diane-in-hawaii
diane-in-hawaii
vakantio.de/diane-in-hawaii

Dem Himmel nahe

Veröffentlicht: 15.05.2021

Liebes Reisetagebuch

Montag, 17. Mai 2021

Rise and Shine um 5:15 Uhr hiess es in der WG. Müde aber voller Vorfreude, endlich die Stairway to Heaven Wanderung machen zu können, assen wir gemeinsam Frühstück. Um 6:00 Uhr sollten uns schliesslich zwei Uber abholen. Dies aufgrund des Coronavirus, da wir nicht alle vier in ein Auto dürfen. Sonia‘s und Chantal‘s Uber kam pünktlich und nahm die beiden mit. Unser hingegen, Jasmin‘s und meins, liess sich etwas mehr Zeit und verfuhr sich sogar noch. Etwas später wurden jedoch dann auch wir abgeholt.

Kurz nach der Losfahrt stelle ich sicher, dass der Fahrer auch wirklich an den richtigen Ort fährt, da wir beim Bestellen des Autos als Destination nur Stairway to Heaven eingetippt haben, was uns wohl zum Start des illegalen Weges (die Treppen) geführt hätte. Der Start des längeren und schwierigen, jedoch legalen Aufstiegs, befand sich im Moanalua Valley.

Dort angekommen, waren Chantal und Sonia weit und breit nicht zu sehen. Kurz darauf die Nachricht von Chantal: „Mir sind glaub falsch.“ Hmm toll... Obwohl sie dem Fahrer die richtige Adresse mitgeteilt haben und ihn sogar lotsen wollten, fuhr er an die vorgegebene Adresse. Neue Ankunftszeit; kurz vor 7:00 Uhr, um welche Zeit wir bereits eine halbe Stunde am Laufen sein wollten.

Endlich wieder zu viert, marschierten wir nun tatsächlich mit einer halben Stunde Verspätung los. Etwas ärgerlich aber nicht weiter tragisch. Wir haben schliesslich noch den ganzen Tag Zeit. 

Zu Beginn ein gemütlicher Spaziergang auf einem Feldweg durch ein wunderschönes Pflanzenreich. Ab und zu mussten wir grosse Schlammfelder überqueren oder einen besseren Weg im Wald nebenan suchen, um nicht gleich im Sumpf stecken zu bleiben.

Der Weg wurde anschliessend immer dichter und dichter, Farn um uns, Äste über uns und Schlamm unter uns. Wunderbare Voraussetzungen für eine solche Wanderung. Nach einer Weile konnten wir weiter oben die Gruppe sehen, welche vorhin während Jasmin und ich am warten waren, den Trail gestartet haben. Ich winkte und sie zurück und anschliessend die Frage ihrerseits: "Do you know if this is the right way?" "Actually we don't but it has to be...", unsere Antwort. Also gut, weiter gehts. Was wir zu Beginn schon als Herausforderung betrachtet haben, war nach einer Weile bereits schon Peanuts, denn der Weg wurde immer schwieriger, unübersichtlicher und somit gefährlicher.

Mithilfe von Wurzeln und den Händen voneinander, zogen wir uns den Berg hinauf. Mit jedem Schritt dachten wir uns erneut, wie kann ein solcher Weg legal sein, wenn es die Treppen nicht sind. Das macht einmal mehr keinen Sinn! Amerika, war die Antwort darauf und weiter. Aber stopp, wie werden wir hier jemals wieder runter kommen, wenn wir schon beim Aufstieg solche Probleme haben? Der Abstieg ist nämlich immer schwieriger als der Aufstieg.

Nun war auch ich überzeugt, dass dies doch nicht der richtige Weg sein kann und versuchte Dominik aus meiner Klasse anzurufen, welcher den Trail ein paar Tage zuvor absolvierte. Leider ohne Erfolg, da es in diesem Gestrüpp, in welchem wir uns befanden, kaum Netz hatte. Logisch! Es blieb uns nichts anderes übrig, als weiter zu klettern, rutschen und hoffen, dass wir keinen falschen Tritt begehen. 

Bis jetzt hatten wir wenigstens mit dem Wetter Glück, denn es war angenehm bewölkt und die Sonne drückte nicht wirklich. Doch schwarze Wolken tauchten langsam auf.

Aber wie zur Hölle haben so viele Personen diese Wanderung geschafft, wenn bereits wir am hadern waren. Und ich behaupte jetzt einmal, wir sind in keiner schlechten Form, was Sport etc. anbelangt. 
Nach weiteren gefühlten Stunden (das Zeitgefühl habe ich irgendwann verloren), versuchte ich nun Luca telefonisch zu erreichen. Er wird uns bestimmt sagen können, ob wir auf der richtigen Spur sind. Nach einem kurzen Gespräch und den Check-Fragen seinerseits, wie "Hender s Flüssli überquert?" und "Sinder bim Schild rechts?" und Fragen meinerseits welche beinhalteten, ob er sich auch an Wurzeln hatte rauf ziehen müssen und ob es schlammig war etc., meinte er ja, er habe gesagt, es sei keine einfache Wanderung. Das lasse ich so nicht auf mir sitzen, ich kann das und gebe auf keinen Fall auf! 

Mit einem erleichterten Gefühl, zu wissen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, machten wir uns also Schritt für Schritt weiter und staunten immer mehr, was für hirngepickte (entschuldige die Wortwahl) diesen Trail machen. Da muss man lebensmüde sein, sich für einen solchen Weg zu entscheiden. Wir gehören nun also auch zu dieser Spezies an Menschen...

Nun also doch, die Wolken meinten es gut mit uns und liessen einige Regentropfen fallen oder soll ich es eher Tränen nennen? Ich weiss es nicht aber zu diesem Zeitpunkt musste ich mehrmals leer schlucken. Es war bereits jetzt schon wahnsinnig rutschig und fast unmöglich und mit der Vorstellung das ganze im Regen zu machen, löschte es mir beinahe ab. Doch glücklicherweise waren es nur ein paar wenige, kleine Tropfen und es hörte gleich wieder auf. 

Erneut hörten wir die Stimmen der drei und ich fragte laut, ob es weiter oben besser werde. Sie meinten anschliessend ja und auch die Aussicht komme endlich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nämlich noch keine wirkliche Aussicht geniessen können, da wir ringsum nur grün hatten. Wenigstens wird es besser, dachten wir uns.

Kurz darauf erlebten wir jedoch einen riesigen Schreckmoment, als Jasmin plötzlich nach rechts fiel und nur noch mit ihren Kniekehlen an einem Baumstamm hing. Ich als Letzte der Gruppe, versuchte sie wieder auf den Weg zu ziehen - leider ohne Erfolg. Als wäre sie nicht bereits genug weit unten, rutschte sie noch etwas weiter und ich wusste nicht, wie ich ihr sonst noch helfen konnte. Chantal und Sonia waren bereits weiter oben und im ersten Moment auch perplex, als es passierte. Aus unerklärlichen Gründen, schaffte es Jasmin jedoch wieder sich aufzurichten und auf den Weg zurück zu kehren. Meine Güte, das hätte schlimm enden können.

Nach einer kurzen Erholungspause, kraxelten wir weiter hinauf und fokussierten uns je länger je mehr auf den Weg, da es nun wirklich nur noch Fussbreit war. Rechts und links war das tückische Farn, welches solid und sicher aussah und gleichzeitig wahrscheinlich den Abgrund bedeutete. Jetzt also nur keinen falschen Tritt machen. 

Wütend, erschöpft und ungläubig schrie Chantal: "Guys we took the wrong way! I can see some people over there." Ich traute meinen Ohren kaum und sah auch keine Menschen. Einmal mehr ärgerte ich mich über meine schlechten Augen, denn ich musste sicher drei Mal nachfragen, wo nun diese Menschen seien. Endlich habe ich sie auch gesehen und war einfach nur wütend auf uns, dass wir tatsächlich erneut einen falschen Weg gewählt hatten und gleichzeitig voller Stolz, einen solchen Aufstieg fast geschafft zu haben.

Nicht mehr lange nämlich und wir münden glücklicherweise in den richtigen Weg. Jetzt nur nicht hetzen und einen Fehler machen. Wir waren jedoch nur schon beruhigt, dass wir wenigstens nicht mehr den selben Weg runter müssen. Alle ausser mir haben nämlich bereits den illegalen Weg als Rückweg in Erwägung gezogen. Ich war der Meinung, dass wir es hier auch wieder runter schaffen, auch wenn es hiess, auf dem Füdliboden runter zu rutschen, womöglich drei Purzelbäume schlagen zu müssen und eine unsanfte Landung zu haben. Ich kann und möchte nämlich auf keinen Fall den illegalen Weg nehmen, da ich einen viel zu grosser Schisshase für so etwas bin. Dies hätte bedeutet, unten von den Anwohnern und der Polizei davon rennen zu müssen. Solche Räubergeschichten habe ich nämlich schon zu genügen gehört und möchte diese nicht beim eigenen Leibe erleben. 

Nun endlich haben wir den letzten Schritt getätigt und wir waren in Sicherheit. Nach dieser fühlte es sich zumindest für uns an. Mit dem Blick zurück auf jene Passage, aus welcher wir soeben kamen, war es schier unmöglich zu glauben, was wir vollzogen haben. Von oben sieht man nicht mal einen Weg. Kein Wunder, denn es war ja auch keiner. Und trotzdem bin ich der Überzeugung, dass wir noch lange nicht die Einzigen waren, die diesen fatalen Fehler begingen. 

Der übliche Weg war anschliessend schier ein Spaziergang, verglichen mit dem Vorherigen. Auch wenn er hier teilweise ebenfalls rutschig war und es auf beiden Seiten das Loch runter ging. Trotzdem weniger als vorhin, was angenehm war.

Endlich kam dieses Stuck mit dem Seil, von welchem alle erzählten. An einem steilen Hang mit Schlamm, mussten wir uns mit einem Seil nach oben hieven. Einmal mehr war ich dankbar für meine Beweglichkeit und die vielen Stunden im Milandia, in welchem ich die Eigernordwand Kletterroute unzählige Male rauf und runter bin. Jetz ist mir auch bewusst, weshalb Handschuhe, wie man an mehreren Orten gelesen hat, eine gute Idee wären. Das Seil pickste einem in die Handflächen und trotzdem war es ohne nicht möglich. Meine Hornhaut vom Pole ist nun wohl auch nicht mehr vorhanden, um Schutz zu bieten. So hoffte ich einfach, keine Blatern, geschweige denn Verbrennungen durch das Seil zu erhalten.

Oben angekommen, war der Weg vergleichbar wie vor dem Seil. Zum Teil waren es hüfthohe Canyons, in welchen man knapp einen Fuss vor den anderen setzen konnte. Wenigstens sahen wir nun endlich unser Ziel und es war in in greifbarer Nähe. Also sich noch einmal die letzten paar Hundert Meter in den Hintern kneifen und da war es nun. Die grossen Satellitenschüsseln auf einem Betonhäuschen, die bekannten Treppen, welche von der gegenüberliegenden Seite nach oben führen und eine fantastische Aussicht. Eine Aussicht auf die Highway 3, auf welcher Chantal und ich bereits fuhren, auf die grünen Koolau Berge, auf das Meer und die davor liegenden Häuser und auf alles andere, was sich unter uns befand. Sogar die Wolken schienen zum Anfassen nahe zu sein.

Nach dem Erklimmen der 780 Höhenmeter, war es trotz der atemberaubenden Aussicht nicht lange geniessbar, denn es windete einem fast davon. So assen wir etwas, machten unsere Fotos und kehrten wieder um.

Der Rückweg war wie erwartet, nicht ganz ohne aber gut machbar. Auch der Part mit den Seilen, war mit etwas Konzentration und einer gewissen Geschicklichkeit machbar. Wieder an diesem Punkt angekommen, wo wir vorhin in den Weg mündeten, einen letzten Blick zurück und einmal mehr ein ungläubiges Kopfschütteln. Etwas weiter unten schauten wir noch einmal zurück und sahen die Seitenmoräne, auf deren Grat wir gewandert sind.

Weiteren Rutschpartien, Windstössen und Klettermanöver später, gelangten wir nun zu dem richtigen Flüsschen, welches Luca gemeint hat. Wir hingegen haben ebenfalls ein kleines Flüsschen überquert, einfach das Falsche. Auch sahen wir nun ein, wo wir den Fehler gemacht haben. Nun jedoch wieder auf dem gemütlichen Feldweg, schien es kein Ende mehr zu nehmen.

Wir waren bereits ziemlich erleichtert, als wir diesen erreichten. Jetzt mussten wir nur noch all diese Schlammfelder hinter uns lassen und schon wären wir wieder am Start. In der Theorie schneller, als in der Praxis. Die Schlammlöcher, welche wir zu Beginn mit ach und krach versuchten zu umgehen, waren uns jetzt allmählich egal. Hauptsache nach Hause!

Acht Stunden später befanden wir uns wieder beim Park im Moanalua Valley und freuten uns, die Wanderung heil hinter uns lassen zu können. Einzig die Fussgelenke und Knie schmerzten mir wahnsinnig aber kein Wunder, wir haben diese auch ziemlich beansprucht und obendrein war es bestimmt auch nicht das Beste für meine Schlottergelenke. Wie auch immer, die werden sich irgendwann auch wieder erholen.

Nach einer kurzen WC-, Trink- und Esspause, war auch bereits unser Uber hier und lud uns alle auf. Zurück in Waikiki, holten Chantal und ich unser Hab und Gut in der WG und warteten auf unser Bus. Wie es der Zufall wollte, schafften wir es auf unser Lieblingsbus bzw. Lieblingschauffeur. Beim Einsteigen jedoch war gar nicht er am Steuer, sondern jemand anderes. Er sass hinten als „Fahrlehrer“ und schaute dem Fahrer über die Schultern. Ich grüsste in höflich aber leider erkannte er mich nicht in meinem Sportoutfit. Normalerweise habe ich mein Strandoutfit an, wenn wir seinen Bus betreten. Erstaunlicherweise fuhr der Lehrling sehr gut und wäre einen guten Ersatz unseres Fahrers, falls dieser aufhört.

Zuhause angekommen fragte uns Tony, wie unsere „Schule“ war. Wir meinten wunderbar, denn wir unternahmen eine Exkursion ;). Nun aber ab unter die Dusche und die Kleider auch gleich in die Waschmaschine. 

Antworten

USA
Reiseberichte USA