Veröffentlicht: 03.10.2024
Tana Toraja heißt das Gebiet, in dem das Volk Toraja lebt. Dieses wird oft mit Häusern, deren Dächer aussehen wie Boote, sowie einem einzigartigen Ahnenkult in Verbindung gebracht. Nachdem Charlotte, Aaron und ich morgens gegen 6 Uhr mit dem Nachtbus von Rammang Rammang in Tana Toraja angekommen waren und Lynda uns in ihr wunderschönes Homestay Villa Luna gebracht hatte, konnten wir sogar sofort unsere Zimmer beziehen. Leider konnte ich nicht nochmal einschlafen, weshalb ich einfach frühstücken gegangen bin. Und das war eine gute Entscheidung, denn dabei habe ich Melany und Etienne sowie Khaoula und Antoine, zwei Pärchen aus Frankreich, kennen gelernt, mit denen ich die nächsten Tage verbracht habe.
Am ersten Tag haben wir zusammen eine Mopedtour gemacht und dabei Ke'te Kesu', Tampang Allo, Suaya und die Buntu Burake besucht. Ke'te Kesu' ist ein typisches Toraja-Dorf, welches mittlerweile aber nicht mehr bewohnt wird, sondern nur noch für Touristinnen und Touristen gepflegt wird. Der Ort besteht aus zwei gegenüberliegenden Reihen von Häusern: nach Norden ausgerichtet die sogenannten Tongkonans (Wohnhäuser), die im Glauben der Toraja die Frauen repräsentieren, und nach Süden ausgerichtet die sogenannten Alangs (Reisspeicher), die die Männer repräsentieren. Sowohl die Menge an Büffelhörnern, die an den Frontgiebeln der Tongkonans aufgehängt werden, als auch die Anzahl der Alangs gelten als Zeichen des Reichtums der Familie. Darüber hinaus sind die Tongkonans auch ein Identitätsmerkmal jedes Mitglieds der Toraja, denn ihr Zuhause und ihre Familie sind dort, wo ihr Tongkonan steht.
Stirbt ein Familienmitglied, wird dieses in einer mehrtägigen Begräbniszeremonie, bei der dutzende Schweine und etliche Wasserbüffel geopfert werden, verabschiedet. Bis zur Begräbniszeremonie wird die verstorbene Person - "Sick Person" genannt - mit Formalin behandelt und zu Hause aufgebahrt, da es je nach sozialem Status und damit einhergehenden Erwartungen an eine möglichst große Zeremonie mehrere Jahre dauern kann, bis diese stattfindet. Als Grabstätten dienen Höhlen- und Felsengräber, die einmal im Jahr während des Festes Ma'Nene gesäubert werden. Im Zuge dessen werden auch die verstorbenen Familienangehörigen aus ihren Gräbern geholt, neu eingekleidet und teilweise sogar durch das Dorf getragen.
Stirbt ein Baby, bevor es Zähne bekommen hat, erhält es eine spezielle Baumbestattung, für die besonders harzreiche Feigenbäume verwendet werden. Die Toraja glauben, dass das Harz der Bäume die Babys ähnlich wie Muttermilch ernährt und außerdem sind diese Bäume in der Lage die für die Beerdigung in den Stamm geschnitzten Löcher innerhalb weniger Jahre wieder selbst zu verschließen. Die Babys wachsen also mit den Bäumen weiter.
In Ke'te Kesu', Tampang Allo und Suaya haben wir uns außerdem verschiedene Höhlen- und Felsengräber angesehen. In Höhlen werden die Särge - in meinen Augen - teilweise einfach nur abgestellt, aber es gibt auch sogenannte hängende Gräber, die, wie der Name sagt, an den Höhlenwänden hängen. Die Särge sehen aus wie Boote, Büffel oder Schweine und werden teilweise auf über 500 Jahre geschätzt. An den Balustraden der Höhlen- und Felsengräber stehen manchmal Tao Tao. Das sind aufwendig aus Holz geschnitzte und eingekleidete Ebenbilder der Verstorbenen, die aber mittlerweile leider zum Großteil Grabräubern zum Opfer gefallen sind (die Tao Tao, die noch vorhanden sind, sind meist Repliken).
Buntu Burake ist die Erlöserstatue auf einem Hügel nordöstlich von Makale, der Bezirkshauptstadt von Tana Toraja. Sie ist mit einer Gesamthöhe von 40m das Wahrzeichen von Makale und die größte Christusstatue der Welt. Als wir am frühen Abend auf den Hügel, auf dem die Statue steht, zu fuhren, stand diese im Licht der langsam untergehenden Sonne. Das sah richtig toll aus!
An den nächsten beiden Tagen waren wir mit dem Local Guide Yohanis unterwegs (falls jemand dorthin möchte und einen Guide braucht: +62 852 3685 3571). Er hat uns zu einer Begräbniszeremonie gebracht und wir haben eine gemeinsame Wanderung durch die Reisfelder gemacht. Wir haben am zweiten Zeremonietag teilgenommen, der "Receiving of the Guests" genannt wird. Jeder Gast bringt Geschenke mit, über die genau Buch geführt wird, damit ein ähnlich wertvolles Geschenk mitgebracht werden kann, wenn irgendwann ein Familienmitglied des Gastes stirbt.
Yohanis hatte uns empfohlen Tee, Zucker und Zigaretten als Geschenke mitzubringen (wir haben uns gegen Zigaretten entschieden, aber eigentlich ist Zucker ähnlich ungesund..). Sehr viele Gäste haben Schweine, manche sogar Wasserbüffel mitgebracht, die im Laufe der Zeremonie geopfert werden. Als wir bei der Zeremonie ankamen, wurden wir mit Tee und Keksen empfangen und konnten uns anschließend ein bisschen umsehen, bevor es mit dem Mittagessen weiterging.
Am Tag "Receiving of the Guests" werden traditionell zwei Wasserbüffel und etliche Schweine geopfert. Der erste Wasserbüffel wurde gerade zerlegt, als wir angekommen sind und nach dem Tee wurden auf dem ganzen Gelände Schweine geschächtet, das Fell mit einem Brenner verbrannt und das Schwein anschließend zerlegt. Man konnte quasi nicht mehr wegsehen und hatte auch noch die ganze Zeit den Geruch von verbranntem Eiweiß in der Nase... Nichts für sensible Menschen!
Das große Ziel des nächsten Tages war ein kleiner Ort in den Reisfeldern, wo gerade Erntedankfest gefeiert wurde. Wir kamen genau richtig zum Mittagessen mit Reis und Hühnerfleisch, das in Bambusrohren gegart worden war. Das hat sehr, sehr gut geschmeckt! Anschließend hat Yohanis uns einen Mann vorgestellt, dessen Vater seit sieben Jahren und dessen Bruder seit sechs Monaten auf ihre Zeremonien warten. Wir durften die beiden Sick People besuchen, was irgendwie sehr skurril war: Sie lagen in einem Raum in ihren Särgen, die extra für uns geöffnet wurden, daneben lag ein anderes Familienmitglied auf dem Boden und hat geschlafen und wir durften sogar Fotos machen. Das wäre bei uns unvorstellbar.
Am nächsten Tag bin ich etwas wehmütig mit Melany und Etienne weitergereist. Eigentlich hatte ich mich bereits in Makassar nach einer Pause gesehnt und Lynda ist so eine tolle Gastgeberin! Aber momentan ist es noch besser im Flow zu bleiben.