Coastal Nomads - Suzi, John & Betty
Coastal Nomads - Suzi, John & Betty
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Kantabrien - Betty wird im Nebel von dunklen Gestalten eingekreist

Veröffentlicht: 06.09.2024

Persönlicher Logbucheintrag vom Wohnschiff Betty HH-VX 717: Wir schreiben das Jahr 2024, 17. August, 8.30 Uhr. 

Es ist mal wieder an der Zeit, zu neuen Zielen aufzubrechen. Kurz hinter Ribadesella endet Asturien und die autonome Region Kantabrien beginnt. Mit rund 5.300 km2 und knapp 600.000 Einwohnern ist Kantabrien deutlich kleiner als z.B. Schleswig-Holstein, hat aber über 90 Strände auf 220 Kilometern Küstenlänge aufzuweisen. Doch vor Kantabrien ist noch einmal Wäsche waschen angesagt. Unsere unentbehrliche Park-4-Night App zeigt uns auch den Weg zum nächsten Waschsalon (hier in Nueva) inclusive Bewertung durch die User, also wie viele Maschinen, Sauberkeit, Preise, Parkmöglichkeit für Womos, etc... Während die 15 kg Waschmaschine rotiert, sitzen wir in einem Cafe und sehen zu, wie der örtliche Wochenmarkt ganz langsam aufgebaut wird. Es bereits nach 10 Uhr, zu dieser Zeit bauen in Deutschland die ersten Marktstände fast schon wieder ab. Hier ticken die Uhren halt anders, ein Lidl-Markt z.B. öffnet morgens erst um 9:30 Uhr. Nach dem Waschgang schlängeln wir uns mit Betty  die kleine Landstraße  entlang der Küstenautobahn in Richtung Osten und entdecken noch einen Mirador mit Ausblick auf die Picos de Europa, ein eindrucksvolles Kalksteinmassiv an der nordspanischen Küste mit bis zu 2.650 m hohen Gipfeln. Dort treffen wir noch ein junges Paar aus (natürlich) Hamburg mit ihrem VW Bus. Sie fahren westwärts, wir ostwärts, also werden noch einige Stellplatztipps ausgetauscht.

Eigentlich sollte unser nächster Anlaufpunkt der malerische, an einer Flussmündung gelegene Fischer- und Badeort San Vicente de la Barquera sein, doch das Wetter hat sich eingetrübt und bei unserer Ankunft regnet es in Strömen. Wir haben gehört, dass bei Regen an der nordspanischen Küste hinter den Küstenbergen aber immer die Sonne scheinen soll. Also reißen wir das Steuer herum und steuern südwärts in Richtung Ebrostausee, den wir uns sowieso noch ansehen wollten. Doch auch nach längerer Fahrt lässt sich die Sonne leider nicht blicken und wir brauchen bald einen Schlafplatz. An einem kleinem See, dem Embalse de Alsa, noch einige Kilometer vor dem Ebrostausee, soll man auf rund 1.000 m Höhe einsam und malerisch übernachten können. Eine ganz schmale Straße führt in engen Serpentinen zum See hoch und auf einmal befinden wir uns mitten in der Wolkendecke. Die Sicht sinkt fast auf Null und wir schleichen die letzten Meter im Schritttempo zum See. Dort angekommen sehen wir eigentlich nichts, keinen See, sondern nur feuchten Nebel, zudem ist es bereits fast dunkel. Ziemlich kalt ist es auch. Wir essen etwas warmes, ziehen uns die Schlafsäcke über die Ohren und machen die Augen zu. Im Morgengrauen schrecke  ich dann auf, draußen sind ungewöhnliche Geräusche zu hören. Ich ziehe die Jalousie vom Fenster etwas herunter und sehe mehrere dunkle Gestalten, die sich um den Van bewegen. Als eine Windböe die Nebelschwaden etwas vertreibt, sehe ich eine Herde zotteliger Wildpferde mit ihren Fohlen, die sich um Betty scharen. Was für ein herrlicher Anblick. Ganz langsam zuckelt die Herde weiter, ganz in der Ferne können wir auch noch die Halsglocken einer Kuhherde hören, Natur pur!

Im feuchten Nieselregen geht es weiter an den Stausee des Ebros, der nur wenige Kilometer weiter in den Bergen seine Quelle hat und nach über 900 km  südlich von Tarragonna ins Mittelmeer mündet. Das Wetter ist so la la, immer wieder ziehen Regenschwaden über den See. Also Zeit für einen Museumsbesuch. In Corcante soll es ein kleines Museum zur Geschichte des Ebrostausees geben. Laut Google sollte es offen haben, sieht aber geschlossen aus.  Als wir an der Türklinke rütteln, schließt uns einige Augenblicke später ein junger Mann auf. In der nächsten Stunde bekommen wir von ihm - als einzige Besucher - eine Privatführung durch das Museum. Der Stausee wurde während der Franco-Diktatur gebaut, dazu mussten mehrere Dörfer umgesiedelt werden. Die versprochenen Entschädigungen für die Bewohner hat es größenteils nicht gegeben; Auch der Großvater unseres engagierten Museumsführers war von der Umsiedlung betroffen. Heute ragt von den versunkenen Dörfern nur noch ein Kirchturm aus dem See heraus. Der Stausee ist durch die thermischen Winde bekannt für seine guten Bedingungen zum Windsurfen, ist in letzter Zeit aber eher Ziel von Kitesurfern, da das Wasser im Uferbereich sehr flach ist. Wir umkreisen den See einmal mit Betty und wundern uns, dass dieser Stausee touristisch offenbar so wenig vermarket wird. Hoch über dem See finden wir in der Nähe einer kleinen Ermita mit dem schönen Namen "Nuestra Senora de las Nieves" einen romantischen Stellplatz auf einer (mit Kuhdung) übersäten Wiese mit Blick auf den See. In Nordspanien gibt es im Hinterland wenig Zäune, hinter einer Kurve steht gerne mal eine Kuh- oder Ziegenherde auf der Straße.

Am nächsten Morgen hat sich das Wetter gebessert und die Küste lockt uns wieder. Am Playa de Usgo beim Örtchen Miengo finden wir glücklicherweise einen Strandparkplatz, auf dem das Übernachten geduldet wird. Je weiter ostwärts wir in Nordspanien kommen, desto schwieriger wird das Parken und Übernachten am Strand. Zum einen bieten die enger werdenden Buchten einfach weniger Platz und zum anderen ist der "Druck" auf die wenigen Parkplätze aufgrund der Nähe zu Frankreich und durch viele französische und deutsche Touristen einfach größer. Auch hier auf dem Parkplatz sehen wir leider Camper, die das "volle Campingleben" (Tisch, Stühle, Markise, Grill) auf dem Parkplatz ausleben. Kein Wunder, wenn bald auch die letzten Plätze am Wasser für Wohnmobile gesperrt werden! Der Playa de Usgo hat ganz tolles türkises Wasser. Ein ziemlicher Shorebreak klatscht bei Flut auf den Strand und das Baden unter den Augen der wachsamen Socorrista ist nicht ganz ohne. Wellenreiten geht hier nicht, aber wir legen einen ruhigen Strandtag ein.

Am nächsten Tag geht es weiter, zu dem Surferhotspot Kantabriens, dem Playa de Liencres an der Mündung des Ria de Mogro. Hier gibt es ausreichende Parkkapazitäten  (wenn man bereits morgens vor den spät aufstehenden Spaniern anreist) auch für größere Wohnmobile. Das Übernachten am Strand ist aber strikt untersagt, da der Strand in dem Nationalpark Las Dunas de Liencres liegt. An dem weitläufigen Strand, der mit zu den schönsten gehört, die wir bisher auf unserer Reise gesehen haben, bricht eine respektable Welle. Bei Ebbe gibt es aber in Ufernähe auch für mich surfbare Bedingungen. Auch ist hier weiter im Osten das Wasser doch schon deutlich wärmer als z.B. in Galicien, so dass der Kurzarmneopren wieder zum Einsatz kommen kann. Baden ist nur in einem sehr schmalen Korridor von etwa 50 m Breite erlaubt, der von den Socorrista streng kontrolliert wird. Jeder "Falschbader" wird sofort mit der Trillerpfeife aus dem Wasser geholt. Bei steigender Flut versucht Susi die Wucht der mittlerweile wieder sehr hohen Wellen fotografisch zu erfassen, aber irgendwie sehen Wellen auf Fotos selten so gewaltig aus, wie in freier Wildbahn. Am frühen Abend vertreibt aufkommender Regen uns und die anderen Strandbesucher vom Strand und wir fahren weiter nach Santander, der Hauptstadt Kantabriens mit rund 170.000 Einwohnern.

Santander ist ein möndänes Seebad, immerhin mit eigenem Flughafen. Aufgrund eines Großbrandes 1941 gibt es aber keinen historischen Stadtkern mehr. Der offizielle Wohnmobilstellplatz der Stadt ist völlig überlaufen und das Übernachten im Stadtgebiet wird nicht geduldet. Wir beschränken uns daher auf ein "sightseeing by car", was wir wirklich relativ selten machen. Hinter Santander, am Rande des Flughafens, hinter einem etwas abgerockten Industriegebiet liegt eine kleine Marina mit einer langen baumbestandenen Mole. Hier übernachten wir ruhig und wenigstens mit Blick auf Santander. Nur einige Angler und wenige Camper leisten uns Gesellschaft auf der Mole. Wir lassen Santander hinter uns. Susi hat herausgefunden, dass es hier in der Nähe eine CEPSA-Tankstelle mit einer Dusche gibt (die letzten Tage gab es nur Strandduschen für uns). Für einen geringen Obulus genießen wir den Luxus einer heißen Dusche, stärken uns im Cafe der Tankstelle und zum Schluss bekommt Betty auch noch eine heiße Dusche auf dem Selbstwaschplatz für Wohnmobile.

Unser nächstes Ziel ist der Playa de Berria nahe der Hafenstadt Santona. Dort angekommen erwartet uns eine Überraschung: Es ist ausnahmsweise mal richtig windig, die Sonne lacht und eine schöne Welle rollt in die Bucht und es sind andere Windsurfer auf dem Wasser! Andere Windsurfer haben wir seit Wochen nicht gesehen, auch Nordspanien ist Wellenreiterland. Nach einem kurzen Austausch über die Spotbedingungen mit einem "Local" bin ich gefühlt 20 min später auf dem Wasser. Es läuft eine ziemlich saubere Welle zum Abreiten, einzelne Sets sind auch wirklich groß. Der Wind kommt von rechts, für mich von der "ungewohnten" Seite, das bedarf etwas der Eingewöhnung. Das das heute außergewöhnlich gute Bedingungen waren, erzählt mir später ein Local, der extra aus Bilbao angereist ist. Wir bleiben für zwei Nächte in Santona am Rio de Treto, einem quirligen Hafenstädtchen mit Bodenhaftung. Hier gibt es auch tolle Fischgeschäfte mit superfrischem Fisch in großer Auswahl und auch noch sehr günstig! Auf der anderen Flussseite von Santona liegt der Badeort Laredo, der anscheinend nur aus Apartmentanlagen und Hotelburgen besteht, das ist nicht so unser Ding! Von Santona aus kann man auf einer Wanderung rund um den Monte Buciero den Leuchtturm Faro de Caballo besichtigen. Von der Steilküste führen immerhin 763(!)  Stufen zum Leuchttum hinunter (und wieder hinauf, ich habe gezählt). Der Leuchtturm selber ist eher unscheinbar, aber  die in die Felsen geschlagene, steile und gewundene Treppe dorthin ist spektakulär. Anscheinend ist unsere Kondition ganz gut, wir schnaufen auf dem Weg wieder rauf deutlich weniger als die meisten anderen auf der Treppe. Am Ende des Wanderweges rund um den Monte Buciero kommt man am einzigen Gefängnis Kantabriens vorbei. Das ältere,  baulich wunderschöne Gefängnis "El Dueso" liegt nahe des Strandes Playa de Berria, einige "Zimmer" haben bestimmt Meerblick (nur bei guter Führung)! Vom Wanderweg kann man von oben direkt in das Gefängnisgelände hineinsehen. Es ist anscheinend gerade Ausgang, etliche Gefangene gehen innerhalb der Mauern spazieren oder machen Sport. Sieht irgendwie aus wie im Hollywoodfilm... Wir sind nach der Wanderung so richtig durstig und stärken uns in der einsamen Dorfbar des neben dem Gefängnis gelegenen Örtchens El Dueso erstmal mit einer kalten Cerveza. Leider hat sich der Wind (wie vom Local vorhergesagt) wieder verflüchtigt und es ist an der Zeit wieder aufzubrechen. Es ist der 23. August, das kleine Kantabrien ist somit so gut wie durchquert und hinter den nächsten Kurven wartet bereits das Baskenland mit der Haupstadt Bilbao auf uns!

Fazit Kantabrien: Kantabrien ist die Fortsetzung von Asturien. Auf wenigen Quadratkilometern befindet sich eine komplette Welt von Strand, Bergen, Flüssen und Seen. Die vorherrschende Farbe - auch der Berge - ist grün, alles wächst und gedeiht hier. Leckere Meeresfrüchte gibt es in Hülle und Fülle. Dazu kommen bereits deutlich angenehmere Wassertemperaturen zum Surfen und Baden als z.B. in Portugal und Galicien. Im Sommer wird es direkt an den Küsten aber bereits deutlich enger und voller. Die meisten Küstengemeinden verhalten sich gegenüber dem Wohnmobiltourismus (oft nicht ganz zu Unrecht) ziemlich restriktiv.


On the road: 214 Tage
Insgesamt zurückgelegte Strecke: 11.860 km

FORTSETZUNG FOLGT

Antworten (1)

Simone
Wie beneidenswert eure Reise. Abenteuer pur

Spanien
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