Veröffentlicht: 03.12.2018
Vantür auf. Es ist früh am Morgen unddie Sonne bahnt sich ihren Weg durch den Olivenhain. Ein paarStraßenhunde bellen in der Ferne, die eigenen Schritte versinkenleicht in der feuchten Wiese. Es ist kühl, aber der Himmel strahlendblau und in der Ferne ist bereits ein schneebedeckter Gipfelauszumachen. Der perfekte Tag für eine Wanderung!
Der pefekte Tag für eine Wanderung?
Vielleicht hätten wir in diesem Momenbereits stutzig werden sollen. Aber spätestens als wir während derFahrt hinauf die Schneegrenze passierten und uns schießlich nur nochin zwei Fahrrinnen weiterbewegen konnten, hätten wir unser Vorhabenernsthaft nochmal reflektieren müssen.
Eigentlich wollten wir nur zumAusgangspunkt unserer Wanderung, einem Dörfchen auf halber Höhe desOlymps, fahren. Sorgen machten wir uns keine, schließlich wolltenwir nicht den Gipfel erklimmen, sondern nur eine schöne, abereinfache Rundtour laufen. Okay, wir wussten, dass unserStartpunkt Prionia bereits auf 1300 Meter Höhe lag, dass es in denletzten Tagen massig regnete und dass es Winter war. Aber wir warenin Griechenland, um dort in der Wärme zu überwintern – da kanndoch keiner mit Schnee rechnen!
Ihr ahnt es vielleicht. Wir haben nichtrechtzeitig umgedreht oder geparkt und steckten schlussendlich fest.Aber so richtig. Unser Unterboden schleifte auf der dichtenSchneedecke, die Räder drehten durch und wir standen auf diesereinsamen Bergstraße und kamen weder vor noch zurück. Es blieb unsnichts anderes übrig, als mit Hilfe unseres Geschirrs (inBadelatschen) die Straße soweit zu räumen, dass wir nach einerStunde einige hundert Meter rückwärts wieder runterfahren undschließlich parken konnten. Was wir übrigens mit „Freude“ getanhaben, denn wir hatten zwischendurch ernsthaft befürchtet, an Ortund Stelle übernachten zu müssen – bis der Schnee im Frühjahrgeschmolzen war oder uns jemand retten würde.
Aus purem Trotz machen wir uns dannstatt zur angepriesenen Rundwanderung auf, um zumindest deren immernoch 6 Kilometer entfernten Ausgangspunkt zu erreichen. DankBadeschlappen-Einsatz und ein, zwei abgestorbenen Zehen waren unsereJoggingschuhe (für genau 3 Meter) noch trocken und wir stapftenfröhlich die eingeschneite Straße hinauf. Die Strecke war danntrotzdem ganz schön, wir führten ein interessantes Gespräch miteinem kräutersammelnden Einsiedler und erreichten Priona und unserenRundwanderweg inmitten einer circa ein Meter hohen Schneedecke. Hiergaben wir dann zwecks mangelnder Ausrüstung endgültig auf undkehrten in unser beheizbares Gretchen und nur wenig später in warmeund trockene Gefilde zurück. „Abenteuer ist nur ein romantischerAusdruck für Schwierigkeiten“ (Peter Becker).
Weniger abenteuerlich, aber nichtweniger aufregend ging es für uns am nächsten Tag weiter, als wirdas Orakel von Delphi besuchten. Wenn man so durch die Ruinenstrolcht, hier eine Säule, dort ein paar Steine, braucht manzugegebenermaßen ein klein wenig Fantasie, um sich vorzustellen,dass dieser Ort ein Mal der Nabel der Welt war. Das dem Apollongeweihte Orakel empfing 600 bis 400 Jahre v. Chr. jeden Tag unzähligePilger und beeinflusste die Entwicklung der damaligen Welt. Nichtumsonst sahen die alten Griechen in einem Stein mit sonderbarer Form,den sie dort fanden, den Omphalos – den Stein, den Zeus der Sagenach benutzte, um den Mittelpunkt der Welt zu markieren.
Dass das Orakel von Delfi eine solcheVormachtsstellung genoss, lag vor allem an den geschickten Priestern,die dem Tempel im Laufe der Zeit zu immer mehr Bedeutung verholfen.Die Anlage hatte mehr zu bieten, als das Orakel an sich. Es gab einenMarkt, an dem kleinere Weihegeschenke erworben werden konnten,Schatzhäuser, gefüllt mit Opfergaben wohlhabender Familien undsiegreicher Städte, die einen Teil ihrer Beute darboten. Das Orakelhatte sogar ein eigenes Theater und ein Stadion. Alle vier Jahrewurden die Pythischen Spiele abgehalten, während derer sportliche,aber auch musische (Apollon ist unter anderem der Gott der Musik)Wettkämpfe stattfanden.
Mittelpunkt war natürlich trotz allemder Tempel des Apollon selbst. Das Orakel befand sich im Inneren.Nach Übergabe einer Opfergabe gaben die Fragesteller ihre Bitte andie Priester weiter. Das eigentliche Orakel aber war die Pythia, einJunfrau jenseits der 30, die in einer Kammer vermutlich austretendenErdgasen ausgesetzt war und – einfach gesagt – ziemlich high ihrUrteil verkündete. Das mehr oder weniger verständliche Orakel wurdedanach von den Priestern des Apollon für die Fragenden „übersetzt“.
Das Beeindruckende ist, dass diePriester dabei häufig Recht behielten. Zum einen machten sie sichdabei zweideutige Aussagen zu Nutze. Berühmt ist zumBeispiel die Geschichte von König Krösus, dem vor seinem Krieggegen die Perser prophezeit wurde, ein großes Reich würde zu Grundegehen – nur war das am Ende leider sein eigenes. Zum anderen nutzendie Priester aber auch geschickt ihr Wissen und ihren Reichtum. Siehatten Informanten in allen Teilen des Reiches. Das Orakel wurden zueinem wichtigen politischen Faktor und hatte damit eineunnachahmliche Stellung. Obwohl es auch andere Orakel im antikenGriechenland gab, blieben diese politisch unbedeutend und kümmertensich eher um persönliche Belange. Nach den Prophezeihungen ausDelphi jedoch wurden Kriege begonnen, gewonnen und verloren. SelbstAlexander der Große soll das Orakel befragt haben.
Erst nach der Machtergreifung der Römerund dem Siegeszug des Christentums verlor das Orakel mehr und mehr anreligiöser und wirtschaftlicher Bedeutung.
Heute können wir die Überreste dieserriesigen und ein Mal so bedeutsamen Anlage immer noch bewundern.Macht man sich bewusst, was die die Pilger damals (wie heute) bewegthat – Kriege, Politik, aber auch ganz persönliche Fragen – undwie sehr eine Religion in die Geschicke der (damaligen) Welteingreifen konnte, dann kann man sich den alten Griechen auch ohneviel Fantasie ganz nah fühlen.
In diesem Sinne: philosophise on!