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Tag 5 - Freundeskreis

Veröffentlicht: 09.05.2025

Knapp drei Kilometer außerhalb von Mytilini – dem Hauptort der Insel Lesbos – befindet sich das Kara Tepe Camp (https://de.wikipedia.org/wiki/Fl%C3%BCchtlingslager_Kara_Tepe).

Es ist derzeit das einzig noch verbleibende Flüchtlingscamp der Insel. In den Jahren 2020/21 erreichte die Belegung des Camps mit einer Zahl von ca. 7500 Geflüchteten und Migranten seinen Höchststand. Seither sind die Belegzahlen aufgrund strengerer Kontrollen der griechischen sowie türkischen Behörden und der damit verbundenen Verlagerung von Schleuserrouten kontinuierlich gesunken. Aktuell sind ca. 1700 Geflüchtete (vorwiegend aus Afghanistan, Bangladesch, Pakistan, Ägypten, Sudan, Palästina, Somalia und Eritrea) in Kara Tepe untergebracht. Es handelt sich um ein staatlich organisiertes und kontrolliertes Camp des Ministeriums für Migration und Asyl. Untergebracht sind die Geflüchteten je nach Gruppenzugehörigkeit (Familien, alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige, junge männliche Erwachsene etc.) in – teilweise – klimatisierten Containern sowie in unklimatisierten Relief Housing Units (RHUs) oder Großraumzelten. Neben dem o.g. Ministerium, welches das Camp Management stellt und insbesondere für Unterbringung und Verpflegung verantwortlich ist, sind nur wenige humanitäre NGOs innerhalb des Camps zugelassen und tätig. Gründe hierfür sind, dass eine Zulassung für die Arbeit innerhalb des Camps mit hohem bürokratischem Aufwand und Kosten verbunden ist. Infolgedessen hat sich die Mehrzahl der auf Lesbos tätigen humanitären NGOs im Umfeld des Camps sowie in der Stadt Mytilini angesiedelt.

Ca.1,5 km Fußweg vom Camp entfernt, auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Lagers, befindet sich das „Paréa Center Lesbos“, welches bis 2022 auch als“ One Happy Family Community Center Lesbos“ bekannt war.

Unter dem Namen „Paréa“ (griechisch für Freundeskreis, Gemeinschaft) haben sich auf dem Gelände eines ehemaligen Lagerhauses unter der Leitung der Nichtregierungsorganisation „EuropeCares“ (https://www.europecares.org/parea) aktuell 11 weitere NGOs zusammengeschlossen und niedergelassen, um den Geflüchteten des Camps einen offenen aber sicheren Ort anzubieten, an dem sie sich angstfrei aufhalten und je nach Bedarf verschiedenste Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.

Zu den permanenten Angeboten zählen u.a. eine Wäscherei, ein Cafe, eine Ausgabe von Mittagessen (da die Mahlzeiten im Lager wohl von mehr als zweifelhafter Qualität sind), ärztliche, psycho-soziale und psychologische Betreuung, ein Reparaturworkshop (Fahrräder, Kleider, E-Geräte, Möbel etc.), ein Safespace für Frauen und für Kinder bis 5 Jahre, Sprach- und Computerunterricht, ein Computerraum, Sport- und Freizeitangebote, eine Kleiderausgabe, die Ausgabe von Hygiene-Kits, ein Umsonstladen sowie ein Gemeinschaftsgarten.

Ergänzt werden diese Angebote, durch NGOs von außerhalb des Centers, die nur an einzelnen Tagen in der Woche mit Angeboten wie z.B. Rechtsberatung, Interviewvorbereitung oder Wohnungsvermittlung vor Ort sind.

Alle diese Angebote sind notwendig, da sie den Geflüchteten von staatlicher Seite innerhalb des Camps nicht oder nur in unzureichender Art und Weise zur Verfügung gestellt werden.

Während unseres Besuchs wurden wir begleitet von Abi Russel (Europcares Field Coordinator Paréa Center), Joaquín O'Ryan (Europcares Communication Coordinator) und Arno Tanner (Europcares Vorstandsmitglied, Freiwilligen-Koordinator und Anwerber von A.R.). Sie haben uns bei unserem Besuch einen Einblick in die Arbeitsweise der einzelnen NGOs im Parea Center gegeben und uns ihre aktuellen Herausforderungen geschildert. Neben einigen wenigen internationalen und lokalen Festangestellten der beteiligten NGO, ist der Betrieb des Paréa Centers nur mit Hilfe von 15-20 Freiwilligen (Volunteers) aufrecht zu erhalten. Die Hälfte dieser Volunteers sind sog. Community Volunteers, d.h. Geflüchtete aus dem Camp. Die andere Hälfte besteht aus sog. Visiting Volunteers – überwiegend Studierende und Young Professionals aus verschiedensten EU-Staaten, die sich für mind. 8 Wochen zur Mitarbeit im Paréa Center verpflichten.

Die aktuell größten Herausforderungen für den Fortbestand des Centers sind die unsichere Finanzierungslage aufgrund abnehmender Spendengelder, schwankende Zahlen von Geflüchteten, die auf Lesbos ankommen, die Rekrutierung von Volunteers während der Wintermonate und nicht zuletzt das geplante neue Flüchtlingslager im Zentrum der Insel. Denn bei einer Umverlegung wäre es den Geflüchteten unmöglich, weiterhin schnell und mit geringem Aufwand ins Paréa Center zu kommen.

Mit dem Paréa Center ist es den beteiligten NGOs, den Mitarbeitern und Freiwilligen mit sehr einfachen und beschränkten Mitteln, aber dafür umso mehr Kreativität und Leidenschaft gelungen, einen unglaublich einladenden, freundlichen und wertvollen Ort zu schaffen, der aktuell täglich für 230-250 Geflüchteten einen wichtigen Anlaufpunkt darstellt, an dem sie Wertschätzung, Sicherheit und Unterstützung erfahren.

Vielen Dank an das Team des Paréa Centers für Eure Zeit und die Möglichkeit unseres Besuchs. Wir wünschen Euch weiterhin das Beste für Eure Zukunft und die des Paréa Centers – egal ob mit oder ohne A.R. 😉

Da wir bis zu unserem nächsten Termin am Abend etwas Freizeit hatten und weil man lt. einer bedeutenden griechischen Flüchtlingsaktivistin (s.u.) gerade im Angesicht des Schlimmen und Schrecklichen unbedingt immer auch die schönen Dinge wertschätzen und pflegen muss, hat sich ein Großteil unserer Gruppe am Nachmittag zu einem kurzen Sprung ins – noch recht kühle – Mittelmeer entschieden. Schön war’s!

Gegen Ende des Tages hatten wir die Gelegenheit, Efi Latsoudi zum Abendessen zu treffen. Die griechische Psychologin ist bereits Anfang der 2000er Jahre nach Lesbos gekommen und seither auf der Insel als Aktivistin für die Belange von Geflüchteten aktiv. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und als Mitbegründer der NGO „Lesbos Solidarity“ (LESOL - https://lesol.gr/), welche Geflüchtete auf vielfältige Weise unterstützt, ist sie eine der wichtigsten Kämpfer*innen für die Belange Geflüchteter auf der Insel Lesbos und weit, weit darüber hinaus.

Wir bedanken uns herzlichst dafür, dass sie trotz ihres vollen Terminkalenders die Zeit gefunden hat, ihre Expertise und Erfahrungen mit uns zu teilen. Alles, alles Gute für Efi Latsoudi, für ihre Mitstreiter*innen und für Lesbos Solidarity.

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