Veröffentlicht: 21.10.2023
Es ist nicht zu fassen: der Rückenwind lässt uns derbe im Stich. Wir sitzen fest und dieses Mal endgültig. Aber beginnen wir von vorn.
Das Licht am Caravan blinkt und leuchtet wieder, die Sonne strahlt vom azurblauen Himmel und wir haben noch ganze zwei Wochen Reisezeit.
Mein großer Wunsch für diese Tour ist ein Abstecher zum Wochenmarkt am Samstag in Pont-Saint-Esprit.
Unter schattenspendenden Platanen kann man an vollbeladenen Ständen entlangschlendern. An jeder Ecke duftet es nach Köstlichkeiten, nach aromatischen Kräutern, nach würzigen Oliven, nach frischem Ziegenkäse, nach warmem Brot, nach knackigen Würsten oder nach fangfrischem Fisch. Prallvolle Obst- und Gemüsestände wechseln sich mit Melonen- und Schuhverkäufern ab. Die warmen Puschen für den bevorstehenden Winter kann man bestaunen, genauso wie die weithin betörend duftenden, riesengroßen Knoblauchzöpfe - ein Paradies für alle Sinne. Da will ich hin!
Der schlaueste Weg von Valence in dieses Paradies führt uns in Richtung Südwesten über die Ardèche-Berge. Nicht nur der namensgebende, bei Paddlern sehr beliebte Fluss, ebenso die Loire entspringt hier in der waldreichen Landschaft vulkanischen Ursprungs. Bekannt ist die Gegend aber auch besonders durch die zahlreichen Edelkastanienbäume und deren wirklich schmackhafte Erzeugnisse, angefangen bei dem unwiderstehlichen Brotaufstrich Crème de Marrons über kandierte Kastanien, verführerischem Eis bis hin zu süßen Likören.
Unterwegs machen wir uns auf den steilen Weg zum Rocher du Brion. Zappa stoppt plötzlich unser hier langsames Gefährt und sammelt massenweise Maronen aus dem Straßengraben, die aussehen wie grüne Seeigel, aber vom Baum fallen und deren stachlige Schalen mächtig in die Finger picksen.
Wir sind sehr überrascht, wie steil der Anstieg auf engsten Waldwegen zu dem Basaltfelsen aus erkaltetem Magma ist, damit haben wir nicht grechnet. Nur im ersten und zweiten Gang geht es die vier Kilometer hinauf. Auf dem schmalen Asphaltband gibt es keinerlei Möglichkeit zu wenden, keine Parkbucht, keine Ausweichstelle, keine Zufahrt.
Wacker schnauft die Räuberhöhle mit dem Chateau im Gepäck den Buckel hinauf. Plötzlich, nur 50m vor dem Gipfel auf über 900m Höhe piept es laut und grell leuchtet die rote Kühlwasseranzeige im Armaturenbrett. Bon merde!
Zappa schafft es gerade noch mit dem Restschwung, das Auto mitsamt Wohnwagen auf den rettenden Parkplatz zu lenken. Schon ist die Motorhaube geöffnet. Alles ist heiß, aber zum Glück kein Zischen und kein Dampfen. Nur wundert sich Zappa, dass der Ventilator vom Kühler nicht auf Hochtouren läuft, das sollte er jetzt doch wohl tun?!
Als sofortige Erste-Hilfe-Maßnahme reißt der Held alle Türen auf, dreht Innenheizung und Gebläse als Ersatzkühlung auf volle Pulle, wodurch innerhalb weniger Augenblicke die rote Warnlampe erlischt. Noch mal Glück gehabt!
Bei Schafsglockenläuten und einem Sonnenuntergang in sämtlichen Rot- bis Lila-Farbtönen, können wir dann doch noch den Abend auf dem Berg mit grandioser Aussicht auf die vor Millionen Jahren erloschenen Vulkanhügel genießen.
Nachdem wir in Le Cheylard bei einem kleinen Marktbummel unsere Vorräte aufgestockt haben - was nur möglich war, indem der Caravan vor den Toren des Städtchens abgehängt wurde, andernfalls wäre die Parkplatzsuche völlig aussichtslos gewesen! Nach dem kleinen Markt also und einem anschließenden petit cafè in der Bar Tabac, setzen wir unsere Reise fort.
Heute ist das Ziel das Örtchen Borée am Fuße des Mont Mézenc, wo wir das Hinkelsteinfeld bestaunen wollen. Unterwegs ist jedoch noch eine kurze Siesta fällig, der Magen knurrt und der frische Ziegenkäse muss dringend zusammen mit den süßen Muskattrauben probiert werden. Ein wirklich schönes Plätzchen will sich hier in den rauen Bergen nicht so schnell finden, also halten wir an einem hohen Kiefernholzstapel auf einem Parkplatz an der kleinen Landstrasse.
Als wir gestärkt und ausgeruht unseren Weg fortsetzen wollen, passiert das beinahe Unfassbare: das Auto springt nicht an! Der Motor rattert noch zwei Mal und dann ist Schluß! Bon merde!
Oh nein, oh nein, oh nein! Das kann doch nicht wahr sein! In der Anzeige leuchten die Lämpchen der Ölkontrolle und für das ABS-System. Öl hat Zappa erst gestern kontrolliert und wieso eigentlich ABS? Ratlosigkeit macht sich bei uns beiden breit. Eben sprang der Motor doch noch ganz brav an!!! Es hilft nichts, resigniert hole ich die gelbe Mitgliedskarte hervor und wähle die Nummer der ebenso gelben Engel.
Lange muss ich nicht warten, bis ich der jungen Frau erklären darf, was passiert ist, was nicht mehr passiert und wo wir uns befinden. Es dauert jedoch eine Weile, bis sie uns an der kleinen D237 am Briefkasten Nummer 3310 von Familie Dupons geortet hat. Dann verspricht sie, dass in einer Stunde der Abschleppwagen kommt.
Niedergeschlagen mache ich mich daran, die stachligen Schalen der Esskastanien von den edlen Früchten zu entfernen, vielleicht können wir sie später ja noch rösten.
Anders als in Spanien ist Monsieur Depannage pünktlich auf die Minute nach einer Stunde bei uns https://vakantio.de/chateaugeschichten/la-grua Er probiert zunächst sein Glück mit dem Testen der Autobatterie, aber hier liegt dieses Mal nicht das Problem. Monsieur hat den Verdacht, dass der Anlasser defekt ist und bringt uns in die nächste Renaultwerkstatt, die die nächsten freien Termine eigentlich erst ab Mitte November zu vergeben hat.
Aaaber: er wusste nicht, dass wir einen Wohnwagen dabei haben - komisch, das habe ich dem Frollein mindestens drei Mal gesagt. Ich rufe noch einmal bei der gelben Hotline an, wo mir das nächste Frollein mitteilt, dass der Wohnwagen nicht mitgeschleppt wird. Ich sage ihr, dass dieser Service in unserer Versicherung enthalten ist und dass das schon einmal in Spanien gemacht wurde.
Sie widerspricht mir vehement und macht schlechte Laune. Ich erkäre ihr, dass der Caravan mitten auf der Straße steht - nun ja, was tut man nicht manchmal - und hier nicht bleiben kann. Sie spricht dann mit Monsieur Depannage, der ihr seinerseits nachdrücklichst ans Herz legt, dass das Chateau mitten im Wald abgestellt ist und mitgenommen werden muss. Er war sowieso schon dabei, die Anhängerkupplung des Abschleppwagens zu positionieren.
Und so nehmen wir auf den bequemen Sitzen des großen Autos Platz. Die mitgekommene Madame Depannage klettert hinter uns in den Fonds, so dass Zappa dieses Mal die wilde Fahrt nicht wie in Andalusien im Wohnwagen meistern muss https://vakantio.de/chateaugeschichten/schon-wieder-warten-auf-den-grua
Nach etwa einer Stunde über Berg und Tal, durch enge Serpentinen und winzige Kuhdörfer erreichen wir eine kleine Werkstatt mit großem Renaultzeichen und einigen Autowracks drumherum. Monsieur schiebt mit uns noch den Wohnwagen in eine Lücke und wünscht uns gute Nacht, denn hier herrscht schon friedlicher Feierabend.
Wir informieren uns erst einmal, wo wir eigentlich gelandet sind. Das Städtchen heißt Mazet-Saint-Voy, liegt im Velay auf 1000m Höhe, was die rapide gesunkenen Außentemperaturen erklärt, verfügt über eine Bäckerei, eine Apotheke, zwei Bars, ein Office de Tourisme, einen Botanischen Garten und morgen früh ist Markt.
Da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen.