Chemieschaf on Tour 🐑
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Timetravelling in Arthur's Pass

Veröffentlicht: 14.03.2025

Wenn du in der Zeit reisen könntest, würdest du dann lieber die Vergangenheit oder die Zukunft sehen? Das ist eine Frage, die sich schnell beantworten lässt oder zu einer abendfüllenden weingetränkten Diskussion führen kann. Ich fände es ja schon spannend zu sehen, wie so manche Zeiten und Ereignisse wirklich waren im Vergleich zu den heute erzählten Geschichten. Und vielleicht wird mein Wunsch hier ein kleines bisschen wahr - in Arthurs Pass fühle ich mich ein bisschen zurück versetzt in der Zeit.


Nicht nur, weil dieses Hotel, das verrückteste in dem ich je geschlafen habe, bestimmt seit 100 Jahren kontinuierlich mit Kram vollgestopft wird. Es gibt mehr zu entdecken, als Neuseeland Sehenswürdigkeiten hat, bin ich mir sicher. Einmal fliegt mir die Sicherung raus. Gollum wacht über meinen leider wieder schwierigen Schlaf. Mein Zimmer sperre ich aufgrund des kaputten Schlosses mit einer Schraubenzieher-Konstruktion ab. Das ist besser als nichts, denn absperren möchte ich unbedingt. Hier gibt es nämlich auch einen Massagesessel, gefühlt aus den 90ern, aber beim Austesten desselbigen auch den ersten richtigen unangenehmen Kontakt mit einem anderen Reisenden, der mich ausfragt: "Are you travelling alone? Do you want to join me? What room are you staying in?" Auch das fühlt sich an wie zurück in der Zeit. 

Zum Glück ist das mehr oder weniger das einzige, was mir nicht gefällt. Immer noch nicht ganz regeneriert beschließe ich, dass es jetzt reicht mit Wanderungen über 1000HM und laufe am ersten Tag nicht auf den Avalange Peak (auch wenn gerade keine echte Lawinengefahr herrscht, ist es außerdem zu windig) den Arthurs Pass Walking Track mit ein paar Ausläufern und komme genau pünktlich wieder an meinem Auto an, denn der Nachmittag ist verregnet. Ich erlaube mir, mich mit meinem Buch ins Bett zu kuscheln. Am nächsten Tag laufe ich auf dem Rückweg von Arthurs Pass zum letzten Zwischenstopp vor Christchurch den Bealey Spur Track und komme genau pünktlich an meinem Auto an, denn der Nachmittag ist verregnet. Ich erlaube es mir, mich mit meinem Buch bei einem Chai Latte in einem Café zu verkriechen. Vielleicht ist das auch ein Blick in die Zukunft: Eine Katie, die sich mehr Langsamkeit erlaubt, so wie es mir Arthurs Pass vormacht.


Die Landschaft ist ein bisschen wie in einer anderen Welt, so belassen, so wenig angerührt. Hier wächst nicht nur Gras über alles, sondern auch Moos, Flechten und eben Langsamkeit. Beim Wandern begegnen mir kaum Menschen, dafür ein Kaninchen und ein Vogel, der direkt neben mir auf einem Ast landet. Infoschilder zeigen, dass hier vor knapp 100 Jahren noch nicht viel von der jetzigen Infrastruktur da war und der Hotelbetreiber erzählt von der Zeit, als er hier mit Pferdekutsche den Pass entlanggefahren ist.

Die ganze Atmosphäre hat etwas von einem Pausenknopf. Sie hat aber auch etwas von Einschränkung. Die Berge links und rechts des Tals, die Wolken die dort reinfallen, der sehr geringe Bewegungsradius, all das kann auch bedrücken. Ich wähle für meine Zeit den Fokus des Pausenknopfes, des aus der Zeit sein, des ohne Uhrzeit fühlen, was gerade dran ist. Den Schnupperblick in einen Zukunftspausenraum, der Teil von mir werden darf. Ich mag das für die beiden Tage, an denen ich hier bin. Und bin auch dankbar, als ich gegen die Sanduhr klopfen kann und der Sand wieder leise zu rieseln beginnt, als ich wieder losfahre.
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