaner*innen sich gerne umarmen und Körperkontakt mögen (auch immer zur Begrüßung), wir Deutschen eher nicht so; dass Mexikaner*innen immer versuchen alles lieb und nett zu sagen und nicht gerne direkt sind, wir Deutschen aber Direktheit sehr zu schätzen wissen; und dass Mexikaner*innen meistens sehr spontan sind, wir Deutschen es aber lieben zu planen. Außerdem haben wir während des Seminars noch ein paar organisatorische Angelegenheiten besprochen und erledigt und das erste Mal mexikanisches Essen probieren dürfen, aber extra ohne Schärfe bestellt, damit wir uns nicht gleich in den ersten Tagen den Magen verderben.
Weitere Erlebnisse
Was ich abgesehen von dem Vorbereitungsseminar bisher hier erlebt habe:
Am Montag hat mich Carmen abends mit zu ihrer Gesangsstunde genommen. Eine kleine, süße Gruppe, die mich sehr herzlich aufgenommen hat.
Am Dienstag und Mittwoch ging das Seminar etwas länger, weshalb nicht mehr so viel Zeit war, aber am Donnerstag bin ich mit Fernando, Freunden von ihm und einer anderen Freiwilligen in einer Shoppingmall gewesen. Das war sehr beeindruckend, da diese Mall nicht einfach ein Shoppingcenter ist, wie ich es aus Deutschland kenne. In der Mall gibt es eine Kletterhalle, Lasertag, eine Trampolinhalle, eine Eislaufbahn (:o) und sogar einen Mini-Freizeitpark mit ein paar Fahrgeschäften. Crazy. Ein paar Stunden vorher war ich noch hier am Stadtrand auf einem kleinen Markt einkaufen und dann in dieses „Centro Comercial“ (Einkaufszentrum auf Spanisch) zu fahren, war wie in eine andere Welt einzutauchen. Ich persönlich muss sagen, dass mir die Welt, die ich ein paar Stunden zuvor erlebt hatte, ein wenig besser gefällt.
Am Freitag ist Carmen mit mir nach ihrer Arbeit noch in das Stadtzentrum von Puebla gefahren, das wir ein wenig zu Fuß erkundet haben. Die Stadt Puebla hat rund 1,5 Millionen Einwohner*innen und hat einiges zu bieten, von der spanischen Kolonialarchitektur über Geschichte bis hin zu Kunst. Was mir insgesamt besonders hier in Mexiko gefällt ist, dass die Häuser in so viel verschiedenen Farben angemalt sind. Das lässt alles gleich so viel fröhlicher aussehen und ich verstehe nicht, warum wir das in Deutschland nicht genauso machen. Puebla wird auch Puebla de los Ángeles genannt. Warum? Einer Legende zufolge halfen Engel bei der Gründung und Entstehung der Stadt. So hielten es bei dem Bau der Kathedrale alle für eine unmögliche Aufgabe, die schwere Glocke hinauf in den Kirchenturm zu schaffen. Am nächsten Morgen hing die Glocke aber wie von Zauberhand dort oben. Es wird gesagt, dass dies das Werk der Engel gewesen sei. Als ich mit Carmen gestern dort war, war alles (wirklich alles) in den mexikanischen Farben geschmückt, zu Ehren des 16. Septembers, dem mexikanischen Unabhängigkeitstag. Wir waren den Abend in einer kleinen Ausstellung, in der riesen Figuren verkauft wurden, die aus Wachs als Basis und einzeln aufgeklebten Perlen gemacht sind. Ich will nicht wissen, wie viel Zeit und Nerven die Fertigstellung gekostet hat. Außerdem sind wir noch am Markt vorbeigelaufen und Carmen hat mir die Talavera-Keramik gezeigt, die zur Kolonialzeit aus Spanien in Mexiko eingeführt wurde und aufgrund von der Verfügbarkeit von Ton besonders in Puebla gewachsen ist. Mit der angewandten Technik entstehen wunderschöne, bunte Kunstwerke, die heute als traditionell mexikanisch gelten.
Das ist neu für mich
Natürlich ist vieles neu für mich, aber es gibt ein paar Dinge hier, an die ich mich erst noch gewöhnen muss. Zum einen sind das die „Feuerwerke“ hier. Als ich so einen lauten Knall das erste Mal morgens um 9 Uhr gehört habe, dachte ich zuerst auf der Straße wird geschossen. Aber nein, ganz so schlimm ist es nicht. Hier werden Feuerwerke, oft nur laute Rauchkanonen, aus religiösen Gründen zu allen möglichen Uhrzeiten gezündet. Mit den lauten Knallen sollen böse Geister vertrieben werden. Mit dem Geräusch muss ich mich also anfreunden. Was für mich auch sehr ungewohnt ist, sind die Einschränkungen in meiner Freiheit. Ich sollte hier nicht allein unterwegs sein, schon gar nicht nachts, und bin oft darauf angewiesen, dass mich Carmen oder Fernando mitnehmen. Diese Situation lässt mich sehr über das Privileg nachdenken, das ich in Hamburg hatte. Mitten in einer Großstadt, mit allen Freiheiten und tausend offenen Möglichkeiten, wohin ich als nächstes allein gehen könnte. Aber ich denke auch an die Umstände hier werde ich mich gewöhnen und dass sich mit der Zeit alles einspielen wird. Eine letzte Sache, die für mich noch neu ist, ist natürlich das Spanisch Sprechen, das zurzeit noch sehr holprig ist. But I’ll get there. (Ich habe Glück, dass Carmen sehr gut Englisch spricht.)
Übermorgen, am Montag den 05.09., werde ich meinen ersten Arbeitstag haben. Das Dorf in dem ich arbeiten werde heißt San Jéronimo Tecuanipan und liegt noch ein wenig weiter außerhalb, weshalb ich eine etwas längere Strecke mit dem Bus zurücklegen werde müssen. Ich bin schon sehr gespannt, wie das funktionieren wird. Und natürlich bin ich auch sehr gespannt auf die Arbeit und freue mich darauf, euch in ein paar Tagen von meinen ersten Erfahrungen berichten zu können.
Bis dahin, alles Liebe
Sandy